Beim Après-Ski wird gefeiert – Rufzeichen! Und wer inmitten der Eskalation neben Hodijodije auch noch Stil und Benehmen beherrscht, hat mehr Spaß und landet nicht in der Hölle, Hölle, Hölle, Hölle.

Wolfgang Liu Kuhn

Günther Aloys durchschreitet mit langem Schritt seine Schatzi-Bar, um ihn herum steppt der Bär, tanzen leichtbekleidete Mädels zu stampfenden Electro-Beats. Höflich lädt er eine deutsche Journalistin zu einem Getränk ein und fügt fast entschuldigend hinzu: „Ganz ohne Alkohol hält man Après-Ski schwerlich aus.“ Die 70-jährige Hotellegende aus Ischgl muss es wissen, schließlich ist er mitverantwortlich für den Après-Ski moderner Prägung und das Partyimage seiner Heimat. Längst haben die meisten Skigebiete nachgezogen und Winterferien sind für nicht wenige Urlauber zu einem Synonym geworden für Zuprosten, Flirten, Tanzen und, nun ja, die Sau herauslassen. 

Das ist naheliegend, wenn blauer Himmel, Sonne über den Alpengipfeln und glitzernder Schnee ohnehin zu Hochgefühlen verhelfen. Ein Willy an der Schirmbar zum Anton aus Tirol gehört für viele eben dazu. Zehn kleine Jägermeister führen in der Realität jedoch selten zu zehn nackten Frisösen, dafür zu verfrühten Rückzügen ins Hotel – alleine, aber mit Kater am nächsten Tag. Spätestens, wenn die wilden Partys in Frust, Ärger oder gar Rausschmiss enden, ist es höchste Zeit, etwas an der Après-Ski-Taktik zu ändern. Denn ein gewisser Stil sowie ein Mindestmaß an Umgangsformen und gegenseitigem Respekt gehören auch in der rustikalsten Almhütte zum guten Ton. Letzteres ist anhand der gebotenen Musik zwar schwer zu glauben, aber: Pistenknigge wirkt – beim Feiern, Eskalieren und vor allem beim Flirten!

So lasset die Sau heraus

Abfeiern mit Stil beginnt beim Outfit – auch wenn überzeugte Fans des geselligen Winterurlaubs die Après-Ski-Bar nur im Pistenoutfit betreten. Sei’s drum, das ist meistens ohnehin chic und zweitens gehen wir hier nicht zum Opernball. Dennoch empfiehlt es sich, zumindest die Skischuhe gegen Straßenschuhe auszutauschen. Erstere werden von vielen Bars in den Tallagen ohnehin nicht toleriert. Andererseits kommt normales Schuhwerk den Feiernden zugute, wenn etwa zu späterer Stunde ein Tänzchen auf dem Tisch angesagt ist. Wer es richtig professionell angeht und Eindruck schinden will, kann sich outfittechnisch natürlich noch mehr überlegen: Herren in Jeans, Timberlands, Holzfällerhemd und Norwegerpulli sowie Damen in mattierter Lederhose, Stiefeln und stilvollem Strickpulli werden in der feiernden Menge mit Sicherheit herausstechen. Wer Inspiration sucht, findet auf Pinterest einige tolle Ideen. 

Ist das geklärt, sollte man sich eine gewisse Textsicherheit aneignen. Denn beim Après-Ski kann man im Prinzip nur einen wirklichen Fehler machen: teilnahmslos in der Ecke sitzen. Stattdessen schaltet man für ein paar Stunden das Hirn aus und singt aus voller Kehle mit. „Skiiiifoahn!“ hat letztens sogar Rob Trujillo von Metallica hinbekommen, das war im Sommer und der Mann ist Amerikaner, also schafft ihr das auch. Wer sich singend verständigt hat, sollte beim Flirten nachlegen – aber mit Bedacht, denn immerhin ist der Skiurlaub oft ein Familienausflug. Ein Blick auf den Ringfinger kann hier schon weiterhelfen. Dass ein gemeinsames Tänzchen kein Freifahrtschein für aufdringliches Grabschen ist, sollte selbst nach dem zehnten Bier klar sein. Hat nix mit Alkohol zu tun, sondern mit Anstand. 

Und, ja: Auch beim Alkohol ist weniger meistens mehr. In Zusammenhang mit Après-Ski klingt das vielleicht so, als würde man eine Horde von Vampiren in der Blutbank zur Zurückhaltung mahnen. Doch wer alkoholisiert Ski fährt, gefährdet sich selbst und vor allem andere, da hört sich der Spaß auf. Und wer in der Bar mit dem eigenen Flachmann wedelt, macht sich nicht nur zum Trottel, sondern zur Persona non grata. Sprich: Rauswurf. Und noch etwas: Die Tageskarten sind mittlerweile nicht mehr so günstig, als dass man den nächsten Skitag wegen Systemabsturz unter der Rubrik „eine Runde aussetzen“ verbuchen möchte. Stattdessen also lieber mal etwas runter vom Gas, dazwischen ein Almdudler oder ein Skiwasser und ein kurzer Weg an die frische Luft, um das Hirn ein wenig auszulüften. Dann klappt’s auch mit den zehn nackten Frisösen.