Worauf es beim Kauf von (motorisierten wie nicht motorisierten) Tourenbikes für Feierabend, Transalp und Co. ankommt. Und woran man so ein Tourenbike überhaupt erkennt.
Tourenbike, das. Ein Begriff, der, wie es Bernhard Kohl beobachtet, in den letzten Jahren einen starken Wandel erleben durfte. Waren damit vor langer Zeit noch Trekkingbikes gemeint, hat sich „der Kosmos des Mountainbikens den Begriff sukzessive einverleibt“, so Kohl, früher Straßenradprofi und heute Inhaber des Radsportshops „Bernhard Kohl“.
Gegenwärtig steht das „Tourenfully“ im deutschen Raum für alles, was MTB-Touren im Gelände meistert. „Aus technischer Sicht ist das moderne Tourenbike zwischen 120 und 150 mm Federweg angesiedelt. Mancher ahnt schon: Wir nähern uns dem Trailbike“, bringt der Niederösterreicher die amerikanische und damit branchenbestimmende Terminologie ins Spiel. Die Grenzen am MTB-Markt verwischen aber zunehmend, so finden sich um die 120 mm Federweg heute auch viele XC-Bikes wieder, am oberen Ende überschneiden sich mit 140 bis 160 mm die All Mountains mit dem „Tourenbike“. Darüber hinaus spricht man vom Enduro.
Je nach gelebtem Fokus (bergauf oder bergab) und vorrangigem Terrain (einfache Abfahrten vs. technische Trails) wird das eine oder das andere zu „deinem“ perfekten Tourenbike. Gemeinsam mit Bernhard Kohl und Philipp Mutzbauer vom „Mountainbiker Klagenfurt“ wollen wir euch helfen, die richtige Wahl zu treffen – und auch das Thema „Motor“ ins Spiel bringen.
Kategorische Entscheidung
„Allgemein gilt quer durch sämtliche MTB-Kategorien die Faustregel: je besser bergauf, desto schlechter bergab. Je leichter sich ein Rad bergauf pedaliert, desto fordernder gestalten sich ruppige oder technische Abfahrten“, gibt Bernhard Kohl als einsteigende Orientierungshilfe mit auf den Weg. Um sich für ein Modell zu entscheiden, sieht er das individuelle Verhältnis zwischen dem üblichen Bergauf- und Bergab-Anteil als guten Ausgangspunkt. „Wer gerne und viel bergauf radelt und dennoch Spaß auf flowigen bis mittelschweren, nicht brachial verblockten Trails wie etwa im Wienerwald haben möchte, ist mit einem Trailbike bestens beraten. Mit Training und gut eingestelltem Bike seien ihm zufolge damit auch lange Tage im Sattel mit 1500 bis 2000 hm gut machbar, der Spaß bergab bleibt hoch. Auch wer nur auf Forststraßen unterwegs ist, dennoch nach dem Komfort eines Fullys strebt, aber nicht so sportlich wie auf einem XC-Bike sitzen möchte, ist hier gut bedient.
Wird der Waldboden zunehmend felsig, das Gelände technisch, rät Kohl zum All Mountain. Mehr Federweg, flachere Geometrien (Lenkwinkel) und oft etwas höhere Tretlager nehmen technischen Abfahrten aus seiner Sicht etwas an Schrecken, das Bike läuft einfach ruhiger und kontrollierter. Dafür wird das Handling in engen oder flacheren Passagen träger. Eine Beobachtung aus dem Shop-Alltag: Die Mehrheit der Biker tendiert dazu, eher „overbiked“ denn „underbiked“ auf die Trails zu gehen. Vereinfacht gesagt: lieber zu viel Federweg als zu wenig. Mitunter macht man sich so den Weg nach oben schwerer als nötig, hat aber bergab Reserven parat.
Je besser bergauf, desto schlechter bergab – eine grobe Faustregel beim Bike-Kauf.
Die Sache mit dem Motor
Philipp Mutzbauer beobachtet (nicht nur in Klagenfurt) eine klare Tendenz am Tourenbike-Sektor: Die Verkaufszahlen von E-Bike-Fullys steigen auf Kosten klassischer Trail- und All Mountain Bikes. Eine Tatsache, die für das Bike-Urgestein schlichtweg die Vorzüge der E-MTBs widerspiegelt: „Wer zwar biken möchte, aber noch am Anfang steht, schaltet die Unterstützung höher und tut sich leichter; man kann auch steil bergauf im Grund- lagenbereich trainieren. Der Fahrer entscheidet über die Intensität der Belastung, nicht das Gelände; doppelt so viele Höhenmeter pro Stunde bergauf bedeuten auch doppelt so viele bergab “, so Mutzbauers Argumente pro E-MTB.
Unterteilt wird der Sektor der E-Tourenbikes primär nach den Antriebs-Kategorien „Full Power E-Bike“ und „Light E-Bike“, manchmal auch als Minimal Assist oder Light Support E-Bike bezeichnet, so Bernhard Kohl. Dazwischen finden sich aber zunehmend auch Mischvarianten der beiden Konzepte. Das Full Power-Konzept erklärt Bernhard Kohl kurz und kompakt: „Mehr ist einfach mehr. Punkt. Mit allen Vor- und Nachteilen: mehr Motorleistung, mehr Akkukapazität, mehr Power, mehr Reichweite. Mehr Fahrspaß hängt stark vom jeweiligen Einsatzgebiet ab, mehr Gewicht wird oft einfach in Kauf genommen und mehr Verschleiß oft etwas hinten angestellt.“ Bei Light E-Bikes sieht Kohl als oberste Prämisse, ein Bike zu bauen, „das sich in puncto Fahreigenschaften und Handling dem Nicht-E-Bike möglichst weit annähert, die körperlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und damit den Fahrspaß aber erweitert: steile und technische Passagen meistern, maximal mögliche Höhenmeter oder Kilometer auf Touren erhöhen.“
In der Entscheidungsfindung zwischen „Bio-Bike“, Full-Power- oder Minimal-Assist-Konzept sieht Kohl unterschiedliche Beweggründe. Ein Argument ist der Preis – solide ausgestattete Trailbikes mit Aluminium-Rahmen gibt es ab etwa 2300 Euro, mit Carbon startet man bei 3000 Euro. Full-Power-Pendants in Aluminium liegen bereits bei rund 3500, Carbon gibt es ab etwa 4500 Euro. Bei Light-E-MTBs fällt Aluminium aus Gewichtsgründen oft aus dem Raster, Modelle mit Carbonrahmen starten bei 5000 bis 6000 Euro. Abseits der Preisfrage sprechen für Kohl nicht elektrifizierte Tourenbikes „vorwiegend Menschen an, die bereits über viele Jahre an Raderfahrung und/oder die entsprechende Grundfitness verfügen – oder sportlich ambitionierte Puristen“.
Die beiden E-Konzepte stellt der Kärntner Mutzbauer in wenigen Worten gut gegenüber: Möchte jemand nur leichten Rückenwind, vielleicht die nötige Unterstützung, um an den steilsten Stellen der Tour Reserven zu haben, ist das Light-Konzept die richtige Wahl. Dieses ist leichter und fährt sich agiler. Möchte und braucht (schwere Fahrer etc.) man bergauf die maximale Geschwindigkeit bzw. Unterstützung, geht die Tendenz klar zum Full-Power-Bike.
Für Mutzbauer hat das Full Power-Konzept den großen Vorteil der maximalen Vielseitigkeit: „Damit kann ich alles machen und muss mich als Biker nicht immer in eine bestimmte Kategorie einordnen. Man kann ja auch mit einem Kleinwagen für die Stadt 1000 km über die Autobahn fahren, mit Laufschuhen wandern oder mit einem Mountainbike 100 Kilometer auf der Straße abspulen.“ Doch auch wenn die Auswahl groß ist – echten Sport-Einsteigern rät der Klagenfurter immer zum E-Bike. Denn „niemand wird automatisch mit dem Bio-Bike fitter, eher überlastet er sich öfter damit“. Der gesundheitliche Nutzen ist für ihn damit für diese Zielgruppe mit dem E-Bike höher.
Die Probefahrt gehört immer mit zum Kauf dazu.
Probefahren? Unbedingt!
Worin sich die beiden leidenschaftlichen Biker und erfahrenen Shop-Berater einig sind: Vor jedem Kauf sollte man, wenn möglich, eine Probefahrt machen. Die meisten Kunden würden auch bereits vorab wissen, ob es ein E-Bike oder ein klassisches Tourenbike werden soll. Mitunter entscheiden sich überzeugte Nicht-E-Biker nach einer Probefahrt dann aber doch für ein Bike mit Unterstützung. Bernhard Kohl beobachtet auch zunehmend ein Verschwimmen der Grenzen unter den Fahrertypen. Sprich: Vielfach wird bei klassischen Stromlos-Bikern ergänzend zum Light E-MTB oder Full Power Bike gegriffen – je nach Anforderungen der Tour. Umgekehrt kehren auch einige E-Biker, frisch motiviert und (wieder) fit, zurück zum klassischen Bike ohne Motor. Das Spektrum ist also groß, der qualifizierte Fachhandel hört zu, erklärt und berät – und ermöglicht so jedem das bestmögliche Bikeerlebnis. Einige Produkt-Ideen dazu haben wir dir rechts in unseren „Top 6“ zusammengetragen.
Was hier, egal ob mit oder ohne Motor, unbedingt dazugehört: Lass dir dein Bike an deine Proportionen anpassen. Die richtige Rahmengröße ist mindestens genauso wichtig wie die Sitzposition, die Lenkerbreite und -höhe, der Sattel sowie die Griffe. Und: Selbst das hochwertigste Bike mit dem besten Fahrwerk fährt sich nicht gut, wurden Dämpfer und Gabel nicht individuell auf dein Gewicht eingestellt.