Eva-Maria Sperger vom deutschen Salomon-Team gehört im  Ultratrailrunning zur Weltspitze. Von ihren Erfahrungen in der Sportart profitiert die als Psychotherapeutin tätige vielfältig: „Ultras sind ein Leben in Miniaturform.“

Christof Domenig
Christof Domenig

Mit 35 Jahren erst ist Eva-Maria Sperger 2015 ins Trailrunning eingestiegen und rasch mit Siegen bei extrem langen Läufen wie dem ­Ultratrail Lamer Winkel, dem Chiemgauer 100 oder dem Arberland Ultratrail aufgefallen. Mittlerweile gehört sie seit Jahren zu den Besten ihrer Zunft. 2023 holte sie mit dem deutschen Team Silber bei der WM in Innsbruck-­Stubai; 2022 wurde sie Zehnte beim bekanntesten und prestigeträchtigsten Lauf, dem ­Ultra-Trail du Mont Blanc (UTMB). Als ihren größten Erfolg bezeichnet sie den Sieg beim Großglockner ­Ultra-Trail 2019: Sie verbesserte den Streckenrekord um über eine Stunde und landete overall auf Platz drei, also „am Männerpodium“. „Ich hab von 18 bis 26 Thaiboxen betrieben“, erklärt die Münchnerin ihren sportlichen Back­ground, „dann wollte ich nicht mehr so viel drinnen sein und habe angefangen, alles Mögliche wild durcheinander auszuüben: Skitourengehen, Bergsteigen, Hochtouren, Rennradfahren. Da habe ich eine ganz gute Basis geschaffen, mit langem Unterwegssein und vielen, vielen Stunden am Berg.“

Den Ausschlag fürs Trailrunning gab, als sie eine Läuferin in einem Winterraum traf. „Mit Laufschuhen durch den Schnee – da war die Idee geboren, das auch zu versuchen.“ Was die Sportart für sie zu etwas Besonderem macht: „Die Kombination aus Berg, Natur, die Möglichkeit, auch schwierige Trails laufen zu können. Auch die Schnelligkeit der Bewegung: dass es sehr viel Spaß macht, Downhills zu laufen, dass so eine kindliche Freude mit reinkommt. Genauso aber, dass man das sehr selbstbestimmt machen kann, sich den Berg schnell erschließen kann und immer auch schnell von den Menschen weg ist. Man ist ja oft alleine unterwegs und kann auf diese Art und Weise einfach mehr vom Berg sehen.“
 

Lebensschule Ultratraillauf
Ein anderer Aspekt ist, dass Sperger als Psychologin und Psychotherapeutin, die zudem auch andere im Sport mental coacht, in der Arbeit genauso wie in sonstigen Bereichen des Lebens von ihren Erfahrungen im Sport profitiert. „Was mich begeistert, ist das Thema, sich selber Charakterstärke anzutrainieren“, erklärt sie. „Ich hab vor Kurzem diesen Satz von Reinhold Messner gehört, ihm wurde gesagt, dass er bekanntlich eine sehr willensstarke Person sei. Er hat dazu gesagt: Nein, er ist nicht willensstark, er trainiert Willensstärke.“ Über das Laufen ließe sich diese Eigenschaft beispielsweise sehr gut trainieren.

„Ultras sind ein Leben in Miniaturform“, sagt Eva-Maria Sperger auch – man lerne mit Krisen und Rückschlägen umzugehen, beharrlich zu bleiben, auch mit inneren und äußeren Stressfaktoren umzugehen. Ein sehr wichtiger Begriff ist für sie auch Selbstwirksamkeit: „sich selber als wirksam zu erleben, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen“. 

Ein Leben in  Miniaturform: Eva-Maria Sperger ist Psychotherapeutin und Weltklasseultraläuferin


Auf den Trails, insbesondere in Wettkämpfen, könne sie sozusagen auch im Selbstversuch ergründen, „welche Methoden wie gut wirksam sind. Wenn man sich in solche Extremsituationen reinbegibt, merkt man selber stark: Was von dem, was ich anderen näherbringe, nützt mir selber und was nützt mir nicht?“

Wie kann man beispielsweise umgehen mit den Punkten in Ultraläufen, wo man ans Aufhören denkt, am Scheitern ist? „Ich versuche, mich nicht in den Inhalten meiner Gedanken zu verstricken, sondern unabhängig davon in Beobachterposition zu bleiben. Das ist leicht gesagt aber sehr viel schwieriger, wenn man in einem Rennen stundenlang ein Bombardement schwieriger Gedanken hat, die sagen: Lass es sein! Warum machst du das, warum setzt du dich in deinem Urlaub dem aus?“ In dieser „Beobachterposition“ gelte es, beim Tun zu bleiben und einfach weiterzulaufen. Das Scheitern gehöre im Übrigen jedoch genauso dazu und sei als Erfahrung sehr wertvoll – „zu erfahren, unter welchen Bedingungen schaffe ich etwas nicht und wie kann mich das noch einen Schritt weiterbringen.“

In Verbindung mit sich selbst
Ultralaufen, auch das ist klar, ist natürlich nicht bloß ein ständiger Kampf gegen das Scheitern – es hat auch viele, viele schöne Seiten. Die vielen Hochgefühle im Training, aber auch in den Wettkämpfen sind ebenfalls ganz wesentliche Teile. Mal oben, mal unten – eben ganz wie im Leben. „Das Draußensein, die Verbindung mit der Natur, weg vom Handy, in Verbindung mit sich selbst sein: Das ist etwas Wunderschönes.“

Beim UTMB, dem Highlight des Jahren der Ultratrail­runner (der Lauf geht über 170 km und rund 10.000 hm), musste Eva-Maria Sperger bei ihren ersten beiden Anläufen aufgeben. Beim dritten Antreten 2022 wurde sie mit einem ihrer besten und schönsten Wettkämpfe für die Beharrlichkeit belohnt, erzählt sie, „da ging es mir von Anfang bis Ende einfach gut“. Nach 28:15 Stunden erreichte sie als zehntschnellste Frau das Ziel. 2024 steht der Lauf wieder auf ihrem Plan: „Ich hab Lust, zu schauen, ob das auch noch mal etwas schneller gehen könnte.“