Niemand hat den Surfsport so geprägt wie Robby Naish. Im Interview verrät der 24-fache Weltmeister, wie man jahrzehntelang auf der Erfolgswelle surft. Und warum er auch in Zukunft nicht am Strand liegen wird.

Axel Rabenstein
Axel Rabenstein


Robby, kannst du dich an dein erstes Interview erinnern?
Ja, das kann ich! Aber nur, weil ich es irgendwo gesehen habe. Viele Erinnerungen aus meiner Kindheit sind präsent, weil sie aufgezeichnet wurden. Es sind also keine echten Erinnerungen, sondern Erlebnisse, die ich nachempfinden konnte. 

Und das erste Interview war?
Auf den Bahamas 1976. Ich war Weltmeister geworden und sagte so etwas wie: Ich bin Robby Naish, 13 Jahre alt und finde Windsurfen super. Das war’s dann auch schon, viel mehr hatte ich in dem Alter nicht mitzuteilen.

Das hat sich geändert. In der Dokumentation „The Longest Wave“ gibst du sehr persönliche Einblicke in dein Seelenleben. War das so geplant?
Nicht unbedingt, die Dreharbeiten fielen in eine schwere Zeit. Ich hatte eine Scheidung zu verarbeiten, brach mir das Becken und den Fuß, meine Firma geriet in Schieflage. Und weil wir auch noch Pech auf der Suche nach langen Wellen hatten, ist es ein anderer Film geworden.

Worum geht’s?
Ich denke, es ist ein Film über die Zeit. Darüber, wie die Uhr tickt. Wie wir älter werden und mit Veränderungen umgehen. 

Das Surfen wäre ohne dich wohl ein anderer Sport, du giltst nicht nur als Wegbereiter des Windsurfens, sondern auch des Kitens und Stand-up-Paddlings. Gab es eine Zeit, die dir am besten gefallen hat?
Die beste Zeit ist die, in der ich mich gerade befinde. Nur die Vielfalt hat es über die Jahre so aufregend gemacht. Wäre ich immer noch Robby Naish der Windsurfer, würden die Leute wohl sagen: Sieh mal, das ist der Typ, der in den 80ern hängengeblieben ist. Jetzt reist er um die Welt und fragt alle, ob sie sich an ihn erinnern. Wir haben immer wieder neue Spielarten des Surfens kreiert, und das ist wundervoll, denn so kann ich auch heute noch Menschen für den Wind und die Wellen begeistern.

Was ist der Schlüssel, so lange auf der Erfolgswelle zu surfen?
Glück!

Einfach nur Glück? War das nicht ­harte Arbeit?
Ich denke, dass man Glück erschaffen kann. Du kannst so leben, dass deine Chancen auf Glück eher gering sind. Du kannst aber auch so leben, dass du dir gute Möglichkeiten eröffnest, Glück zu haben. Millionen von Umständen und Gegebenheiten liegen allerdings außerhalb unserer Kontrolle. Ohne Glück wäre ich also nicht dort, wo ich heute bin.

Fühlst du dich privilegiert?
Absolut! Natürlich habe ich an mir gearbeitet und versucht, gute Entscheidungen zu treffen. Außerdem versuche ich, hinter mir so viele Türen wie möglich offen zu lassen. Du weißt nie, ob du zurückkommst und davon profitierst. Aber ich habe nicht das Recht, von harter Arbeit zu reden. Wenn jemand sieben Stunden bei McDonald’s am Grill steht und Burger brät – das ist harte Arbeit. Ich bin zweifellos überbezahlt, meine Arbeit erfährt übermäßige Wertschätzung. 

Was sagst du Sportlern, die das ­anders sehen?
Du wirst dafür bezahlt, schnell zu rennen? Du kriegst Kohle dafür, einen Ball zu kicken? Und dann kommst du in ein Restaurant und meinst, du hättest ein Recht auf den besten Platz? Solche Athleten sollten sich klarmachen: Sie sind einfach nur die glücklichsten Typen weit und breit.

Was ist dir wichtiger: Spaß oder ­Performance?
Beides! Weil ich keinen Spaß habe, wenn ich nicht performe. Auch wenn ich mit einem Longboard auf einer kleinen Welle stehe, will ich das möglichst gut machen. Es muss nicht extrem sein. Aber du solltest es mit Style tun. Mit Selbstbewusstsein. Das wird respektiert, und so macht der Sport am meisten Spaß.

Kannst du deine Beziehung zum Ozean beschreiben?
Der Ozean ist mein Spielplatz. Aber er ist nicht mein Zuhause. Ich mag keine Boote. Ich tauche nicht gerne. Und ich esse keinen Fisch. Ich liebe das Surfen, aber ich liebe es ebenso, am Ende meiner Session zurück an Land zu kommen.

Was ist so schön am Surfen, dass du es jeden Tag wieder tust?
Wind und Wellen verändern sich in jedem Augenblick, es herrschen niemals die gleichen Bedingungen. Außerdem fühlst du dich auf besondere Weise mit der Natur verbunden. Wenn in Jaws auf Maui eine Welle nach einer 4000 Kilometer langen Reise an Land trifft, hat sie eine wahnsinnige Energie. Beim Surfen denke ich darüber aber gar nicht nach. Es ist eine Welle und ich reite sie ab. Du spürst die Schwerkraft, die Power eines tiefen, intensiven Turns. Das ist es, was mich packt. Für mich ist Surfen ein Gefühl.

Fühlst du dich an Land und auf dem Wasser wie eine Person? Oder gibt es zwei Robbys?
Auf dem Wasser fühlt sich alles auf einfache Weise echt und richtig an. Während ich an Land noch immer versuche, herauszufinden, wer ich wirklich bin. Das Meer reinigt den Körper, den Geist und die Seele, hier konnte und kann ich alles abwaschen, was mich an Land aufwühlt. Und ich muss gestehen, dass ich mich an Land meistens unwohl fühle. 

Warum?
Als ich jung war, konnte ich mich gut fokussieren und Ablenkung vermeiden. Mit der Zeit sammelst du Dinge wie Verantwortung, Liebe, Besitz und das vereinnahmt dich. Ich versuche, alles so gut wie möglich zu machen, aber ich habe das Gefühl, mit zu vielen Bällen zu jonglieren. So muss ich die ganze Zeit aufpassen, keinen wichtigen Ball fallen zu lassen.

Wie wär’s mit weniger Bällen? 
Das habe ich mir auch schon gedacht. Aber je mehr ich daran arbeite, mein Leben zu vereinfachen, desto komplizierter scheint es zu werden.

Tust du manchmal nichts?
Ja, im Flugzeug. Wenn ich viel unterwegs bin, sitze ich bis zu einem Monat pro Jahr im Flieger. In dieser Zeit mache ich wirklich nichts. Vielleicht schaue ich mal einen Film. Aber ich arbeite nicht, ich lese nicht, ich beantworte keine E-Mails. Ich sitze einfach nur da und denke.

Was denkst du?
Ich versuche zu reflektieren, was ich tue. Das ist mir sehr wichtig. Viele Menschen sind so beschäftigt, dass sie kaum die Zeit finden, darüber nachzudenken, ob sie überhaupt noch das tun, was sie wirklich tun möchten. Die sozialen Medien haben zu einer erstaunlichen Oberflächlichkeit geführt. Gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Meiner 14-jährigen Tochter sage ich: Finde etwas, das du wirklich liebst. Und folge genau dieser Leidenschaft.

Ist es schwer, sein Leben lang eine ­Legende zu bleiben?
Ich habe schon daran geknabbert, dass ich mit den jungen Athleten nicht mehr mithalten kann. Und in den vergangenen Jahren lief so viel schief, dass ich zwischenzeitlich das Gefühl hatte, in einem Set großer Wellen gefangen zu sein, die mir eine nach der anderen auf den Kopf krachen. Aber ich habe nicht aufgehört zu paddeln. Und jetzt freue ich mich auf die nächste schöne Welle. 

Keine Lust, am Strand zu liegen und einfach mal zu faulenzen?
Auf keinen Fall. Aber ich werde entspannter unterwegs sein als früher. Nicht nur mein Ding durchziehen, sondern noch offener für all die schönen Dinge sein, die mich umgeben.

Ozeanriese: Surf-Legende Robby Naish im Interview
Robby Naish

Robert „Robby“ Staunton Naish wurde am 23. April 1963 in La Jolla (Kalifornien) geboren. Aufgewachsen ist er auf Oahu (Hawaii). 1976 wurde er mit 13 Jahren Weltmeister, insgesamt gewann er 21 WM-Titel im Windsurfen sowie drei weitere im Kitesurfen.

1999 gründete er mit Naishsails sein erstes Unternehmen, heute vertreiben seine Firmen Produkte für nahezu alle Arten des Surfens. Mit „The Longest Wave“ ist derzeit eine Dokumentation über sein Leben zu sehen.

Web: www.naish.com