Noch nie waren so viele Menschen sportlich aktiv und fitnessbewusst wie ­heute. Was aber nicht heißt, dass auch alle bei ihren Trainingseinheiten wirklich wissen, was sie tun. Ihr größter Fehler: Bei allem Trainingsfleiß und -schweiß vergessen sie leider auf den besten Freund des Hobbysportlers: den „Spowi“.

Von Christoph Lamprecht


Bereits ein kurzer Blick auf die heimischen Laufstrecken, Berge und Fitnessstudios lässt keinen Zweifel daran aufkommen: Sport wird immer individueller und Bewegung für viele Menschen zur Selbstverständlichkeit. Ein Trend, der sich vor allem bei Jugendlichen gut beobachten lässt und von technischen Neuerungen wie Fitbändern und kostenlosen Bewegungs-Apps weiter befeuert wird.

Goldene Zeiten also für die Allgemeingesundheit? Nicht ganz, denn einmal abgesehen von den noch immer fast zwei Dritteln der Bevölkerung, die kaum oder gar nie freiwillig in Bewegung sind – es ist leider auch die Art und Weise, wie Herr und Frau Österreicher trainieren, oft wenig sinnvoll bzw. hat im Hinblick auf den gesundheitlichen Nutzen massives Optimierungspotenzial.

Ein Problem dabei ist sicher auch die hohe Reichweite und Verbreitung unseriöser „Trainingsanleitungen" im Internet, sodass Hobbyathleten nicht selten damit überfordert sind, sich im Dschungel der Trainingsmythen, Halb- und Unwahrheiten zurechtzufinden. Dabei ist es so einfach, dem Unwissen Abhilfe zu schaffen, denn der wirkliche Experte steht immer bereit – und der heißt ­„Spowi".

JEDER MENSCH KANN PROFITIEREN
Das Vorurteil, sportwissenschaftliche Betreuung sei nur für das Erreichen von Spitzenleistungen von Bedeutung, ist gerade unter Gesundheitssportlern weit verbreitet. Tatsächlich ist der Tätigkeitsbereich von Sportwissenschaftern ganz breit gefächert, sodass wirklich jeder „Bewegungsmensch" davon profitieren kann.

„Neben psychosozialer und Ernährungs-Beratung ist die sportwissenschaftliche Betreuung einer der Grundpfeiler moderner Gesundheitsförderung", sagt Mag. Haris G. Janisch, selbst sportwissenschaftlicher Berater und Berufsgruppenobmann der Lebens- und SozialberaterInnen in der Wirtschaftskammer Wien.

Ein entscheidender Vorteil, über den studierte Sportwissenschafter verfügen, ist ihr gesamtheitlicher Zugang zu den Bereichen Trainingslehre und Physiologie. Neben der Erstellung von individuellen Trainingsplänen und Personal Coaching gehört auch die Verletzungsvorsorge, Rehabilitation und betriebliche Gesundheitsförderung zu ihren Aufgabengebieten. Dabei spielt für präventive Maßnahmen die Förderung und der Erhalt der Beweglichkeit eine zentrale Rolle.

„Zunächst müssen Probleme erkannt und lokalisiert werden. Ist dies geschehen, geht es nicht nur darum, einen auf den Klienten abgestimmten Plan niederzuschreiben, sondern ihm die jeweiligen Übungen auch entsprechend zu vermitteln", weiß Benjamin Pesendorfer, Bsc. vom Spowimed-­Team der Sportunion Steiermark. „Zur Bestimmung von Defiziten und Dysbalancen eignet sich der sogenannte ,Functional Movement Screen', kurz FMS, besonders gut. Dabei hat die Testperson sieben grundlegende Bewegungsmuster zu absolvieren, anhand deren Ausführung sich bestimmen lässt, an welchen Bereichen noch gearbeitet werden muss. Wird dabei eine gewisse Punktezahl nicht erreicht, besteht jedenfalls erhöhte Verletzungsgefahr. Gute Beweglichkeit und Koordination senken nicht bloß das Verletzungsrisiko, sondern helfen Sportlern dabei, ihr Leistungspotenzial voll auszuschöpfen."

INVESTITION IN SICH SELBST
Wenn von „Leistungspotenzialen" und „Selbstoptimierung" die Rede ist, frohlocken zwar ehrgeizige Wettkämpfer, gleichzeitig klinken sich viele Hobbysportler aus. Der Grund dafür ist nicht selten die Angst davor, von ihrem Freund „Spowi" gemaßregelt oder mit einem strengen Trainingsplan zwangsbeglückt zu werden.

„Diese Furcht ist absolut unbegründet. Niemand wird von einem guten Coach gezwungen, wie ein Profi zu trainieren. Vielmehr geht es darum, je nach Zeitbudget, Ambition und persönlichen Voraussetzungen ein individuell abgestimmtes Programm zu erstellen, das auch langfristig für Verletzungsfreiheit und Spaß sorgt. Grundsätzlich ist die Konsultation eines Sportwissenschafters eine Investition in die eigene Gesundheit – der Leistungsaspekt ist zwar nicht unwichtig aber sekundär", so Pesendorfer.

Sein Kollege, Dr. Stefan Rinnerhofer, der im Grazer „Spowimed"-Zentrum im Bereich Leistungsdiagnostik tätig ist, sieht das ähnlich: „Nur weil Leistungssportler mit gewissen Verfahren arbeiten, bedeutet das noch lange nicht, dass Hobbyathleten automatisch den Spaß verlieren, wenn sie plötzlich über ihre Schwellenwerte Bescheid wissen. Meist ist genau das Gegenteil der Fall – neue Erkenntnisse über den eigenen Körper schaffen auch neue Motivation."

Dass mit einem individuell abgestimmten und effizienten Trainingsansatz hartnäckige Plateaus überwunden werden können, hat dazu beigetragen, dass sich Leistungsdia­gnostik seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit erfeut. Doch Sportwissenschafter Rinnerhofer rät zur Vorsicht: „Nicht alles, was unter dem Namen Leistungsdiagnostik angepriesen wird, entspricht den wissenschaftlichen Standards, die es braucht, um aussagekräftige Werte zu erhalten. Leider finden sich gerade unter Billig-Anbietern schwarze Schafe mit fehlender Ausbildung und mangelhaftem Equipment. Wer sich wirklich etwas Gutes tun will, geht zum Profi."

Auch Mag. Janisch warnt in diesem Zusammenhang nochmals: „Vielen selbsternannten ‚Experten' fehlen die methodischen Voraussetzungen, um Sportlern wirklich helfen zu können. Wie gut jemand in der Praxis arbeiten kann, der bloß ein Wochenendseminar besucht hat, kann sich wohl jeder selbst ausmalen."

ERFOLG BEGINNT IM KOPF
Neben dem körperlichen Aspekt wird auch der mentalen Komponente ein immer größerer Stellenwert zugerechnet. Mit einer Postgraduate-Ausbildung können Psychologen und Sportwissenschafter ihre Klienten gezielt auf Wettbewerbsituationen vorbereiten. Mit Verfahren wie dem Biofeedback beobachten sie, wie ein Sportler auf mentale Stressreize reagiert und wie schnell er sich wieder entspannen kann. Je nach Bedarf werden dann spezielle Atem- und Entspannungstechniken vermittelt, die „im Ernstfall" Erfolge erst ermöglichen, da mit der physischen auch die psychische Belastung enorm steigen kann. Zur Klarstellung: Als „Mentalcoach" werden Sportwissenschafter mit der entsprechenden Zusatzqualifikation bezeichnet, während „Sportpsychologen" ein Psychologiestudium absolviert haben.

ABNEHMEN NACH PLAN
Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld für Sportwissenschafter ist der Bereich „Weight Management". Gerade Menschen ohne langjährige Trainingserfahrung fehlt oft das Gefühl dafür, wie sie auf gesunde Weise ihren Körperfett­anteil reduzieren können. Wenn Resultate dann aufgrund zu niedriger Intensität oder Konsequenz ausbleiben, ist dies ebenso demotivierend wie regelmäßige Überlastung, die Anfängern schnell den Spaß am Sport verderben kann. Mit der entsprechenden Betreuung durch ausgebildete Fachleute wird hingegen dafür gesorgt, dass mittel- und auch langfristige Ziele nachhaltig erreicht werden können.

Neben dem Training an sich ist ein großer Teil von Abnehmerfolgen der entsprechenden Ernährungsweise geschuldet. Anders gesagt: Schlechtes Essverhalten lässt sich durch Bewegung zwar relativieren aber nicht wettmachen, schon gar nicht, wenn es darum geht, Körperfett zu reduzieren.

Von Weight Management profitieren aber nicht bloß stark übergewichtige Menschen – auch Hobby­sportler können dank gezielter Ernährung zu neuen Höhenflügen ansetzen. Gerade bei Ausdauersportlern steigt bei ordentlicher Betreuung und in Folge Gewichtsabnahme die relative Leistungsfähigkeit (Watt pro Kilogramm Körpergewicht) rasch an, weil sie weniger Körpermasse über längere Distanzen bewegen müssen.

Was viele nicht wissen: Die rechtliche Lage erlaubt es in Österreich ausschließlich Absolventen eines Studiums der Diätologie oder der Ernährungswissenschafter, entgeltlich Ernährungspläne zu erstellen. Teils verfügen Sportwissenschafter über diese Ausbildung, teils arbeiten sie mit entsprechenden Fachkräften zusammen.

Damit sich aber die Investition ins Consulting eines Sportwissenschafters auch lohnt (übrigens: Der Besuch bei einem „Spowi" kostet nicht mehr als ein gutes Paar Laufschuhe), gilt es in jedem Fall bei der Auswahl aufmerksam und kritisch zu sein. Eine gute Orientierung liefert dazu der Dachverband VSÖ. Der VSÖ ist die offizielle Interessensvertretung der SportwissenschafterInnen in Österreich. Hier erhalten Interessierte die passenden Kontakte und alle Infos zu diesem Thema.


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