Skitouren im Frühling, bis weit hinein in den Mai, krönen die winter­liche Bergsaison. Touren in hochalpine Lagen werden dann möglich. Die Sonne wärmt tagsüber kräftig. Die Lawinensituation ist meist besser einschätzbar. Und Abfahrten in lässigem Firn sind genial.

Oliver Pichler

"Was für Surfer die perfekte Welle ist für uns Skitourengeher der perfekte Firn“, schwärmt Rudi Eder. Für den Bergführeranwärter aus Zell am See-Kaprun zählt das Frühjahr zu den allerschönsten Zeiten am Berg. „Die Täler sind bereits grün, während man oben im Schnee auf sonnigen Firnhängen abfährt“, erzählt er. „Selten machen Skiabfahrten so viel Freude wie im Frühjahr, vorausgesetzt man ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, outet sich Stefan Astner, Skitourenexperte der Region Hohe Salve in Tirol, als Firnfan. Auch für Magdalena Karan, deren bevorzugtes Skitourenrevier der Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern ist, geht es in erster Linie darum, Spaß zu haben und die alpine Natur zu genießen. 

„Stabile Schneeverhältnisse und damit besser einschätzbare Gefahren durch Lawinen sind von März bis Mai die Regel“, nennt Bergführer und Ortovox-Mitarbeiter Wolfgang Rohrmoser Sicherheitsaspekte als weiteren Vorteil des Frühjahres. Und er zählt zusätzliche Pluspunkte auf: Newcomer unter den Skitourengehern kommen mit den oft pistenähnlichen Verhältnissen um die Zeit in der Regel besser zurecht als mit wechselhaften Schneesituationen im Hochwinter. Es besteht die Möglichkeit, steilere Touren als im Hochwinter oder spezielle Gipfelkombinationen zu machen. Während man von Dezember bis Februar oft schneebedingt nordseitige, schattseitige Touren sucht, ist es ab März ein Genuss, viele Stunden im Aufstieg und auf der Abfahrt in der Sonne unterwegs zu sein. Und auch um in höhere Lagen jenseits der 3000 Meter vorzudringen, ist das Frühjahr zu bevorzugen, weil Touren besser planbar und Gletscher sicherer begehbar sind.

Timing und Planung
„Für den perfekten Firn muss man zeitig dran sein. Ich bin lieber früher am Gipfel und warte oben ab, bis sich der Harsch zu Firn wandelt“, sind für Rudi Eder Zeit- und Tourenplanung entscheidend für den maximalen Spaßfaktor bei der Abfahrt. „Als Faustregel gilt, um 11 Uhr schon wieder im Tal zu sein“, bringt es Wolfgang Rohrmoser auf den Punkt. Das richtige Timing ist wichtig, um „kompakte Aufstiegsverhältnisse zu haben, aber auch um bei sehr homogenen Schneeverhältnissen im Firn vom Gipfel bis ins Tal abfahren zu können“, so der Bergführer. „Firn entsteht, wenn der über Nacht gefrorene Schnee bis in 10 oder 20 Zentimeter Tiefe durch Sonneneinstrahlung aufsulzt, also weich wird, aber in der Nacht wieder friert“, erklärt der Rauriser das Phänomen Firn. 

Firntouren: die Basics

  • März bis Mai ist die Zeit für ­Frühjahresskitouren
  • Firn: Die über Nacht durchgefrorene Schneedecke wird tagsüber weich und sulzt 10 bis 20 Zentimeter in die Tiefe auf, friert dann aber über Nacht wieder
  • Tourenplanung – Schnee- und Wetterverhältnisse, Lawinenlage, Wegstrecke, Zeitplan, Fitness und Können der Teilnehmer beachten
  • Start – früh bis sehr früh (Stirnlampe!)
  • am Gipfel – besser etwas zu früh als zu spät. Oben rasten & abwarten, bis die Abfahrtsverhältnisse ideal (aufgefirnt) sind
  • frühes Tourende – bis 11.00 Uhr wieder im Tal
  • Harscheisen – Pflicht! Sie sind vorausschauend im Flachen, nicht erst im Steilgelände anzulegen
  • Bekleidung – Teile etwa mit Merinowollanteil, die für ein breites Temperaturspektrum geeignet sind. Wechselkleidung mitnehmen
  • Sonnen-Schutzbrille & Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor
  • Skitourenhelm – für die Abfahrt
  • Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS) – unbedingt! Z. B. das neue Ortovox Diract Voice mit Sprachsteuerung. Dazu Lawinensonde und -schaufel aus robustem Aluminium
  • Lawinen-Airbag-Rucksack – optional zur Reduzierung des Restrisikos
  • je nach Tour: Steigeisen & Pickel, Klettergurt & Seil
  • Erste-Hilfe-Set, Biwaksack, vollständig geladenes Handy
  • Getränk & Essen
     

Die Kombination aus früh dran sein zu müssen und der Tatsache, dass die Schneedecke über Nacht durchfriert, wirkt sich auf den Aufstieg aus. „Der Schnee ist in der Früh sehr hart. Harscheisen sind deshalb obligatorisch“, betont Ortovox-Mann Rohrmoser. Zum Einsatz der Harscheisen kommen von den Profis Tipps: Man soll sie vorausschauend, rechtzeitig anlegen, um es nicht im Steilgelände machen zu müssen. Beim Aufsteigen mit den Harscheisen sollte man ohne oder nur mit kleiner Steighilfe unterwegs sein. Denn der Druck, den man auf den Ski bringt, wird geringer, je höher die Steighilfe ist. 

„Oft ergibt sich während der Tour das Problem, dass vorhandene Spuren sehr glasig sind und damit wenig Halt bieten“, erwähnt Rohrmoser eine weitere Herausforderung. „Besser ist es in solchen Fällen, aus der glasigen Spur herauszutreten und sich eine neue zu machen“, lautet sein Rat. „Bei der Spurwahl ist es meiner Erfahrung nach wichtig, es nicht zu steil anzugehen, um nicht der Steilheit wegen die Felle an ihr Limit zu bringen“, lautet eine weitere Empfehlung Rudi Eders. 
Das Timing spielt auch bezogen auf Lawinen eine zentrale Rolle. Während das Lawinenrisiko zwischen frühem Morgen und mittlerem Vormittag meist als gering einzustufen ist, steigt es im Lauf des Tages deutlich. „Je wärmer es wird, desto eher sind Lockerschnee- oder Nassschneelawinen möglich“, warnt Experte Rohrmoser. Selbst in bereits aperen Talregionen könne man sich im Einzugsbereich von Lawinen befinden, die in großen Höhen abgehen. „Auch beim Aufstieg zu einer Hütte, von der aus man am nächsten Tag eine Skitour machen möchte, ist in der zweiten Tageshälfte die Lawinengefahr mitzubedenken“, weist Eder auf ein unterschätztes Risiko hin.

Jedenfalls ist, so die Bergfexe, professionelle Planung unumgänglich, damit der Spaß maximal und das Risiko minimal ist. „Im Vorfeld ist eine gute Tourenplanung zu machen. Dabei zu berücksichtigen sind die Schnee- und Wetterverhältnisse, die Lawinenlage, die geplante Wegstrecke, der Zeitplan, aber auch, wer die Teilnehmer sind und wie gut sie konditionell wie abfahrtstechnisch drauf sind“, rät Wolfgang Rohrmoser. „Bei der Planung ist zu beachten, dass durch Schlechtwetter und Schneefall gerade in hochalpinen Bereichen auch im Frühjahr hochwinterliche Situationen entstehen können. Das wirkt sich dann auf die Schneesituation und auf die Gefahrenlage inklusive Lawinen aus“, nennt Rudi Eder ein weiteres Argument für gewissenhaftes Planen.

Wahl des Firntouren-Revieres
„Je höher, desto besser“ lautet, so die Profis, das Motto bei der Wahl von Frühjahrestouren, weil höher oben die Schneelage besser sei. Tiefere Lagen eignen sich, je weiter es ins Frühjahr geht, nicht mehr so gut. „Die Ausaperung schreitet voran. Und die Durchweichung der Schneedecke, etwa in  Waldbereichen, wo es oft auch in der Nacht gar nicht mehr friert, ist zu beachten“, erläutert Bergführer Rohrmoser.
 
Besonders einladende Firntourenmöglichkeiten bietet beispielsweise die Tiroler Region Hohe Salve. „Die Kelchsau, etwa mit Ausgangspunkt Neue Bamberger Hütte (1756 m) oder Gasthof Wegscheid (1144 m) bietet zig Möglichkeiten“, verrät Stefan Astner, der die Gegend kennt wie seine Westentasche. Touren auf den Schafsiedel (2447 m), den Tristkopf (2361 m) oder den Salzachgeier (2466 m) jeweils ab Neue Bamberger Hütte sowie auf den Steinbergstein (2215 m) ab Gasthof Wegscheid zählen zu seinen Favoriten.

Rund um Mallnitz in Kärnten, in der Region Nationalpark Hohe Tauern, befindet sich das bevorzugte Skitourenrevier von Magdalena Karan. Ihre Top-Firntouren führen auf die Geiselspitze (2974 m), das Säuleck (3086 m), die Romatenspitze (2696 m) oder „steil, aber geil“ zur Feldseescharte (2714 m). Wolfgang Rohrmoser bevorzugt im Skitouren-Frühjahr die Hohen Tauern. Neben seinem Rauriser Hausberg, dem Hohen Sonnblick (3106 m), zählen die Hochalmspitze (3360 m) und der Großglockner (3798 m) zu seinen Lieblingen. 

Wer sich ein ganzes Tal als Skitouren-Paradies wünscht, wird im Kärntner Lesachtal fündig. Dort kann man, auf Wunsch begleitet von Extrembergsteiger und Bergführer Helmut Ortner, zwischen Dutzenden Touren in den Karnischen und Gailtaler Alpen wählen. 
Spricht man Rudi Eder auf Zell am See-Kaprun als Ausgangspunkt für Firn-Skitouren an, kommt er ob der vielen Möglichkeiten wegen ins Schwärmen. Den Hochkönig (Taghaubenscharte 2159 m), Rauris (Kolmkarspitze 2529 m und Ritterkopf 3006 m), Fusch an der Glocknerstraße (Kloben 2938 m und Schwarzkopf 2765 m) und Neukirchen (Großvenediger 3666 m) nennt er als Highlights.