Jede Sportuhr hat heute optische Sensoren zur Pulsmessung am Hand­gelenk eingebaut. Brustgurte, um beim Sport die Herzfrequenz zu ermitteln, gibt es im Zubehör. Da fragt sich: Wie gut ist die Pulsmessung am Handgelenk schon – wer sollte sich noch einen Brustgurt dazukaufen?

Christof Domenig
Christof Domenig

Erfahrene Läufer wissen, dass es früher ganz normal war, einen Brustgurt anzulegen, um seine Herzfrequenz überwachen zu können. Heute haben Besitzer einer Sport- oder Fitness­uhr ihre Pulswerte 24 Stunden am Tag im Blick. Auch wenn es die Technologie noch gar nicht so lange gibt, hat man sich an die optischen, regelmäßig aufblinkenden Sensoren an der Uhrenrückseite, die den Pulsschlag am Handgelenk registrieren, schnell gewöhnt. Kein Zweifel: Die Pulsmessung am Handgelenk ist bequem und bietet über den Sport hinaus zusätzlichen Nutzen. Nicht jeder empfindet außerdem das Tragen eines Brustgurts als angenehm. 

Die Gurte gibt es aber auch noch. Denn von Anfang an waren auch Zweifel zu hören, wie zuverlässig die am Handgelenk ermittelten Werte sind. Bei Garmin wird die optische Messung seit rund sechs Jahren eingesetzt – man habe ursprünglich tatsächlich diskutiert, ob man die Technologie auf den Markt bringen sollte, erklärt Peter Weirether von Garmin Deutschland. Dann habe ein Mitbewerber eine Uhr mit den optischen Sensoren herausgebracht. „Es zeigte sich, dass Kunden eine gewisse Ungenauigkeit in Kauf nahmen und den Komfort schätzten.“ 

Bei Garmin ist die Technologie heute in der vierten Generation und deutlich weiterentwickelt, erklärt Weirether. Brustgurte zur Herzfrequenzmessung gibt es jedoch nach wie vor als Zubehör, der „Garmin HRM Run“ kostet etwa 99 Euro. Bei Polar, wo wir uns ebenfalls für diese Geschichte erkundigt haben, gibt es etwa den „HR10“-Brustgurt um 89,95. Viele Läufer (und natürlich auch andere Sportler) fragen sich: Soll ich noch in einen zusätzlichen Brustgurt investieren – oder finde ich mit der optischen Pulsmessung meiner Uhr das Auslangen? Zeit, sich den aktuellen Stand der Technik anzuschauen. 

Die Funktionsweise
Der über Jahrzehnte hinweg bewährte Brustgurt registriert die Herzschläge also direkt an der Brust und überträgt den Wert auf die Uhr oder eine Fitness-App. Die Werte sind wirklich genau, bestätigt auch eine Studie, auf die wir aber etwas später noch zurückkommen. Bei den optischen Sensoren werden, vereinfacht ausgedrückt, die Blutbahnen am Handgelenk durchleuchtet. Pumpt das Herz Blut durch die Arterien, wird der Pulsschlag registriert. Obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, sind „Herzfrequenz“ und „Puls“ streng genommen nicht das Gleiche und die Werte können unter Umständen minimal abweichen, aber das ist in diesem Fall unerheblich. Die technische Funktionsweise der optischen Sensoren zu kennen hilft aber zu verstehen, warum es in manchen Situationen und bei manchen Menschen zu Messungenauigkeiten kommt.

Im „Normalfall“ liefern heute die optischen Sensoren am Handgelenk auch sehr genaue Werte, versichern sowohl Peter Weirether von Garmin als auch Karen Siems von Polar. Was heißt jedoch Normalfall? Zum Beispiel, dass die Uhr gut und fest am Handgelenk sitzt und nicht rutscht. Ein abgewinkeltes Handgelenk oder angespannte Sehnen können das Messergebnis beeinflussen, aber auch eine dunkle Hautfarbe, Tätowierungen oder eine starke Körperbehaarung. 

Und da liegen eben auch die Grenzen der Technik. Konkret also: In Ruhe oder beim normalen Laufen liefern die optischen Sensoren bei den meisten Menschen genaue Werte. „Auch ambitionierte und sehr sportliche Läufer sind mit der Genauigkeit sehr zufrieden. Die Herausforderung liegt bei Trainingseinheiten wie einem Intervalltraining, bei der sehr schnelle Herzfrequenz-Veränderungen aufgezeichnet werden müssen. Hier kann der Brustgurt die Daten schneller erfassen“, sagt Peter Weirether. Auch wenn die Hand einen Bikelenker, einen Stock oder beim Krafttraining eine Hantel umschließt, können die Ergebnisse abweichen. „Es gibt auch Sportler, die sich mit einer eng sitzenden Uhr unwohl fühlen“, gibt Weirether zu bedenken.

Brustgurt oder Handgelenk: Wie gut ist die Pulsmessung am Handgelenk schon?

Wie stark ist die Abweichung?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten, vor allem weil die individuellen Voraussetzungen eben sehr unterschiedlich sein können. Im Fachmagazin „Runner’s World“ wurde Ende 2019 aber eine Studie der ­Cleveland Clinic (USA) wiedergegeben, die die Genauigkeit der optischen Sensoren unterschiedlicher Sportuhren im Vergleich zu einem Brustgurt sowie auch EKG-Gerät untersuchte. Die Versuchspersonen liefen auf einem Laufband, starteten mit 6,4 km/h und erhöhten das Tempo auf bis zu 14,5 km/h.

Der Brustgurt lieferte praktisch EKG-genaue Werte. Bei der Handgelenksmessung war die Abweichung im langsamen Tempobereich zwar noch unerheblich, wurde allerdings größer, je höher das Tempo wurde. Mit 1,5 bis 6 Schlägen je nach Uhrenmodell bei maximalem Lauftempo scheint die ermittelte Abweichung aber auch nicht wirklich groß zu sein. Die „Runner’s World“-­Experten gaben allerdings zu bedenken, dass es gerade bei einem Intervalltraining oder Wettkämpfen mit Belastungen an der anaeroben Schwelle für leistungsorientierte Läufer wichtig ist, wirklich exakte Werte angezeigt zu bekommen. Gerade in den Bereichen also, wo man die genauesten Werte benötigen würde, war auch die Abweichung am größten.

Zusatznutzen und eine Alternative
Abgesehen von der Messgenauigkeit weist Garmin-Experte Weirether auf den mehrfachen Zusatznutzen hin, den der Garmin-Brustgurt liefert. Durch Bewegungssensoren im Brustgurt lässt sich etwa die Lauftechnik mit Schrittlängen und Bodenkontaktzeiten deutlich exakter analysieren als mit einer Garmin-Uhr allein. Und in Sportarten, wo keine Uhr getragen werden darf, wie z.B. Mannschaftssportarten, kann man mit dem Brustgurt ebenfalls Trainings- und Wettkampfdaten aufzeichnen und im Nachhinein über die App analysieren.

Karen Siems von Polar wiederum verweist auf eine interessante junge Alternative – die optische Messung am Arm mit dem „Polar Verity Sense“-Armband: Das lässt sich je nach Bedarf am Ober- oder Unterarm anbringen, ohne die am Handgelenk typischen Nachteile. Mit dem Band kann man seine Trainingsdaten ebenfalls aufzeichnen, sie wahlweise auf eine Uhr übertragen, über die Polar-App am Smartphone verfolgen oder dort im Nachhinein auswerten.

Das Fazit
„Wir sehen eine klare Daseinsberechtigung von beiden Technologien“, resümiert Garmin-Experte Peter Weirether. Durch die Messung am Handgelenk ergibt sich vor allem auch die Möglichkeit, den Herzschlag nicht nur im Sport, sondern 24 Stunden am Tag zu messen und es lassen sich wertvolle, gesundheitsrelevante Rückschlüsse daraus ziehen – etwa den Stresslevel, den Fitnesszustand oder die Regenerationszeiten betreffend. In Ruhe und bei leichter Bewegung bis hin zum normalen Laufen sollte auch die Messgenauigkeit der optischen Sensoren gut passen, vorausgesetzt die Uhr sitzt fest. 

Läufer, die Wert auf hohe Messgenauigkeit vor ­allem auch bei hohem Tempo wie Intervalltrainings legen, sind mit dem Brustgurt besser dran. Ebenso Sportler in Sportarten mit angespanntem, ­abgewinkeltem Handgelenk. Oder auch alle, die ihre Uhr lieber locker am Handgelenk tragen. Dass der gute alte Brustgurt durch die neue Technologie ganz verdrängt wird, scheint nicht absehbar: Auch ihm dürfte noch ein längeres Leben bevorstehen.