Präziser. Analytischer. Zurückhaltender. Frauen biken gerade als Einsteigerinnen anders als Männer. Kein Grund, den Herren der Schöpfung das Mountainbike-Feld zu überlassen: Im zweiten Teil unserer SPORTaktiv-Woman-Serie wollen wir Vorurteile ins rechte Licht rücken und verraten zudem, mit welchem zweirädrigen Untersatz „frau" heute ins Gelände fährt.

Claudia Riedl
Claudia Riedl


Dass Männlein und Weiblein mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen, aber auch mit verschiedenen Motivationsstrategien an den Sport herangehen, wissen wir seit der letzten SPORTaktiv-Ausgabe, in der wir unsere „Woman"-Serie gestartet haben. Münzen wir das Ganze nun mal aufs Mountainbiken um: Biken Frauen auch anders als Männer? Aber ja! Das heißt freilich nicht, dass sie besser oder schlechter biken.

Doch zunächst die Feststellung: Die Zahl der bikebegeisterten Ladies nimmt stetig weiter zu – wie auch Ludi Scholz, Brand Manager bei der Damen-Radsportmarke Liv, bestätigt: „Mountainbiken wird bei Frauen immer populärer. Dieser Sport ist längst keine Männersache mehr, sondern es ist bereits eine riesige Frauen-Bike-Community entstanden." Wie nun die Radsportindustrie auf diesen Umstand reagiert und wodurch „frau" sich vom männlichen Biker-Pendant abhebt – wir klären im Folgenden die brennendsten Fragen.

MEISTER IM „ZERDENKEN"
Der Unterschied zwischen dem bikenden Mann und der bikenden Frau beginnt ganz klar schon bei der Anatomie. „Da die Herren sich über ein Plus an Muskelmasse freuen dürfen, sind die Kraftverhältnisse von Vornherein anders verteilt. Bei den Damen sind außerdem spezielle Tendenzen wie ein kürzerer Oberkörper im Vergleich zum Unterkörper, kleinere Hände oder schmalere Schultern zu beachten. Auch dass wir Ladies einen anderen Beckenknochen haben als die Herren der Schöpfung, ist kein Geheimnis", erklärt uns Ludi Scholz.

Dies sind aber nur die äußeren Merkmale, die uns vom Mann differenzieren. Auch mental ist das weibliche Geschlecht anders gestrickt, speziell was die Risikobereitschaft betrifft. Soll heißen: „Die Damen ‚zerdenken' und ‚überanalysieren' viele Situationen, sie sind dadurch auch oft zu vernünftig. Oder um es hart zu sagen: einfach zu ängstlich", so Ludi.

Man kann also einerseits davon ausgehen, dass Männer im Mountainbiken gerade als Anfänger im Vorteil sind, da sie sich selbst mehr zutrauen. Andererseits beschäftigt sich die Bikerin aber länger mit kleinen, anfänglichen Schwierigkeiten, um einen soliden Grundstock für die Fahrtechnik aufzubauen. Frauen fahren demnach also vorsichtiger als Männer, setzen sich am Anfang erreichbarere Ziele und haben mehr Respekt vor der Technik und vor Trails. Und mit der Routine kommt die Sicherheit – bei Frauen wie bei Männern! Und wie ganz generell gilt auch beim Biken: Nicht jeder Mann ist per se ein Draufgänger beziehungsweise nicht jede Frau automatisch „übervernünftig". Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel!

DAS BIKE FÜR SIE
Auch die Radsportindustrie hat die Bikerin schon länger als wichtige Zielgruppe erkannt und geschlechterspezifische Mountainbikes (nähere Infos findest du im SPORTaktiv Bikeguide 2017) auf den Markt gebracht. Und ebenso Bike-Zubehör, das ganz auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten ist. Ein pinker Rahmen mit ein paar Blümchen verziert macht aus einem Rad aber noch keineswegs ein Damen-Bike: Durch unterschiedliche Geometrien, andere Komponenten und moderne Designs versucht etwa die Radsportmarke Liv, gezielt auf die Wünsche von Frauen einzugehen: „Bei unseren Mountainbikes haben wir auf eine kompakte und etwas aufrechtere Haltung beim Fahren gesetzt. Gerade als Anfängerin fühlt man sich so gleich sicherer am Rad", betont Ludi Scholz.

Bei der Sattelwahl ist zu bedenken, dass Frauen durchschnittlich einen weiteren Sitzknochenabstand haben als Männer, wodurch auch ihr Schambeinbogen deutlich tiefer liegt. Den daraus resultierenden unangenehmen Druckstellen auf der Sattelnase wirken Sättel mit speziellen Schnitten und Hosen mit passenden Sitzpolstern entgegen. Den schon erwähnten (durchschnittlichen) weiblichen Körperproportionen entsprechend sind viele Damen-Bikes mit einem kürzeren Oberrohr für eine aufrechtere Sitzposition, schlankeren Griffen und einer geringeren Lenkerbreite ausgestattet.

Martina Weinzettl von den „Velochicks", Österreichs größtem Frauenradsportverein, der in Wien, Graz und Salzburg beheimatet ist, relativiert hier aber: „Die Durchschnittsmaße treffen bei Weitem nicht auf alle Ladies zu. Ein guter Verkäufer drückt also nicht jeder Frau, die ins Geschäft kommt, automatisch ein Damen-Bike aufs Auge, sondern empfiehlt ein wirklich auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Rad."
  

Im Schaufenster: 4 neue Frauen-Bikes

STILSICHER AM SATTEL
Das Bike ist nicht das Einzige im MTB-Sektor, das einen „femininen" Anstrich bekommen hat. Das Spektrum an Mountainbike-Zubehör für Frauen ist mittlerweile nämlich überaus groß: Die Bekleidung für die Bikerin besticht neben den schon erwähnten passenden Sitzpolstern oft durch figurbetonte Schnitte und spezielle Farbkombinationen oder Muster – sehr oft dominieren helle und warme Farben wie etwa Violett oder Rot die Farbpalette.

Die dazugehörigen Accessoires wie Brille, Handschuhe und Protektoren gibt's dann noch in den passenden Farben und Schnitten obendrauf. Auch klobige Fahrradhelme sind längst Schnee von gestern. Wer seinen Kopf schützen möchte, kann heute unter vielen Formen und (leichten) Materialien wählen – und für den perfekten Sitz lassen sich die meisten Helme durch ein Drehrad oder unterschiedlich dicke Polster an den Kopfumfang anpassen.

BIKEN IM RUDEL?
Die Sache mit der Ausrüstung wäre also geklärt. Und wo sind Bike und Bikerin jetzt für gewöhnlich zu finden? Natürlich draußen! Aber nicht jede Frau tritt gerne alleine in die Pedale. In den letzten Jahren ist vor allem die Nachfrage nach reinen Frauen-Bikecamps enorm gestiegen, wo die Ladies ganz unter sich an ihrer Biketechnik feilen können. Haben solche Camps aber auch Sinn? Und warum wird nicht „gemischt" gefahren? Eva Rümmele, Velochicks-Obfrau und langjährige Ladies-Camp-Organisatorin, hat eine Theorie: „Frauen, die an solchen Camps teilnehmen, möchten lieber ‚unter sich' sein und ihrem eigenen Tempo entsprechend fahren können – fern von Leistungsdruck. Dabei motivieren sie sich gegenseitig. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass männliche Kursteilnehmer oftmals einem Konkurrenzdenken oder dem Geschwindigkeitsrausch erliegen. Frauen hingegen unterschätzen ihr Können oft."

Zudem ist es in einer reinen Frauengruppe auch leichter, einmal Schwäche zu zeigen. An Ängsten oder „mentalen Barrieren" beim Mountainbiken kann man aber gezielt arbeiten. Wie das funktioniert, verrät uns Bikeprofi und Ex-Downhillerin Angie Hohenwarter: „Wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert, soll man nicht gleich aufgeben! Wichtig ist, dass man sich seine Schwächen eingesteht, sich auf sein Bike setzt und einfach fährt. Nur wenn man sich auf seinem Bike sicher fühlt, hat man Spaß dabei und ist für verschiedene Situationen gewappnet."

Die Teilnahme an einem Ladies-Bikecamp ist auch deshalb empfehlenswert, weil dort wichtige Grundlagen wie Kurven- und Brems­technik sowie die Grundposition gelehrt werden – die Basics für Fahrspaß und sicheres Fahrgefühl. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, dem legen wir unser SPORTaktiv Ladies-Bikecamp von 18. bis 21. Mai 2018 am Kärntner Weissensee ans Herz. Dort zeigt dir Bike-Legende Angie Hohenwarter die schönsten Plätze am See und gibt ihre besten Trailtechnik-Tricks preis. Interesse geweckt? Dann meld dich HIER gleich für unser Bikecamp an.

DIE BIKE-EXPERTINNEN
LivDie Ladies-Bikemarke ist die erste und bisher einzige Radsportmarke, die sich ganz den Frauen widmet. Liv produziert neben Mountainbikes, Rennrädern, Commuterbikes, Lifestyle- und Kinderrädern auch frauenspezifische Bekleidung und Zubehör.

Web: www.liv-cycling.com
VelochicksEin Verein, der radsportbegeisterten Frauen Spaß am Biken vermittelt, eine Plattform für gemeinsame Ausfahrten bietet und den Austausch unter Gleichgesinnten fördert. Interessierte Frauen jeden Alters können dem „Hühnernest" in Wien, Graz oder Salzburg beitreten.

Web: www.velochicks.at
Angie Hohenwarter                    Die österr. Profi-­Bikerin ist früher XC gefahren, hat aber dann ihre Leidenschaft fürs Berg­abfahren entdeckt.

Web: www.angiehohenwarter.com