Es muss nicht immer High-End sein – speziell für alle, die am liebsten täglich zum Spaß an der Freud’ laufen. In der Laufschuhklasse zwischen 120 und 160 Euro steckt viel Technik und Alltagstauglichkeit. Was man dort bekommt und wer dort fündig wird.
Wer läuferisch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat und gern frühmorgens seine Runden dreht, erkennt mit bloßem Auge: Der aktuelle Laufboom – oft als Laufboom 3.0 bezeichnet – ist keine Floskel. Er bringt vor allem viele junge Menschen auf die beliebten Laufstrecken in Stadt, Land und Bergen. Auch die Teilnehmerzahlen bei Events sprechen eine klare Sprache über die Beliebtheit der Sportart.
Die Gründe sind kein Geheimnis: keine Einstiegshürde, geringer Mitteleinsatz – großer Spaß, sobald etwas Grundkondition aufgebaut ist.
Bei einer Sache sollte man allerdings nicht sparen: dem passenden Schuhwerk. Genauer gesagt: ein Paar (oder besser mehrere zum Abwechseln), das zu den eigenen Bedürfnissen und den Füßen passt. Laufspaß und Gesundheit danken es.
Gleichzeitig muss es nicht immer ein Modell aus dem Premium-Regal sein. Die Top-Schuhe haben ihren Preis – UVPs von 180 oder gar über 200 Euro sind keine Seltenheit. Doch die großen Marken bieten auch Modelle zwischen 120 und 150, 160 Euro. Genau auf diese „Mittelklasse“ richten wir diesmal den Fokus. Was bekommt man in diesem Preissegment? Wo muss man Abstriche machen – oder sind günstigere Modelle für manche gar die bessere Wahl? Gerade zu Beginn einer Laufkarriere oder für Genussläufer, denen es nicht primär um Performance geht? Wir haben nachgefragt – und sind bei André Bradl von Brooks, Jennifer Hernandez von Asics und Tobias Bogner von Salomon auf offene Ohren gestoßen.
Technologien: wohldosiert statt vollgepackt
Eine gute Nachricht gleich: Viele Technologien aus dem High-End-Bereich finden auch den Weg in günstigere Modelle – wenn auch mit etwas Verzögerung. Tobias Bogner von Salomon erklärt: „Die Premium-Modelle kommen oft zuerst mit der neuesten Technologie, etwa dem neuen Schaum. Dann sieht man, ob es funktioniert – und bringt eine oder zwei Saisonen später eine angepasste Version für ein breiteres Zielpublikum.“
Gerade bei Mittelsohle und Stackhöhe hat sich in den letzten Jahren viel getan. Die große Bauhöhe ist auch ein Kostenfaktor: Schäume und Fertigungsverfahren haben ihren Preis. Im mittleren Preissegment setze man, so Bogner, auf dasselbe Dämpfungsversprechen – aber mit etwas geringerer Bauhöhe und einfacheren Verfahren. Am Beispiel der Straßen- und Gravelmodelle Aero Glide 3, einem modernen Max Cushion-Schuh, sowie dem moderateren Pendant Aero Blaze 3: „Der Schaum ist der Gleiche, aber der Blaze etwas weniger hoch und einsteigergerechter.“ Beim Obermaterial gilt: Während teurere Schuhe etwa kevlarverstärkte Hightech-Meshs nutzen, kommen hier funktionelle, aber simplere Varianten zum Einsatz.
Bei Brooks wird die technologische Staffelung deutlich. André Bradl: „Grundsätzlich gilt das Prinzip: Good – better – best. Je teurer die Schuhe, desto wertiger die verwendeten Materialien und desto stärker wird das Premium-Laufgefühl vermittelt.“ Am Beispiel Zwischensohle: „Unsere DNA-Dämpfung gibt es in unterschiedlichen Versionen – DNA Loft v2, mit Luft, bei Einstiegsmodellen. DNA Loft v3, stickstoffinjiziert, für die mittlere Preislage. Und DNA Tuned, zusätzlich mit unterschiedlicher Zellstruktur, für High-End-Modelle.“ Beim Obermaterial werde etwa je nach Segment ein-, zwei- oder dreilagiges Gestrick verwendet. „Unsere teuersten Schuhe bekommen unsere besten Technologien – sobald sich diese bewährt hat, wird sie weiterentwickelt. Das Update geht in die ‚Best‘-Kategorie, die ursprüngliche wird in ‚Better‘ bzw. ‚Good‘ verwendet“, so Bradl.
Asics-Expertin Jennifer Hernandez betont: „Topmodelle haben alle Technologien, die es für die jeweilige Zielgruppe gibt, sie sind auch besonders nachhaltig – und haben daher ihren Preis. Schuhe des mittleren Preissegments bieten etwas weniger – Komfort, Dämpfung –, aber sind dennoch gut gedämpft und bouncig.“ Beispiel: Im Modell Superblast (UVP € 220) kommen zwei Mittelsohlenschäume zum Einsatz – für maximalen Komfort und Dynamik. Im günstigeren Novablast (€ 150) ist es dagegen nur ein Schaum. Der Schuh zeigt sich ebenfalls reaktiv, aber weniger komplex. Hernandez selbst lief mit dem Novablast einen Marathon – erfolgreich und mit Spaß.
Was man spürt – und was nicht
Doch wie stark spüren Frau und Herr Freizeitläufer:in konkret, was im Schuh steckt? Jennifer Hernandez sagt: „Gerade bei der Passform merkt man Unterschiede deutlich. Manche spüren das schon beim Reinschlüpfen.“ Auch bei der Dämpfung und dem „Bounce“ sei ein Unterschied deutlich zu bemerken. Dennoch sei vieles auch subjektiv – manche empfänden ein Mittelklassemodell sogar als angenehmer als ein Topmodell: „Jeder Fuß ist eben anders.“
Auch André Bradl betont: „Aufgrund der verwendeten Materialien und Technologien gibt es natürlich fühlbare Unterschiede. Je höher die Preislage desto komfortabler das Obermaterial, desto geschmeidiger der Sitz am Fuß.“
In der Zielgruppenfrage sind sich alle drei einig: Diese Schuhe sind keineswegs nur für Einsteiger gemacht. Jennifer Hernandez sagt: „Ein Anfänger kann genauso gut einen High-End-Schuh wie den Nimbus oder einen günstigeren GT-2000 laufen. Es kommt nicht aufs Leistungsniveau an – sondern auf die Anforderungen: Stabilität oder Neutralität? Kurz- oder Langdistanz? Dynamik oder Komfort?“
Salomon arbeitet seit Kurzem mit einer klaren Modell-Architektur: Ein „Versprechen“ zieht sich durch alle Preisstufen einer Serie. Beim Ultra Glide etwa geht es um „Dynamic Cushioning“. Wer das Maximum will, greift wie die Profis zum S/LAB Ultra Glide (€ 250). Wer nicht gerade Francois d’Haene heißt, kommt mit dem regulären Ultra Glide (€ 150) ebenfalls bestens durch jeden Ultratrailrun. Eine Stufe darunter rangiert der Ultra Flow (€ 130), erklärt Bogner. Dieses dreistufige Modell gibt es bei weiteren Schuhen wie etwa dem Genesis, dessen Versprechen „Dynamic Support“ laute.
Gerade bei der Passform merkt man Unterschiede deutlich, oft schon beim Reinschlüpfen.
Preis-Leistung vs. maximale Performance
Klar ist: Wer ambitioniert trainiert, lange Strecken läuft oder gezielt auf Wettkämpfe hinarbeitet, profitiert vom Extra an Technologie – etwa durch mehrere Schäume, Carbonplatten oder besonders leichte Hightech-Obermaterialien. Wer hingegen zwei- bis dreimal pro Woche aus Freude läuft, kommt mit einem Mittelklassemodell bestens zurecht. Viele dieser Schuhe sind bewusst vielseitig konzipiert. „Wenn jemand ein Highlight-Rennen im Jahr hat, spricht nichts dagegen, dafür zum Premium-Modell zu greifen“, sagt Tobias Bogner. „Aber für Alltag und Training reicht oft das mittlere Modell vollkommen aus.“
Drei Marken, drei Empfehlungen
Was empfiehlt unser Expertenteam konkret als unkomplizierten, vielseitigen „Everyday“-Laufschuh? André Bradl nennt den beliebten Brooks Ghost 17 (€ 150) als starken Vertreter der Klasse mit viel Komfort und geschmeidigem Abrollverhalten. Einsteiger könnten aber auch zum Revel 8 (€ 100) greifen. Jennifer Hernandez empfiehlt je nach Bedarf den Asics Gel-Cumulus (neutral) oder den GT-2000 (stabil, beide € 160) – Letzterer erscheint im August mit neuer Mittelsohle. Ebenfalls eine feine Wahl: der Novablast (€ 150) – schnell, bouncig, aber nicht überfordernd. Salomon: Tobias Bogner nennt den Aero Blaze 3 Grvl (€ 140) als ideal für jeden Lauf – für Straße wie Schotter, mit angenehmer Dämpfung und hoher Alltagstauglichkeit.
Laufschuhe wie diese sind also keinesfalls ein Kompromiss – auch im mittleren Preissegment steckt ausgereifte Technik, durchdachtes Design und sehr viel Know-how drin. Gerade für alle, die regelmäßig, aber ohne Wettkampffokus laufen, bietet diese Klasse starke Alternativen. Und oft entscheidet die Fußform, welches Modell einem selbst am besten passt. Deshalb: Zeit nehmen, im Fachhandel beraten lassen – und den passenden Schuh finden. Man wird feststellen: Nicht jeder Höhenflug braucht eine Carbonplatte. Oft reicht ein treuer Partner auf Augenhöhe – für den nächsten Lauf zur Morgenstund’.