Anzug, Krawatte, korrekter Auftritt. So hat es Armin Kaltenegger ins Herz der bunten Mountainbike-Szene geschafft. Der Jurist räumt erfolgreich mit Mythen beim Wegerecht auf, steht aber nicht immer auf der Seite der Biker.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

„Uuuuurlangweilig.“ Mit diesem Kommentar beginnt Armin Kaltenegger ab und zu seine Vorträge zum Thema Recht, erntet Lacher und hat sofort die Zuhörer auf seiner Seite. Der Jurist ist beim Kuratorium für Verkehrssicherheit in Wien der Bereichsleiter für Recht und Normen und versteht es, schwer verdauliche Jurisdiktion, Paragrafen und Gesetze mit gewitzter Sprache in verständliche Worte zu gießen.

Der private Dr. Kaltenegger war schon mit dem Rad im Gelände unterwegs, als das Mountainbike in Europa noch gänzlich unbekannt war, Anfang der 80er-Jahre. „Wir haben Rennräder und Querfeldeinräder selber umgebaut. Es hat mir immer schon getaugt, von der Straße in die Natur zu kommen.“ Mittlerweile hat er – auch am geliebten Rennrad – so viele Kilometer abgespult, „dass sich die große Runde um den Äquator zweimal ausgeht“. 

Der berufliche Dr. Kaltenegger ist u. a. für die Bereiche Straßenverkehr, Haushalt, Freizeit, Sport und Naturkatastrophen zuständig, bei vielen Veranstaltungen anzutreffen und in vielen Publikationen zu finden. „Durch meinen ganz persönlichen Zugang zur Materie war ich vor 20 Jahren einer der ersten Juristen, der zum Thema Mountainbike Fachartikel verfasst hat.“ Zwiegespalten ist er nicht, weil er als Jurist und Mountainbiker auftritt. „Ich bin neutral und stehe immer auf der Seite des Gesetzes. Und wenn ich manchmal, wie so viele, auf Wegen unterwegs bin, auf denen man nicht fahren dürfte, bin ich mir bewusst, dass ich einen Konfliktfall verursachen könnte.“ Mit Konsens, Verständnis „und im schlimmsten Fall Umdrehen“ habe er bislang alle Streitigkeiten vermeiden können. „Ich bin Jurist und Biker und fühle mich dabei extrem wohl.“
  

Definition Wegerecht: Wegerecht ist das Recht, einen Weg zu nutzen, der über ein fremdes Grundstück führt.
  

„Goldgräberstimmung“
Zur wieder aufflammenden Diskussion um Fahrverbote, Konflikte und das Wegerecht auf fremden Grundstücken hat Kaltenegger eine klare Meinung. „Über all die Jahre ist das zu einem immer größeren Thema geworden, zuletzt durch die Diskussion um die Forststraßen und den E-Bike-Boom. Es gibt positive und negative Aspekte, aber ich orte fast so etwas wie eine Goldgräberstimmung.“ Da es auch eine „Zeit der Chancen“ ist, hält es Kaltenegger für essenziel, mit offenen Karten zu spielen und mit korrekter Auslegung der Gesetze zu argumentieren. Das Konfliktpotenzial zwischen Mountainbikern und Grundeigentümern bzw. deren Organen ist ohnehin hoch und wird dadurch noch aufgeblasen, dass beide Seiten mit Mythen und Halbwahrheiten argumentieren. „Ich habe einen ganz großen Mangel an nicht tendenziöser Information erkannt. Die Lage ist zugegebenermaßen komplex und das ist ein guter Nährboden für absichtliche oder unabsichtliche Fehlinformationen. Sowohl bei den Bikern als auch bei den Grundbesitzern.“ Sachlich und objektiv ergreife er deshalb nie die Partei für eine Sache, auch nicht für die Biker, betont Kaltenegger, „immer nur für das Gesetz, das regelt alles ziemlich klar“.

Erschwerend komme allerdings hinzu, dass die öffentliche Diskussion viel über Medien (klassische und soziale) geführt wird und da seien die negativen Schlagzeilen immer die besten. „Doch die spiegeln überhaupt nicht die Praxis wider und sind nicht einmal im Promillebereich zu finden. Ich würde mir die Schlagzeile wünschen: ,Am Wochenende sind in Österreich 300.000 Biker ohne Konflikte unterwegs gewesen.‘ Wird es so eine Schlagzeile jemals geben?“

Auch heuer im Sommer werden die Öffnung der Forststraßen und die Freigabe der Wanderwege für Mountainbiker wieder heiß diskutiert werden, es wird wieder den einen oder anderen Konfliktfall geben und damit wieder reißerische Schlagzeilen. Jurist Kaltenegger hält die Änderung eines Bundesgesetzes in absehbarer Zeit nicht für realistisch, „außerdem sind Gesetze nie für oder gegen eine Sache.“ Umso wichtiger sei deshalb, alle Interessenvertreter und die Multiplikatoren beider Seiten mit der richtigen Information zur aktuellen Situation zu versorgen, was aber schwierig ist, weil sie sehr fragmentarisch organisiert sind. Und ansonsten gelten Kalteneggers Empfehlungen namens Konsens, Sachlichkeit und Vernunft. „Ich weiß noch nicht, wie wir Verbesserungen erreichen können. Ich weiß nur, wie wir sie nicht erreichen können: mit Missbrauch der Gesetze und mit zu viel Emotionen.“

Wichtige Punkte

  • Gesetzliches Fahrverbot = Fahrverbot.
    Dort darf man schlichtweg nicht Fahrrad fahren. Nicht missbräuchlich verwenden sollte man die rechtlich zulässige Aussage „Wer ein Rad schiebt, ist kein Radfahrer.“ Im Fahrverbot im Wald ein Rad zu schieben, löst selten einen Konflikt, wenn er schon entflammt ist. Besser: Konsens suchen, umdrehen.
  • Bei illegaler Nutzung
    eines Weges (z. B. bei Fahrverbot) gibt es im Falle eines Sturzes oder Unfalles keine Haftung für den Wegehalter oder Besitzer. Er muss keine rechtlichen Konsequenzen fürchten, der Biker ist selber schuld.  
  • Bei der erlaubten Benutzung
    eines Weges (z. B. MTB-Strecke, Bikepark) haftet der Eigentümer oder Wegehalter nicht für alles. Kalteneggers Erklärung: „Wer Wege schafft, schafft Möglichkeiten und wird quasi mit weniger Haftung belohnt und haftet deshalb nur für grobe Fahrlässigkeit. Versicherungen bieten hierfür eigene Modelle (z.B. Tiroler Mountainbike-Modell).
  • Zur groben Fahrlässigkeit:
    Das umfasst alle Dinge, die man unterlässt, jeder andere aber machen würde. Ob es zulässig ist, dass z. B. die morsche Brücke oder die Unwetterschäden nicht saniert sind, regelt die sogenannte Zumutbarkeit. Grenzen dieser Zumutbarkeit (z.B. sehr großes Gebiet, wenig Personal etc.) werden anerkannt. Grobe Fahrlässigkeit wird sehr selten festgestellt.
  • Oberhalb der Baumgrenze („Ödland“)
    ist das Mountainbiken nicht ausdrücklich verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt. Überdies regelt jedes Bundesland diese Materie selbst. Als Faustformel kann gesagt werden, dass man auf der sicheren Seite ist, solange man dort auf markierten Wegen bleibt.
Armin Kaltenegger
Armin Kaltenegger

ist Jurist beim Kuratorium für Verkehrssicherheit und selbst leidenschaftlicher Radsportler und Biker.

Web: www.kfv.at