Skifahren 4.0 – die Digitalisierung bleibt beim Skifahren voll auf Zug. Über Social Walls, Daten­brillen, fliegende Suchhunde und Schweinsbraten in Drohnen.

Von Christoph Heigl


Der Schnappschuss war nur der Startschuss. Oder wer hätte ahnen können, was noch alles an Innovationen auf uns hereinprasselt, als es vor Jahren erstmals möglich wurde, direkt von den ersten „Fotopoints" am Pistenrand ein lustiges Gruppenbild als E-Mail geschickt zu bekommen? Damals wunderte sich noch mancher, dass das Foto noch vor einem selbst zu Hause war ...

Seitdem hat sich die Geschwindigkeit des Fortschritts vervielfacht. Mails gelten schon als verstaubt und Old School, andere Techniken sind der Status quo. Instagram, Twitter, Snapchat und Facebook berichten in Echtzeit vom Skivergnügen der User und sind auch in der Werbung für die Winterindustrie unverzichtbare Kanäle geworden. Bilder und Videos der Hashtag-Generation auf den „Social Walls" bezeugen das. Junge Kunden kriegt man sowieso nur mit „nicen" Angeboten zur Talstation. #isthaltso

ANALYSE DER DATEN
Durch die Vernetzung hinterlassen wir riesige Datenmengen am Berg. Diese geschickt zu nutzen und dem Tourismus, dem Marketing und den Ausrüstern zur Verfügung zu stellen, verstehen bis dato nur wenige, auch wenn es schon umtriebige Entwickler gibt. Keine Zukunftsmusik wäre es nämlich (Datenschützer, jetzt bitte nicht weiterlesen), präzise herauszufiltern, dass der Mittdreißiger und Besserverdiener aus Ried den Urlaub mittels Kreditkarte bucht, BMW und Atomic fährt, ein iPhone hat, zu Mittag gerne Radler und Hüttenburger verputzt und die rote Piste in Powderkirchen bevorzugt. Mit Smartphone oder Smartwatch als Skikarte, dank Gesichtsidentifikation am Handy natürlich auch mit Foto, lassen wir noch mehr Daten im Pisten-WLAN liegen, als uns vielleicht lieb und recht ist.

VOLLE FUNKTIONEN
Mit den mobilen Services hat man jederzeit vollen Zugriff auf die Infoflut. Derzeit liefern die beliebtesten Handy-Apps wie „Skiinfo Ski & Schneehöhen App" und „Bergfex/Ski Lite" aktuellste Daten, Wetter und Webcam-Bilder. Mit Social-­Media-Funktion kann man eigene Bilder uploaden.

DIGITALE TRANSFORMATION
Die Plattform von Skiline.cc hat bereits 2,8 Millionen User, im Vorjahr wurden GPS-Daten zu 24,4 Milliarden Höhenmetern hochgeladen. In ausgewählten Skigebieten können registrierte User ihr eigenes „Skiline Movie" drehen, wo sie von HD-Kameras vom Starthaus bis ins Ziel verfolgt und gefilmt werden. Bei den Skigebieten gilt die App „Skiguide Zermatt" als Vorreiter in Sachen digitaler Datentransformation, sie stellt eine ganzer Heerschar digitaler Helferleins zur Verfügung. Moderne Apps bieten heutzutage Pushnachrichten bei Gefahren (Wettersturz, Lawinen), einen Live-Status der Pisten oder Live-Support in eigenen WhatsApp-Gruppen.

DATEN IN ECHTZEIT
Vollen Durchblick verspricht auch die Datenbrille. Erstmals wird eine Live-Navigation durch das Wirrwarr der Pisten möglich. Mit einem kleinen Display innerhalb der Brille, am unteren Rand des Blickfeldes angebracht, werden von einer App in Echtzeit Daten zur Piste, zum Lift (Wartezeiten etc.), der Weg zur nächsten Hütte oder Wetterinfos eingespielt, zusätzlich werden alle Fahrdaten (Kilometer, Fahrtzeit, Geschwindigkeit) angezeigt, dazu Kalorienverbrauch oder die Pistenregeln. Der Skiverbund „Ski amadé" hat schon vor sieben Jahren seine erste Ski-App eingeführt, 2014 war man europaweit Vorreiter in Sachen Datenbrille.

„Ziel ist es, klassische Informationen wie Orientierung und Information maßgeschneidert an den Kunden zu bringen", sagt Geschäftsführer Christoph Eisinger. Er nimmt das Wort „EU-Datenschutzgrundverordnung" vorsichtig in den Mund und bremst allzu wilde Fantasien, aber in Zukunft könnte es denkbar sein, dass beispielsweise dem 65-jährigen Kunden nicht die Schanzen des Snowboardparks als Attraktion in der Nähe vorgeschlagen werden und dem 18-jährigen Boarder-Freak nicht die exquisite Gourmethütte. „Das könnte völlig automatisch erfolgen, in der Praxis wird es aber wohl teilautomatische Lösungen geben, weil der 18-Jährige ja vielleicht auch in den Gourmettempel möchte.

NEXT STEP
Die Skidatenbrille wird aber nur so lange technisch wichtig sein, bis Datenbrillen à la „Google Glass" auch die normale Welt erobern. Eisinger: „Das wird kommen und auch damit beschäftigen wir uns schon lange." Apropos Jugend: Dank der sozialen Medien (und 400 WLAN-Spots entlang der Pisten) sind die Jungen für den Skiverbund wieder greifbarer. Mit Mobile-Spielen wie z. B. Red Bull Freeskiing und Virtual Reality kann man sie fürs Skigebiet interessieren, „und dann muss es gelingen, sie aus der virtuellen Welt auf die Piste zu bringen, vielleicht mit Belohnungspunkten oder einem Rewardsystem", meint Eisinger.

Auch der ganze Bereich von „E-Commerce" ist ein heißes Zukunftsthema, die maßgeschneiderte Vernetzung von Hotelbuchung, Skikarte und Verleih der Ausrüstung, natürlich unter Berücksichtigung des sensiblen Themas Datensicherheit. Ski amadé will auch in diesem Bereich wieder vorne mit dabei sein, aber das hat auch seinen Preis. Wie Eisinger erzählt, hat der Verbund in den vergangenen fünf bis sieben Jahren mehr als 500.000 Euro in den Ausbau des Digitalangebotes investiert. „Diese Applikationen sind unsere digitalen Services für alle Devices im Kundenbereich."

EINSATZ VON DROHNEN
Datenbrillen, virtuelle Pistenpläne, Lawinen- und Notruf-Apps erhöhen nicht nur den Datenverkehr, sondern auch die Sicherheit am Berg. An der Schweizer Technikuniversität Lausanne wurde eine Drohne entwickelt, die nach Lawinenabgängen oder Naturkatastrophen nach Vermissten sucht. Die Drohne fliegt selbst in schwierigstes Gelände und kann Handysignale am Boden orten. Der große Vorteil: Bei der Suche selbst gerät niemand zusätzlich in Gefahr. Empfängt die Drohne ein Signal, kann sie Suchtrupps gezielt an den Unfallort lotsen. „Ein fliegender Suchhund", titelten die Schweizer Medien.

Von Onlineshops wird auch die Auslieferung von Waren per Drohne als Lösung prophezeit, in Österreich hat man exklusiv eine andere Anwendung ausprobiert. Im August haben die Naturfreunde eine Lastendrohne zur schwer erreichbaren Pinzgauer Hütte nahe Zell am See fliegen lassen. Die Drohne flog eine vorher exakt definierte Strecke. Die 3 x 3 Meter große Transportdrohne trug eine mit 50 Kilogramm beladene Metallbox mit sich. Die Maximallast liegt bei 100 Kilogramm – was bei der Lebensmittelversorgung entlegener Hütten schon eine ganze Menge Schweinsbraten und Speck wäre.

ABLENKUNG UND SICHERHEIT
Dieses ganze Hightech lenkt am Berg ab und ist gefährlich? Zum Teil sicher. Auf keinen Fall, mahnen Kritiker, sollte man jedenfalls während des Skifahrens Mails lesen, auf Facebook surfen und Musik hören. Und man möge sich jeden giftigen Kommentar verkneifen, wenn am Bergrücken auf 2400 Metern Seehöhe einmal das WLAN holpert oder die Telefonverbindung nicht so perfekt ist wie im urbanen Netz vor dem Stephansdom. Und man darf natürlich auch im Winter 2017/18 ganz normal Ski fahren gehen, ohne den ganzen modernen Technik-Krims-Krams. Aber dann bitte auch kein Selfie nach Hause schicken! #undkeinenhashtag


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