Vorfälle mit Herzstillständen im Breiten- wie im Hochleistungssport lassen nachdenken. Was man als Freizeitsportler zur Herzgesundheit beachten sollte, haben wir beim Sportkardiologen Manfred Wonisch erfragt. Nicht nur Ausdauer-, auch Kraft­training stärkt das Herz.

Christof Domenig
Christof Domenig


Allein wenn man sich die Zahlen vor Augen führt: Im Schnitt schlägt ein menschliches Herz 100.000 Mal am Tag, 36,5 Millionen Mal in einem Jahr und nimmt man eine Lebenserwartung von 80 Jahren an, insgesamt 2,85 Milliarden Mal in einem Leben. Im Ruhezustand von durschschnittlich Trainierten schlägt es 60 Mal in der Minute, aber bei Bedarf auch mit der dreifachen Frequenz. 

Der Anlass dieser Ratgebergeschichte ist nun auch eine Weile her: trotzdem könnte der (gut ausgegangene) Herzstillstand eines austrainierten und gut untersuchten Fußballprofis bei der „Euro“ auch manche Hobbysportler zum Nachdenken gebracht haben. Schließlich hat man auch die Empfehlung im Hinterkopf, sich als Sportler, zumindest aber als Sporteinsteiger oder -wiedereinsteiger ab 35 Jahren internistisch checken zu lassen und sich vom Arzt grünes Licht für die sportliche Belastung zu holen. Aber macht das auch jeder? In der Praxis wohl eher nur eine Minderheit. Und dann war auch noch der tragische Todesfall eines 40-jährigen Halbmarathon-Teilnehmers beim Vienna City Marathon Mitte September, der dieser (schon vorher fertiggestellten) Geschichte noch weitere Aktualität verliehen hat – und auch manche Aussage, die wir vom Sportkardiologen Manfred Wonisch zuvor schon eingeholt haben, unterstreicht.

Jetzt im Herbst ist jedenfalls auch die Saisonphase, um eine Bestandsaufnahme zu machen und seinen sportlichen Neustart zu planen. Gerade die aktuellen Anlassfälle könnten dazu animieren, um seinen Tag und Nacht aktiven inneren „Hochleistungsmotor“ Herz einem Funktionscheck zu unterziehen. 

Den Ist-Stand feststellen
Die erwähnte Empfehlung, sich speziell ab 35 Jahren internistisch untersuchen zu lassen, hat einen klaren Hintergrund, erklärt der Sportkardiologe Manfred Wonisch: „Man unterscheidet statistisch zwischen ‚älteren‘ und ‚jüngeren‘ Athleten mit der Grenze bei 35 Jahren. Bei Jüngeren sind es hauptsächlich angeborene Herzmuskelerkrankungen, Herzmuskelverdickungen, teilweise Herzmuskelentzündungen oder auch angeborene Herzkanalerkrankungen, die zu schwerwiegenden Problemen führen. In Untersuchungen sind diese allerdings schwer zu finden.“ Mit Mitte 30 ändert sich das: „Hier sind es dann meistens doch gut erkennbare Ursachen wie Durchblutungsstörungen am Herzen oder coronare Herzerkrankungen. Ab 35 überwiegen diese – je älter, desto stärker.“ Heißt also: Gerade die Über-35-Jährigen haben gute Chancen, dass Probleme mit dem Herzen auch frühzeitig erkannt werden können und man gezielt gegensteuern kann.

Allgemeine Vorsorgeuntersuchungen sowie spezielle sportmedizinische Untersuchungen machen daher nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Freizeit­sport unbedingt Sinn. Dass diese wirken, ist eindeutig nachgewiesen, sagt Wonisch. Konkret sind Studien in der italienischen Region Veneto zu nennen. Dort muss jeder Teilnehmende an einem Sportevent, egal ob Leistungs- oder Breitensportler, per sportmedizinischem Attest nachweisen, dass man gesund am Start steht. „Durch dieses Gesetz, das es seit den 1980er-­Jahren gibt, lässt sich sogar nachweisen, dass der plötzliche Herztod bei Sportlern seither stark gesunken ist. Und nun auch deutlich unter der Allgemeinbevölkerung liegt“, weiß Wonisch. Nachsatz: Auch bei uns wäre es wünschenswert, Teilnehmer von Läufen, Radmarathons und Co. nur mit routinemäßigem Attest starten zu lassen, findet der Sportkardiologe. Das Beispiel Italien zeigt, dass es funktioniert und von den Sportlern auch akzeptiert wird.

Freizeitsportler gibt es freilich völlig unterschiedliche: Zwischen reinem Gesundheitssportler und einem ambitionierten Hobby-Leistungssportler, der zum Beispiel Marathon läuft und Radmarathons mit 200 Kilometern und Tausenden Höhenmetern bestreitet, liegt eine riesige Bandbreite. Wonisch stellt jedoch klar: „Grundsätzlich ist es für jeden sinnvoll, zumindest eine normale Vorsorgeuntersuchung zu machen, bei der einmal das persönliche Risikoprofil gecheckt wird. Das muss zunächst gar nicht bei einem Sportmediziner sein.“ 

Spezifisch sportmedizinische Checks machen allerdings in der Folge dann ebenfalls für die meisten, die regelmäßig Sport betreiben, Sinn. Wie schon erwähnt, zunächst bei jedem Neueinsteiger und Wiedereinsteiger über 35. „Aber auch bei ambitionierteren Sportlern, die intensiveres Training machen.“ Und als „ambitioniert“ gilt hier schon, wer über das von der WHO empfohlene Mindestmaß an gesundheitsrelevantem Sport kommt: Das sind 75 Minuten intensiver oder 150 Minuten moderater Sport pro Woche!

Gibt es beim Sport oder im Alltag Warnsignale, die auf ein bislang nicht bekanntes Problem mit dem Herzen schließen lassen? „Wenn ein Engegefühl oder ein Druckschmerz auftritt, der durch Belastung etwa beim Sport oder auch beim Stiegensteigen ausgelöst wird. Atemnot, Herzstolpern, -rumpeln oder -rasen. Oder auch Schwindelgefühle.“ Das alles können wichtige Hinweise sein (aber auch andere Ursachen als das Herz haben). In jedem Fall ist auch dann eine kardiologische Abklärung dringend anzuraten.

Bestehen keine der genannten Symptome, dann umfasst eine Basisuntersuchung eine Anamnese mit Abklären der Risikofaktoren, eine Blutdruckmessung und ein EKG. Darüber hinaus können ein Belastungs-EKG oder ein 24-Stunden-EKG sowie ein Herz- ultraschall sinnvoll sein, erklärt Wonisch. Bei begründetem Verdacht sind alle genannten Untersuchungen Kassenleistungen.

Training fürs Herz
Auf der anderen Seite gehört regelmäßiger Sport bekanntlich zu den besten Mitteln, um die Herzgesundheit zu verbessern oder zu erhalten. Denn sogar, wenn Vorschädigungen festgestellt werden oder wenn man in eine Risikogruppe fällt, kann und soll das Herz, in Absprache mit dem Arzt, durchs passende Training gestärkt werden.

Die positiven Effekte von Sport auf die Herzgesundheit sind jedenfalls vielfältig und erstaunlich, „man könnte stundenlang davon erzählen“, sagt Wonisch. Wir wollen hier nur die wichtigsten nennen: „Erstens wirkt Sport auf die Risikofaktoren: Der Blutdruck wird reguliert – nach unten wie nach oben in die passende Mitte. Diese Akutwirkung hält 24 bis 48 Stunden an.“ Thema Cholesterin: „Man erkennt Sportler schon bei der Laboruntersuchung an den Werten“, sagt Wonisch. Das Körpergewicht wird positiv beeinflusst, ebenfalls der Zuckerstoffwechsel, weshalb Sport auch bei Diabetes ein probates Mittel ist. „Es gibt zugleich auch direkte Trainingswirkungen am Herzen: Weniger Arteriosklerose, die Kapellarisierung ist besser, das heißt, die kleinsten Haargefäße im Herz, die den Herzmuskel mit Blut versorgen, sind besser ausgebildet. Sport wirkt aber auch auf die Muskulatur: Die Mitochondrien, also die Kraftwerke der Zellen werden vermehrt und die Muskelfasern besser durchblutet.“

Empfehlungen fürs Herz

  • Jährliche Vorsorgeuntersuchungen beim Hausarzt, um das persönliche Risikoprofil zu kennen
  • Sporteinsteiger und -wiedereinsteiger ab 35 Jahren sollten sich zusätzlich internistisch untersuchen lassen, mit EKG und bei Bedarf Belastungs-EKG und/oder Herz­ultraschall
  • Auf Warnsignale achten: Engegefühle, Druckschmerzen, Herzstolpern, Herzrasen, Schwindelgefühle – bei sportlicher oder Alltagsbelastung wie Stiegensteigen
  • Eine Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung ermöglicht, die individuellen Trainingsbereiche zu kennen und damit gezielt und effizient zu trainieren 
  • Eine Kombination aus gezieltem Ausdauer- und Krafttraining ist optimal für die Herzgesundheit

Wie konkret trainiert wird, ob im moderaten Grundlagenbereich oder in Form eines Intervalltrainings, ist für die Herzgesundheit zunächst sekundär (für eine Leistungsentwicklung empfiehlt sich dagegen, gezielt und mit wechselnden Belastungsbereichen zu trainieren). Lediglich sehr hohe Belastungen über der anaeroben Schwelle sind im Sinne der Herzgesundheit zu vermeiden. Wo sich diese Schwelle individuell befindet, lässt sich bei einer Leistungsdiagnostik feststellen. „Wenn man gesund ist, verträgt man grundsätzlich auch Höchstbelastungen“, hält Wonisch fest – bestünden aber Vorschädigungen, könne das ab der anaeroben Schwelle deutlich verstärkt ausgeschüttete Adrenalin und Noradrenalin tatsächlich zu Problemen führen. „Vor allem aber bringt so eine hohe Trainingsbelastung über der anaeroben Schwelle keinen Nutzen – ausgenommen vielleicht im Spitzensport“, klärt Wonisch auf.

Was nicht jeder weiß: Es ist nicht nur das Ausdauertraining, das sich auf die Herzgesundheit auswirkt. Auch Krafttraining ist ein sehr gutes „Herztraining“! Wenn es auch nicht diese kurzfristige positive Auswirkung hat – aber langfristig und vor allem mit zunehmendem Alter ist ein regelmäßiges Krafttraining von enormem Wert. Früher glaubte man, dass der Blutdruckanstieg während eines Krafttrainings bei Vorerkrankungen wie etwa einem schon hohen Blutdruck, zu Problemen führen kann. Doch das ist widerlegt, sagt Wonisch. „Es gibt gute Untersuchungen aus der Rehabilitation, die zeigen, dass der Blutdruckanstieg im Krafttraining nicht höher ist als bei einer Ausdauerbelastung. Am Rad sitzt man aber wesentlich länger, als man Klimmzüge macht“, gibt der Mediziner zu bedenken. Entscheidend fürs Herz aber ist nicht die Trainingsbelastung, sondern die Alltagsbelastung. Auch jeder Krafteinsatz im Alltag (wie das Heben von Lasten) fällt somit leichter, je besser man dafür trainiert ist – für die Herzgesundheit im fortgeschrittenen Alter ein entscheidender Punkt.  

Manfred Wonisch
DDr. Manfred Wonisch

ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin in Graz.

Web: www.derkardiologe.at