HighTech oder Mucki-Bude? Im Herbst pilgern viele in die Fitnesscenter. Aber wie findet man für sich das beste? Was ist der Wohlfühlfaktor? SPORTaktiv schupft die Muskeln.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Kennst du den schon? „Hab meinen WhatsApp-Status auf ,Im Fitnessstudio‘ geändert. Jetzt vier Anrufe und 20 Nachrichten meiner Freunde, ob mir denn mein Handy gestohlen wurde?“ Keine Sorge, und die Freunde sollen sich nur wundern, Herbstzeit ist Fitnesscenter-Zeit. Werden die Tage kürzer und das Wetter schlechter, sinkt die Motivation, im Freien zu trainieren. Im Gegenzug steigen die Mitgliederzahlen in den Studios. Die Fülle an Angeboten am Markt ist fast unüberschaubar. Wir versuchen, einen Blick in die Welt der Crosstrainer, Hantelstangen, Ergometer und Laufbänder zu werfen und ein paar Fragen zu beantworten: Wo bin ich am besten aufgehoben? Welche Angebote will ich nutzen? Was will ich zahlen?

Der Markt bietet so ziemlich alles. Von der klassischen Kraftkammer in Klubheimen und Sportvereinen, über vielfältigste Angebote im breiten Fitnessbereich bis hin zum oberen Segment der Premium-Marken. Genauso breit gefächert ist die Preisgestaltung: Die Preisschwelle der großen Ketten, auch „Diskonter“ genannt, liegt mit den billigsten Abos bei 20 Euro im Monat (clever-fit, McFit, Fitinn, etc). Im mittleren Segment zwischen 50 und 70 Euro Euro werden Angebote und Qualität verfeinert (z. B. Vibes Fitness, Injoy, Kieser, reine Damen-Marken wie Mrs. Sporty und Curves). Nach oben runden die Premium-Anbieter wie „John Harris“ ab, wo man ab 109 Euro monatlich in die Welt der Fitnesstempel eintaucht. Überall dazwischen tummeln sich kleinere und private Anbieter. Generell gilt: Im Detail entstehen bei fast allen noch zusätzliche Kosten (Einschreibgebühr, Getränke, Garderobe, Kurse, Kosten bei Vertragsauflösung etc.). Drum prüfe, wer sich ewig schindet. 

Verwirrend? Unser SPORTaktiv-Experte Kurt Steinbauer hat einen einfachen Rat. „Das beste Fitnessstudio ist das, wo ich gerne hingehe.“ Der Sportwissenschafter empfiehlt, sich und seine Motive zu hinterfragen. „Welcher Typ bin ich? Will ich eine Gruppe oder schwitze ich lieber alleine? Welches Ambiente bevorzuge ich – puristisch oder volles Wellness-Package? Mache ich es wegen der Figur? Wegen einer Verletzung oder Schmerzen? Wie viel bin ich bereit, zu zahlen?“ Dann erst solle man sich an die Auswahl seines Studios machen. „Was und wo ich trainiere, ist fast zweitrangig. Jeder Beitrag zur Gesundheit ist wertvoll“, versichert Steinbauer. Dabei habe die 2-2-1-Formel noch Gültigkeit: Jeder gesunde Mensch sollte pro Woche zumindest 2 Stunden Cardio-Training für Herzkreislauf machen, 2 Mal seine Muskeln kräftigen und ein koordinatives Training einstreuen. „Ob billig oder teuer, alle Fitnessstudios erfüllen den Zweck, den Menschen die nötige Dosis Fitness zu vermitteln.“ Gute Trainer und Sportwissenschafter vermitteln zudem ihr Wissen aus Training, medizinischen Grundkenntnissen und sozialer Kompetenz. Noch ein Tipp von Steinbauer: Viele Zusatzversicherungen stellen Gutscheine für Trainings aus.

Zu guter Letzt: Was darf man an Fortschritten erwarten? „Wer zumindest ein halbes Jahr trainiert, erhöht auf jeden Fall seinen Muskelanteil, ist sicher fitter, fühlt sich generell wohler und hat das eine oder andere Wehwehchen wie Rückenschmerzen beseitigt“, versichert Steinbauer. Bei der oft gewünschten Gewichtsabnahme schaut das anders aus. „Nur durchs Trainieren nimmt man nicht ab. Da braucht es schon auch eine Umstellung der Ernährung.“ Die Erfahrungen zeigen auch: Zwei bis acht Wochen ist die Motivation meistens sehr hoch, für eine langfristige Änderung muss man neue Verhaltensmuster jedoch mindestens ein Jahr konsequent durchziehen. Dann sind die Chancen hoch, dass man dran bleibt.  

Gehobenes Niveau
Mit diesen Empfehlungen im Hinterkopf schauen wir bei „John Harris“ (Filiale Graz) vorbei. 3500 Quadratmeter auf drei Ebenen in bester Innenstadtlage, 20-Meter-Pool, Sonnenterrasse mit Ausblick auf die benachbarte Oper, Saunalandschaft, Ruheräume, Solarium, Massage, Ernährungsberatung. „So ein Angebot gibt es in Österreich nur bei uns“, sagt Clubmanager Maximilian Wascher. „John Harris steht für absolute Top-Qualität, beim Personal, bei der Ausrüstung und beim Training.“ Der Club verströmt sportlichen Lifestyle, ist picobello, hell, große Glasflächen, edler Parkett – trainieren fast wie im VIP-Klub. Böse Zungen behaupten, hierher kommen nur die Reichen und Schönen, top gestylt und im neuesten Outfit. Da muss Wascher lachen. „Zu uns kommen alle. Wir haben Studenten, Junge, Ältere und viele Damen.“ Etwa 50 Prozent Frauenanteil hat John Harris, eine eigene Damensauna trägt dem Rechnung. Das Konzept gehe auf. „Wir bieten gehobene Qualität, achten auf unsere Klientel und halten Regeln ein“, sagt Wascher über den Betrieb mit 18 Festangestellten.
Los geht es mit dem U26-Tarif von 79 Euro im Monat, darüber gibt es bei einem Jahresvertrag den Standardtarif von 109 Euro. Da sind sämtliche Leistungen wie Sauna, Pool und Kurse eingeschlossen. Davor ist jedoch eine Einschreibgebühr von 150 Euro fällig, mit der auch eine Körperanalyse, eine Trainerstunde und ein Trainingsplan abgedeckt sind. „John Harris“ hat 365 Tage im Jahr offen, fast rund um die Uhr. „Wir haben Leistungssportler, die zwei Mal am Tag zu uns kommen und andere, die selbst an trainingsfreien Tagen Pool, Sauna oder Sonnenterrasse nutzen.“ Unser Eindruck: edel, riesiges Angebot für Menschen mit viel Zeit für ihre Fitness.
 

Der Dinosaurier
Manche sind auch mit weniger zufrieden. Große Bekanntheit hat in Graz ein Studio, das wie der Gegenentwurf zu John Harris dasteht. „Kurtis Gym“ heißt das Center von Kurt Gorjup (63), das er bereits seit 40 Jahren führt. Von außen wirkt es wie seit Jahren geschlossen, über einen Hinterhof gelangt man in das flache Gebäude. „Kraftkammer“ wäre abschätzig, aber hier ist es eher rustikal. „Eisenscheiben und Holzvertäfelungen, mehr braucht es nicht, ein Paradies für alle, die Gewichte heben wollen“, schreibt ein Kunde auf Facebook. Kurtis Gym ist Kult und nicht nur für Eisenbieger und Hantelschupfer. Es gibt keine Berührungsängste, selbst Andreas Gabalier hat hier trainiert, erzählt man. Gorjup war hier in den Schwarzenegger-Zeiten Wettkampf-Bodybuilder, hat in 40 Jahren einiges gesehen. „Wir sind vom Mittelalter bis in die Moderne mitmarschiert“, lacht der sympathische Mann mit Schnauzer und Pferdeschwanz unterm Kapperl. Viele Konkurrenten haben seine „Muckibude“ belächelt und waren selbst bald wieder vom Markt. „Aber es wird schwerer“, sagt Gorjup, der sein Gym mithilfe seiner bereits pensionierten Schwester Meli führt. „Gegen die großen Ketten hast du auf Dauer keine Chance. Die haben rund um die Uhr offen. Ich kann nicht einmal Urlaub machen. Alle Dinosaurier sterben einmal aus.“ Er ist Coach, Freund, Psychiater. „Ich kenn bei vielen die Kinder und Enkelkinder. Bei anderen Studios bist du eine Mitgliedsnummer. “

Neben klassischen Hanteln und Kraftstationen findet man hier auch Laufband und Ergometer, Kurse bietet „der Kurti“ nicht an, „aus Platzgründen“. Bei ihm zählt das Motto, das außen an den Scheiben klebt: Born to Train. „Mehr braucht es nicht.“ Bei ihm gibt es keine Verträge, man zahlt monatlich, fertig. Studenten 20, der normale Tarif 35 Euro. Gorjup: „Im Frühling kommen die meisten wegen der Badefigur, im Herbst wegen dem schlechten Gewissen.“ Unser Eindruck: erdig, für Muskelfreunde ohne Kontaktscheue. Ach ja, kennst du den auch? „Ich wollte dieses Jahr 10 kg abnehmen. Jetzt fehlen nur noch 13.“

Kurt Gorjup