Allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz: Wird jemand von einer Lawine verschüttet, ist von allen anderen Gruppenmitgliedern rasches, entschlossenes Handeln gefragt!


Einmal mehr sei betont: Das Verhalten für Notfälle soll man unbedingt in Kursen lernen und immer wieder trainieren. Alpine Vereine wie die Naturfreunde oder Bergsteigerschulen bieten die entsprechenden Ausbildungen an. Um hier aber einen Eindruck zu vermitteln, wie komplex das Notfallverhalten nach einem Lawinenabgang ist (was ja die Notwendigkeit eines Kursbesuchs nur unterstreicht!), wollen wir mit Naturfreunde-Experte Martin Edlinger die 15 Minuten nach einem Lawinenabgang aufrollen. Denn grundsätzlich gilt: Wird ein Lawinenopfer binnen 15 Minuten befreit, besteht eine 90-prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit; danach sinkt die Überlebenschance rapide!

DER LAWINENABGANG
Gruppenmitglieder, die während der Lawine in einer sicheren Position sind, verhalten sich so: „Für sie gilt, die Sturzbahn von Menschen, die in die Lawine geraten, zu verfolgen und sich den ‚Verschwindepunkt' zu merken. Ist die Lawine zum Stillstand gekommen, übernimmt einer der Retter sofort die Einsatzleitung, damit kein Chaos entsteht."

ERST NOTRUF ODER SUCHE?
Wann der Notruf abgesetzt wird, ist situationsabhängig. „Zwei Minuten Telefonieren können über Leben oder Tod entscheiden!" Deswegen gilt: Sofort wird alarmiert, wenn ...

  • ... mehrere Personen für die Rettung zur Verfügung stehen. Dabei wird parallel alarmiert und schon mit der LVS-Suche gestartet;
  • ... professionelle Hilfe sehr schnell zu erwarten ist – z. B. wenn ein Skigebiet in der Nähe ist;
  • ... falls keine Notfallausrüstung vorhanden ist.

Ist man als Helfer allein oder ist rasches Eintreffen von Profihilfe unrealistisch, dann gilt: Suchen, Opfer ausgraben, Erste-Hilfe-Maßnahmen setzen – dann erst alarmieren!

SO LÄUFT DIE RETTUNG AB

Suche mit dem LVS-Gerät: Der routinierte Umgang mit dem LVS ist der größte Faktor, um Zeit einzusparen. Der zweitgrößte: ein modernes 3-Antennen-Gerät! Das ist der Ablauf:

  • Alle Geräte auf Empfang stellen – ist auch nur ein Gerät fälschlich auf Senden, entsteht Mega-Verwirrung!
  • Die „Signalsuche": Man rastert den Suchbereich vom ‚Verschwindepunkt' aus systematisch nach einem Erstempfang ab. Parallel dazu wird nach aus der Lawine herausragenden Gegenständen Ausschau gehalten.
  • Die „Grobsuche": Ist ein Empfangssignal da, gilt es (ein modernes LVS-Gerät vorausgesetzt), der angezeigten Pfeilrichtung zu folgen. Gleichzeitig erscheint die Distanz auf dem Display.
  • Die „Feinsuche": Im Distanzbereich von 8 bis 5 Metern verringert man die Geschwindigkeit und führt sein LVS-Gerät nah an die Schneeoberfläche. Ab ca. 2 Metern Distanz wird meist keine Pfeilrichtung mehr angezeigt – man geht nun in der eingeschlagenen Richtung weiter, bis die angezeigte Distanz wieder steigt. Ab dem kleinsten Wert wird systematisch ‚ausgekreuzt' (die Feinsuche also im 90-Grad-Winkel wiederholt), um die geringste Entfernung zum Verschütteten zu finden.

Mit der Sonde: Dieser Schritt, „Punktsuche" genannt, wird laut unserem Experten oft unterschätzt, „weil man ja schon ‚am Punkt' ist. Doch der Verschüttete muss mit der Sonde lokalisiert werden, um genau zu wissen, wo und wie man graben muss. Wichtig: Im 90-Grad-Winkel sondieren, und zwar spiralförmig von dem Punkt vorgehen, den man mit dem LVS-Gerät ermittelt hat. Die Sonde nach ‚Sucherfolg' stecken lassen."

Das Ausgraben: Es gilt, schnellstmöglich den Kopf freizuschaufeln, um die Atmung zu ermöglichen. „Nicht entlang der Sonde einfach hinunterschaufeln – so ein ‚Schacht' fällt leicht wieder zu. Es gilt, sich talwärts versetzt großflächig zur Sondenspitze vorzuarbeiten. Sind mehrere Retter vorhanden, wird ein ‚Schneeförderband' gebildet."

Skitour Video Blog – Folge 6: Lawinenverschütteten-Suche

Erste-Hilfe-Maßnahmen:

  • Atemwege frei machen, Bewusstsein und Atmung im Blick behalten, widrigenfalls beatmen/Herzmassage.
  • Vor weiterem Auskühlen schützen (mit Biwacksack, Aludecke, Bekleidung, windgeschützt lagern).
  • Sich für die Retter bemerkbar machen, Hubschrauber einweisen.


Den Rettungsablauf nach einer Lawine haben die Naturfreunde für die Saison 2015/16 auf einer Notfallkarte zusammengefasst, die im Unglücksfall wertvolle Hilfestellung leisten kann. Info bzw. Karte anfordern: www.naturfreunde.at

Martin Edlinger
Martin Edlinger

ist staatl. gepr. Berg- und Skiführer und leitet die Abteilung Bergsport bei den Naturfreunden Österreich

E-Mail: martin.edlinger@naturfreunde.at
WEB: www.naturfreunde.at