Die Hoffnung lebt. Tourismus, Sportler, Urlauber, Industrie und Eventveranstalter setzen heuer auf einen starken und langen Herbst, um News und Angebote noch auf den Markt zu bringen. Speziell die Themen Outdoor und die Radbranche verspüren Mut machende Signale. 

Von Christoph Heigl und Christof Domenig


Zuerst ein Blick zu unseren Schweizer Freunden. Die Studie „Sport Schweiz 2020“ befragt alle paar Jahre mehr als 12.000 Eidgenossen (über 15 Jahre) über die aktuellen Sporttrends. Die neuen Zahlen von heuer sind wegen der Corona-Einschränkungen besonders interessant: Egal, ob Wandern, Radfahren, Joggen oder Mountainbiken, die Schweizer sind immer öfters in der Natur. „Die Schweiz kann auch stellvertretend für einen allgemeinen Trend unserer Gesellschaft angesehen werden“, schlussfolgert daraus die Bike-Trail-Agentur Allegra. Knapp 57 Prozent der Schweizer wandern regelmäßig, womit Wandern die beliebteste Outdoor-Aktivität bleibt. „Einen Aufstieg verschafft sich auch das Mountainbiken, indem es König Fußball an Beliebtheit überholt“, freut sich das Team von Allegra.

Davon sind wir in Österreich noch ein Stück entfernt. Doch auch hierzulande verzeichnet die Radbranche mitunter die positivsten Signale, dass der Knick in den wirtschaftlich relevanten Kennzahlen reparabel und aufholbar ist. 60.000 neue E-Biker, vorwiegend Neu- und Wiedereinsteiger, kommen laut Statistik wieder hinzu. „Mountainbiken ist wie ein Ventil, das im Naturraum gesucht und gefunden wird“, analysiert der Salzburger Bike- und Tourismusexperte Hari Maier. „Lokale Konflikte werden dadurch aber verschärft.“ Stichwort Forststraßen und Trailsperren. Bei einem von Maier in ­Fuschl veranstalteten Branchentreff mit Bosch und KTM vernahm auch Bike-Pionier Uli Stanciu neue Lehren durch Corona: „Wir haben doch die neue Ruhe und Sauberkeit geliebt. Was können wir davon hinüberretten in die Zeit danach?“ Die Gefahr eines „Sport-Overtourism“ sieht er zwar nicht („Das ist doch ein Problem von Städten wie Venedig oder Dubrovnik. Mit zu vielen Autos können Biker aber natürlich auch den nördlichen Gardasee kaputt machen“), aber neue ­Lösungsansätze sieht er in der E-Mobilität, wettergeschützten Radwegen mit Solarpanelen und Hotelrabatten für Gäste, die ohne Auto anreisen. Der Radtrend freut auch die heimische Industrie. „Vor allem das E-Bike kann etwas zur Lösung der Verkehrsfrage beitragen“, ist KTM-Geschäftsführerin Johanna Urkauf überzeugt.

1. Der Tourismus
Der Tourismus, im Speziellen der Sporttourismus, erhofft sich vom Herbst noch gute Umsätze. „Wir haben die glückliche Lage und die Herausforderung, als Naherholungsgebiet gesucht und gefunden zu werden“, formuliert es Hildegund Schirlbauer, Geschäftsführerin des Tourismus Fuschlseeregion in Salzburg. Lenkungsmaßnahmen und spezielle Angebote brauche es jetzt mehr denn je. Von gerade gefragten Destinationen wie dem niederösterreichischen Waldviertel hört man von einem Run auf Radangebote, wie Tourismus-Geschäftsführer Andreas Schwarzinger vom „Granittrail“ berichtet, rund um Bad Waltersdorf in der Steiermark wird gerade das Rennrad-Thema ausgebaut und selbst winterlich gestimmte Regionen wie die Dolomiten in Italien laden noch im September zu Rennrad-Pressereisen, um noch wertvolles Marketing unter Dach und Fach zu bringen. 
Ein neues Radangebot gibt es im Dreiländereck Salzburg, Oberösterreich, Steiermark im Salzkammergut: den „eTrail“ im bekannten BergeSeen-Konzept. 634 Kilometer und 14.500 Höhenmeter, aufgeteilt in zehn Tagesetappen rund ums Salzkammergut zwischen Fuschl, Gosau, Gmunden und Bad Aussee. Die vorwiegend auf Forststraßen bzw. Asphalt gelegenen Strecken sind mit ihren Tageslängen speziell für E-Biker abgestimmt und mit Ladestationen versehen, ganz sportliche Radler schaffen es auch auf herkömmlichen Mountainbikes. „Die offizielle Startphase im Sommer hat uns Corona etwas vermasselt“, erzählt Projektleiter Siegfried Zink, aber alle Angebote stehen. Der Herbst kann kommen.

2. Die Veranstalter
Sehr viele Bewerbe wurden heuer schon abgesagt. Sehr viele finden aber unter ganz anderen Vorzeichen und mit innovativem Modus statt. Besonders kreativ ist die Laufszene in der Planung vor den PCs und Apps gesessen: Dem Trend virtueller Laufevents als Ersatz für die coronabedingt ausgefallenen klassischen Wettkämpfe haben wir im Run-Teil dieser Ausgabe eine eigene Story gewidmet (ab Seite 52). Bei den Radfahrern hat heuer ein Highlight nicht oder stark abgeändert stattgefunden. Die Salzkammergut-Trophy als größtes MTB-Rennen Österreichs ging zwar am 18. Juli über die Bühne, Lukas Kaufmann siegte auf der verkürzten A-Distanz über „nur“ 176 km und 5900 hm. Die Strecke bleibt aber mit Zeitnehmung (!) bis Ende Oktober offen. Alle Teilnehmer der „Trophy individuell“ können an einem beliebigen und selbst gewählten Tag fahren und sich online in einer Rangliste vergleichen. Die Zeitmessung wird aber aus Risikogründen auf die Anstiege bzw. Flachpassagen außerhalb der Siedlungsgebiete beschränkt. Auf den Zwischenpassagen kann man es also gemütlich angehen, die Landschaft genießen und in die Hütten einkehren – das hat es bei der Trophy noch nie gegeben. 

Sportlich laaaanger Herbst: Tourismus, Sportler, Industrie setzen auf einen starken Herbst

Auch die Veranstalter vom „Ötztaler“ sind kreativ: Der Klassiker ist zwar auf 2021 verschoben, am ursprünglichen Renntermin (28. bis 30. August) kann man aber den „Ötztaler SocialRadmarathon“ fahren, an beliebigen Orten die 238 km radeln und auf der Website eintragen lassen. Klassifizierung gibt es keine, dafür werden mit Spendengeldern Hilfsaktionen von „Netzwerk Tirol hilft“ unterstützt. Rennradfreunde freuen sich im Herbst noch auf die Premiere des „Istria300“ am 10. Oktober, eine Rennradfahrt (offiziell kein Rennen) über 300, 235 oder 155 km quer durch Istrien. Die Tour de Kärnten lockt die Mountainbiker vom 17. bis 20. September an den Ossiacher See, wo vier Etappen am Programm stehen. Sportliches Highlight des Radsportjahres wird die Vierfach-WM der Mountainbiker in Saalfelden-Leogang vom 7. bis 11. Oktober. Trotz der Unsicherheit wegen der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden schwierigen Planbarkeit versuchen die Veranstalter die Titelkämpfe auch für Zuschauer zugänglich zu machen. 

Sportlich laaaanger Herbst: Tourismus, Sportler, Industrie setzen auf einen starken Herbst

3. Die Industrie
Ohne herkömmliche Fachmessen nutzte die Sportartikelindustrie schon die letzten Wochen, um News hinauszuposaunen. Zum Teil nur online via Newsletter und Website, teilweise via Videopräsentationen wie bei BMCs neuer Bikeplattform Two-Stroke oder bei kurzfristig anberaumten Medienterminen. Am Fuschlsee etwa ergab sich die erste Möglichkeit, mit KTM die neueste Generation der Bosch-Antriebssysteme für E-Bikes zu testen. Die News? Der MTB-Primus Performance CX hat jetzt noch mehr Drehmoment (85 Nm) in einem größeren Trittfrequenzbereich und neu den sogenannten „Extended Boost“. Neu für 2021 ist bei Bosch auch eine Help-Funktion der Cobi-Bike-App, die Stürze automatisch erkennt und einen Notruf absetzt. Ob Corona-Auswirkung oder nicht: Hersteller wie Cannondale, GT oder Thok wollen dem Neuheitenwahn entgegenwirken und haben angekündigt, neue Modelle nur noch zum Jahreswechsel zu präsentieren.

Europas größte Outdoormesse, die „Outdoor by ISPO“, fiel naturgemäß auch der Pandemie zum Opfer. Die Branche war deshalb nicht untätig – und fast jede Meldung oder vorgestellte Produktneuheit der letzten Wochen hatte wieder einen grünen oder nachhaltigen Touch. Nur drei von etlichen Beispielen: The North Face launchte eine Kollektion aus in den Alpen gesammelten Plastikflaschen, Odlo will bis 2030 zu 100 Prozent auf recycelte oder umweltschonende Materialien setzen, Gore-Tex hat sich mit Juni 2020 zur CO2-Reduktion selbst verpflichtet und unterstützt die Klimaschutzorganisation „Protect Our Winters“.

4. Die Freizeitsportler
Urlaubszeit ist gleich Sommerferienzeit? Das gilt schon lang nicht mehr. Und noch weniger in diesem Jahr der Unplanbarkeit. Der „goldene Herbst“ bietet sich aus mehreren Gründen für einen aktiven Kurz- oder auch noch längeren Urlaub an. Erstens ist die nur im Tal graue Zeit – mit den Blicken auf ein endloses Nebelmeer von oben und milden Temperaturen in der Höhe – die schönste Zeit für Bergsportler jeder Art. Zweitens fällt das Abstandhalten auch in Hotels und Pensionen außerhalb der Kernferienzeiten viel leichter. Wer keine schulpflichtigen Kinder hat, der tat schon bisher gut daran, seinen Urlaub in den Frühling oder Herbst zu legen. Drittens gibt es heuer erstmals österreichweit einheitliche Herbstferien zwischen 24. Oktober und 1. November. Also: nichts wie raus in den sportlichen Herbst!