Die teuerste Federgabel und der beste Dämpfer haben abseits vom Eissalon wenig Nutzen, sind sie nicht richtig auf den Biker oder die Bikerin eingestellt. Wir zeigen euch, wie ihr mehr aus eurem MTB holt.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Das edle Trailfully versinkt bergauf im Federweg und saugt dir in den Uphills lästig wippend die Kraft aus den Beinen? Das Fahrwerk rumpelt und poltert trotz massiven Federwegs holzig über Wurzeln und Geröll, so als hättet ihr euer 90er-­Jahre-Hardtail mit Elastomergabel wiederbelebt? Am Trail findet ihr nicht so richtig die Balance zwischen den Rädern, habt in steilen Passagen ständig das Gefühl über den Lenker zu gehen? Die Unterarme pumpen wie nach einem Abend in der Kletterhalle? Und das, obwohl ihr gerade Tausende eurer hart verdienten Euros in ein neues Bike, vielleicht sogar in ein Topmodell mit schimmerndem High-End-Fahrwerk, investiert habt? 

Keine Sorge, wirklich schlechte Bikes gibt es heute kaum mehr. Die Chance hier einen Griff in den Lokus gemacht zu haben, ist wahrlich gering. Viel wahrscheinlicher: Dämpfer und Gabel des Bikes, das sogenannte Fahrwerk, sind schlichtweg falsch eingestellt. Ein Faktor, welcher vielfach übersehen wird. Doch Fakt ist: Ein günstiges Einsteiger-Fahrwerk performt gut eingestellt tausendmal besser als das noble, aber vom Nutzer komplett ignorierte High-End-Teil – und der „richtige“ Druck in der Luftkammer ist hier nur ein Teil des Problems … Das Glück: Für ein gutes Setup von Luftfederelementen (auf Modelle mit Stahlfeder gehen wir hier aus Gründen der Komplexität bewusst nicht ein) ist kaum handwerkliches Geschick erforderlich, nur etwas Zeit und der Wille, sich damit zu beschäftigen. Den Unterschied, so viel sei versprochen, spürt auch der Laie.
 

Die Puzzleteile des Fahrwerks
Im ersten Schritt, so empfiehlt es auch Christoph Joch von Hersteller Specialized, sollte man sich beim Setup „auf Luftdruck bzw. Federhärte (also den Sag, Anm.) und Zugstufe konzentrieren. Hat man hier ein gutes Setup gefunden, kann man sich an die Konfiguration der Druckstufe machen“. Im Folgenden wollen wir euch diese drei Komponenten näher erklären.

Der Sag
Basis zum optimalen Setup bildet der sogenannte Negativ-Federweg oder Sag. Dieser beschreibt die Veränderung des Federwegs eines Federelementes von komplett ausgefedert und unbelastet hin zu unter dem Gewicht des Fahrers in Fahrposition komprimiert. Er beeinflusst sowohl die Traktion als auch maßgeblich das Federverhalten eines Bikes. Besagter Sag wird meist in Prozent oder Millimetern angegeben und durch die Federhärte, sprich bei Luftfederelementen durch den Luftdruck bestimmt.

Je schwerer der Fahrer, desto höher der erforderliche Druck.  An Federgabeln finden sich meist am Fahrergewicht angelehnte Empfehlungen für den passenden Luftdruck, für den Hinterbau geben Hersteller (oft versteckt in Manuals) Empfehlungen für den idealen Sag-Wert (meist irgendwo zwischen 20 und 40 %). Teils finden sich dazu Tabellen, Hersteller wie beispielsweise Specialized bieten aber auch komplette Fahrwerks-Guides, in denen man sein Fahrradmodell plus das fahrfertige Gewicht eingibt und so Luftdruckwerte zur Basiseinstellung erhält.

Wie auch immer: Kennt man den gewünschten Sag, stellt man sich in voller Fahrmontour (inklusive Rucksack, voller Trinkblase oder Wasserflasche am Rahmen) parallel zu einer stabilen Mauer. Aufsteigen, Gabel und Dämpfer einmal durchfedern, den kleinen Gummiring ganz zur Gummidichtung schieben und vorsichtig (ohne zu Bremsen) mit dem Ellenbogen an der Wand abstützen und Fahrposition einnehmen. Nun Bremsen ziehen und vorsichtig, ohne die Federelemente zu belasten, absteigen.
 
Bei RockShox-Federgabeln und Dämpfern lässt sich durch eine Skalierung der Sag direkt in Prozent ablesen, andere Fabrikate verlangen ein Nachmessen per Maßband. Sowohl an Gabel als auch -Dämpfer gilt dabei nicht der angegebene Federweg, sondern der selbst gemessene Hub, also der tatsächliche Weg, den sich der Dämpfer oder die Gabel (bei zuvor entleerter Luftkammer) bewegt. Ein 140-mm-Hinterbau erhält schließlich seinen Federweg über die Umlenkung, tatsächlich misst der Hub nur beispielsweise 55 mm. An der Gabel kann man sich im Grunde an den offiziellen Angaben orientieren, hier sind die Abweichungen meist nur im Millimeterbereich anzusiedeln. Diesen Vorgang wiederholt man für Gabel und Dämpfer getrennt so lange, bis der gewünschte Wert erreicht ist.

Die Dämpfung
Gegenstück zum Sag und seiner bestimmenden Luftfederhärte ist die ölbasierte Dämpfung. Ohne sie würde das Bike im Gelände wie ein Pogo-Stick springen. Die Dämpfung „steuert“ somit einerseits die Geschwindigkeit, mit der das Fahrwerk komprimiert wird und andererseits wieder aus besagter Kompression ausfedert. Hierbei wird zwischen Druckstufen- (Compression oder Kompressions-Dämpfung) sowie Zugstufen-Dämpfung (Rebound) unterschieden. Fährt man über ein Hindernis, reguliert die Druckstufe die Geschwindigkeit, mit der das Federelement komprimiert wird. Die sogenannte High- und Low-Speed-Druckstufe reguliert das jeweilige Kompressionsverhalten bei schneller (etwa über grobe Kanten) und langsamer (etwa auf Schotter) Kompressionsgeschwindigkeit.
 
Vielfach verfügen Federelemente nur über eine Low-Speed-­Einstellbarkeit oder eine Mischung aus Low- und High-Speed. Bei hochwertigen Modellen mit getrennten Einstellmöglichkeiten arbeiten hingegen auch die jeweiligen Kreisläufe getrennt voneinander. Derlei High-End-Fahrwerke, räumt auch Christoph Joch ein, lassen aber vorrangig Rider mit Rennerfahrung und tiefgehenden Kenntnissen profitieren: „Diese können so ihr Fahrwerk exakt auf die jeweilige Strecke und die Verhältnisse abstimmen und bringen auch die nötige Grundgeschwindigkeit mit.“ Übrigens: Plattform-Hebel an Dämpfer und Gabel für härtere Federelemente im Uphill manipulieren in der Regel ebenfalls die Low-Speed-­Druckstufe.

Andererseits reguliert die Zugstufen-Dämpfung oder der Rebound die Ausfedergeschwindigkeit. Diese hängt eng mit dem Luftdruck (der „Federrate“) zusammen. Wer also hohen Druck im Federelement fährt, muss auch eine entsprechend langsame Zugstufe fahren, um ein „Springen“ zu unterbinden. Auch hier gibt es getrennte Low-Speed- und High-Speed-Einstellungen, allerdings ist dies eher selten der Fall. In der Regel kommen Federelemente mit einer einzelnen Zugstufen-Regulierung aus. Nur der Vollständigkeit halber: Bei starker Kompression, also sehr großen Schlägen wirkt die High-Speed-Zugstufe, im oberen Bereich des Federwegs, also dann, wenn die Rückstellkräfte nicht mehr so hoch sind, wirkt die Low-Speed-Zugstufe.

Fehler beheben
Häufig scheitert es laut Joch an besagter Zugstufe: „Fühlt sich das Bike wie ein bockiges Pferd an, deutet dies auf eine zu schnelle Zugstufe hin. Ist sie zu langsam, verhärtet das Fahrwerk bei schnell aufeinanderfolgenden Schlägen und fühlt sich sehr harsch an.“ Um ein Gefühl zu entwickeln, rät Christoph Joch hier nach dem Finden des passenden Sags die gleiche Teststrecke einmal mit komplett offener und einmal mit komplett geschlossener Zugstufe zu fahren, um die Unterschiede herauszuspüren – und sich dann von dort ans Setup anzunähern. 

Christoph Joch
Christoph Joch

Der leidenschaftliche Mountainbiker bewegt sich bereits seit 2016 auch beruflich in der Bike-Branche und verantwortet seit diesem Jahr als Category Lead Mountain (D.A.LUX) die Geschicke des Themas Mountainbike beim US-Branchenprimus Specialized.

WEB: www.specialized.com