Benjamin Karl ist fünffacher Snowboard-­Weltmeister und Vollblut-Fitness-Botschafter. Vom Wissen des 35-Jährigen können auch Hobbysportler profitieren.

Klaus Molidor
Klaus Molidor


Wie man es schafft, mit 35 noch Snowboard-Weltmeister zu werden, wird schnell klar. Drei Wochen hat die Off-Season bei Benjamin Karl gedauert, Anfang Mai trainiert er schon wieder für die neue Saison. „Ich kann einfach nicht ruhig sitzen“, sagt der gebürtige Niederösterreicher, der seit 2008 in Lienz in Osttirol lebt. Und der aus seiner zweiten Leidenschaft neben dem Snowboarden einen Beruf gemacht hat: Seit Sommer 2020 betreibt er am Stadtrand von Lienz keine 200 Meter vom Ufer der Drau entfernt ein eigenes Gym. Vor allem aber bietet er unter dem Namen Athletic Heroes virtuelle Workouts an. Dabei können Anfänger, Ambitionierte und Pros gleichermaßen vom Weltmeister lernen. Sportbegeistert ist er schon als kleines Kind, mit 19 steht er mit seinem Mountainbike am Start der A-Strecke bei der Salzkammergut-Trophy. „Als jüngster Teilnehmer aller Zeiten bin ich die 200-km-Strecke gefahren“, sagt er nicht ohne Stolz. Es folgte die bekannte Karriere als Snowboarder mit insgesamt fünf Weltmeistertiteln, den jüngsten feierte er vor wenigen Monaten im slowenischen Rogla als 35-Jähriger im Parallel-Slalom.

Auch Fitness und Krafttraining haben ihn schon früh gefesselt. „Ich wollte immer verstehen, was welche Übung bewirkt und wie die Dinge zusammenhängen“, erzählt er. Völlig hineingekippt in Trainingswissenschaft und Co. ist er dann vor rund zehn Jahren. „Ich hatte mit 25 schon Probleme mit dem Iliosakralgelenk, hatte Bandscheibenvorwölbungen. Da hab ich mir gedacht: Das kann es aber nicht sein, dass ich in dem Alter schon Schmerzen hab.“ 

Karl liest sich ein, lernt von Trainern, lernt Zusammenhänge zu verstehen. Dass daraus auch ein wirtschaftliches Standbein als Studio-Betreiber geworden ist, ist „ein bisschen aus der Not geboren“, wie er zugibt. „Als wir ein zweites Kinderzimmer gebraucht haben, musste ich mit meinen ganzen Gerätschaften ausziehen. Ein bisschen mehr als einen Kilometer von unserem Haus entfernt hab ich dann eine kleine Halle gemietet und mir gedacht, wenn ich schon Miete zahl, dann mach ich gleich was draus.“ Sein neuer Arbeitsweg führt jetzt direkt am Radweg an der Drau entlang zum „Athletic Hero“-Gym. Drinnen: Matten, Laufband, Rudergerät, Hanteln, Bälle, Kettle Bells, Bänke. Reduziert auf das Wesentliche. Karl schwingt die beiden großen Doppeltüren der Halle auf. „So nah an der Natur und den Bergen, das taugt mir.“ Zwei Monate hatte das Gym im Sommer 2020 geöffnet. Dann kamen die Lockdowns. 

Karl gibt sein Wissen aber auch und vor allem online weiter. „Ich will mit meiner Plattform Leute motivieren, fit zu werden, fit zu bleiben, und ihnen zeigen, wie sie selbst im Gym richtig trainieren können und nicht mehr falsch als richtig machen. Dazu lädt er auch immer wieder Sportwissenschafter, Ärzte, Biomechaniker zu sogenannten „Hero-Talks“ ein, in denen erklärt wird, wie der Körper funktioniert – von der Zelle auf. „Bei mir soll man sich fundiertes Wissen holen können, um sich selbst weiterzuentwickeln und schmerzfrei leben und Sport machen zu können.“ Für einen dieser Talks hat er Dr. Rainer Schroth gewinnen können, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Biochemie. In der Zwischenzeit hat der frischgebackene Weltmeister sein Aktivierungsprogramm heruntergespult. Seilspringen, Planks, Liegestütz. Dann erst startet er mit dem Workout. 

Ich wollte immer verstehen, was welche Übung bewirkt und wie die Dinge zusammenhängen.

Benjamin Karl

Natürlich kann er das Rad nicht neu erfinden. Darum bleibt auch keinem die Rumpfstabilität erspart. „Die Muskulatur ist das Einzige, was den passiven Bewegungsapparat beim Laufen stützt. Bänder, Sehnen, Menisken, Bandscheiben – das alles ist bei jedem Aufprall großen Kräften ausgesetzt. Mit einer starken Muskulatur fängst du das ab.“ Darum werden auch immer Bauch- und Rückenmuskulatur in seinen Workouts trainiert. „Da muss eine Balance herrschen. Ein Sixpack allein bringt nix“, sagt Karl. 

Für Einsteiger hat er Einheiten, die ganz ohne Geräte auskommen, im Programm, damit jeder sofort zu Hause loslegen kann. „Im Advanced-Bereich geht es dann mit wenig Equipment weiter.“ Mit einer Kettle Bell zum Beispiel, für Karl das universale Trainingsgerät schlechthin. „Weil man sie extrem vielseitig einsetzen kann und damit auch alle No-Equipment- Übungen verschärfen kann. Bringt wieder mehr Abwechslung, ist – verglichen mit anderen Geräten – günstig in der Anschaffung und man kann auch weniger falsch machen, als zum Beispiel mit einer Langhantel. Wie aber bleibt man dran? Wie schafft man es, sich neben seinem „Hauptsport“ wie Laufen oder Radfahren noch die Zeit zu nehmen um seinen Rumpf zu trainieren. „Kontinuität statt Intensität“, sagt Karl. „Eine halbe Stunde Zeit am Tag kann sich wirklich jeder nehmen. Alles andere ist eine Ausrede. Ein bissl früher aufstehen, ein bissl weniger fernsehen oder im Internet surfen und schon geht das.“ Was hilft: Wenn man nicht allein trainiert. „Meine Workouts kannst du dir immer und überall am Handy anschauen, ich trainiere sozusagen gemeinsam mit dir, sage dir, was du richtig machen musst, was du auf keinen Fall falsch machen darfst.“ Einstweilen gilt das für die Kraft-Ausdauer-Workouts, bald will er auch reine Krafttrainingseinheiten online stellen. Weil er die Basis hat und die Zusammenhänge versteht, entwickelt er auch immer wieder neue Übungen für verschiedene Muskelgruppen. „Das macht mir unglaublich Spaß.“

Da muss eine Balance herrschen. Ein Sixpack allein bringt nix. 

Benjamin Karl

Karl macht jetzt Klimmzüge. „Ideal für die Griffkraft, die du beispielsweise bei Bewerben wie dem Grazathlon brauchst, wo du dich über Hindernisse drüberziehen musst.“ Wer keine Klimmzüge schafft, hält sich nur an der Stange fest oder an einem Seil um nicht runterzufallen. Für den Hindernislauf in der steirischen Landeshauptstadt hat er sich auch schon ein besonderes Projekt überlegt. „Ich weiß nur noch nicht, wann wir das machen, noch trau ich mich da nicht ganz drüber“, sagt er. Dabei möchte Karl ein 12-Stunden-Workout machen und in diesem Rahmen viermal die Grazathlon-Strecke laufen – einen ganzen Marathon also. „Dazwischen mache ich Übungen und sitze einmal eine Stunde am Rad. Aber eben immer in Bewegung.“ Dabei stapelt er tief und sagt: „Ich bin kein Läufer.“ Beim Wings-for-Life-World-Run hat er einst aber trotzdem 36 Kilometer geschafft. Nur zur Einordnung: Dafür benötigt man einen Kilometerschnitt von 4:37 Minuten. 

Nach gut eineinhalb Stunden hat Benjamin Karl sein Training beendet. Auf dem Fahrrad geht es der Drau entlang retour in sein Haus. „Ich will“, sagt er und setzt sich zufrieden in ein Gartensofa, „ich will den Leuten ein Grundwissen vermitteln. Wie geht Abnehmen, wie ist das mit dem Zucker, was ist mit Eiweiß-Shakes und wie oft muss ich trainieren, damit ich einen Erfolg habe.“ Der Selbstversuch zeigt: Die Workouts sind selbst im Einsteiger-Bereich durchaus schon fordernd. Aber wie es Benjamin Karl selbst sagt: „Nur Herausforderungen machen uns ­stärker und machen uns stolz.“

So funktioniert das Workout mit Snowboard-Weltmeister Benjamin Karl.

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