Eine spektakuläre Graveltour auf einsamen Straßen westlich und östlich des Tagliamento steht im Mittelpunkt einer ersten langen Radtour 2024.

Alfred Brunner
Alfred Brunner

Die Tiefebene Friauls bietet ja meist 5 bis 10 Grad höhere Temperaturen als im Norden. Radsportler aus Oberitalien und Österreich finden hier schon am März perfekte Bedingungen vor.

Im Mittelpunkt steht oft der dominierende Fluss Tagliamento. Dieser ist einer der letzten großen Wildflüsse der Alpen. Von der Quelle am Mauriapass auf 1.195m Höhe geht es vorbei bei Tolmezzo, Gemona, San Daniele, Spilimbergo, Codroipo in Richtung Adria zwischen Bibione und Lignano. Die Länge beträgt 170 km, das Einzugsgebiet umfasst gewaltige 2.900 Quadratkilometer, weil das Flussbett teilweise über einen Kilometer breit ist. In trockenen Zeiten scheinbar überdimensioniert, braucht es in Schlechtwetterperioden die gesamte Breite für Wasser, mitreisendes Holz und vieles mehr. Bei jedem Hochwasser ändert sich das Flussbett, die Inseln, die Tümpel und die freien Schotterflächen. Fauna und Flora des Tagliamento faszinieren.

Ich bin diesmal mit dem Gravelbike westlich und östlich dieses Traumflusses unterwegs, wissend, dass es die eine oder andere Stelle mit Schotterstraßen geben wird, andererseits auch jederzeit bereit, ein kleines ungeplantes Abenteuer zu erleben, Gravelbiken eben. Start meiner Runde ist in Osoppo, dem Nachbarort von Gemona. Bevor es los geht, gibt es in einer belebten Bar einen herrlichen Espresso als Energieschub. Die ersten Kilometer verlaufen flach Richtung Südosten, dann rechts abzweigend zum Tagliamento, der hier so breit ist, dass es über zwei Brücken und über eine große Flussinsel geht. Motivierend sind die angenehmen Temperaturen von 18 Grad und die zahlreichen anderen Ciclisti, die lächelnd unterwegs sind. Man grüßt sich: Ciao, Salve oder mit dem herzlichen friulanischen „Mandi“.

Von Cornino auf 200 Meter Meereshöhe geht es steil nach Forgaria und nach San Rocco. Von dort malerisch und völlig ohne Verkehr auf die Hochebene „Monte Prat“ auf rund 900 Meter. Herrliches Hinterland, perfekt für Naturliebhaber, die Ruhe suchen, perfekt aber auch für Radfahrer, egal ob Rennrad, Gravel oder Mountainbike. Runter geht es auf einer neu asphaltierten Strasse nach Avasinis. Weiter nach Trasaghis über eine beeindruckende Tagliamento-Brücke nach Gemona. Hier wartet ein weiterer Espresso sowie kleine friulanische Köstlichkeiten. 

Von Gemona geht es Richtung Monte Cuarnan (1.372m), einen bekannten und mächtigen Aussichtsberg, der auch für viele Paraglider den Startpunkt definiert. Ich bin das erste Mal hier und bin gespannt auf die Länge, die Steigung und auf die Bodenbeschaffenheit. Der Gegensatz fasziniert: unten die schier unendliche Tiefebene und oben die steil aufragenden Berge! Es rollt diesmal gut dahin, das Wintertraining mit zahlreichen Ergometer-Einheiten zahlte sich aus. Oben auf der Alm gibt es für einige die erste Almparty, für mich nicht; es geht weiter in Richtung Monte Cuarnan. Bis zur Alm ist die schmale Straße asphaltiert, ab der Alm folgt eine kompakte Schotterstraße – wie fürs Gravelbike geschaffen. Nach rund 2 Kilometern endet die Straße, noch deutlich unter dem Gipfel. Die Aussicht ist spektakulär, im Norden die Julischen Alpen, im Süden die Tiefebene der Adria, im Westen die Karnischen Alpen und überall der Duft des Südens und des italienischen Lebensgefühls, etc. Zurück geht es nach Gemona und dann ausrollend nach Osoppo. Wow, was für eine Auftakttour! Zwei einsame Berge und zwei herrliche Almen sind meinem Herzensprojekt „Friuli“ hinzugefügt; konkret waren es 83 Kilometer und exakt 2.000 Höhenmeter. Abschließend noch ein Kulinarik-Tipp für eine köstliche Regeneration: Das Ristorante „Da Michele“ in Venzone kann scheinbar alles: von Pasta, Fleisch bis zum feinsten Fisch. Und das abschließende Tiramisu ist eines der besten, das ich je genießen durfte.