Ski und Skischuhe sind komplexe Produkte, die am Ende ihres Produktlebens nur schwer wiederverwendet werden können. Doch es gibt einige Bestrebungen in diese Richtung.

Christof Domenig
Christof Domenig

Tecnica fiel zu Beginn des letzten Winters mit dem Start seines „Recycle Your Boots“-Programms auf. Die Grundidee klingt simpel: Wer ein neues Paar Skischuhe der italienischen Marke kauft, soll die Möglichkeit bekommen, sein ausgedientes Paar – unabhängig von der Marke – zurückzugeben. Denn Skischuhe landen sonst im Restmüll. Tecnica würde die Schuhe stattdessen in einem transparenten und nachhaltigen Prozess recyceln. 4200 Paar wurden auf diese Weise im ersten Jahr gesammelt.

Hinter dem einfach klingenden „Skischuh-Recycling“ verbirgt sich in Wahrheit ein komplexer, aufwendiger Prozess, an dem etliche spezialsierte Partnerunternehmen beteiligt sind. Alte Skischuhe müssen in ihre Einzelteile zerlegt, das Innenfutter entfernt und Kunststoff- von Metallteilen getrennt werden. Das wird von Fecam, einem Partnerunternehmen für das Recycle-Your- Boots-Programm erledigt. Ein weiteres, Laprima Plastics, wandelt die Teile dann in neue Rohstoffe um.

„Es war äußerst schwierig herauszufinden, wie man den Polyurethanschaum und die sehr komplexen Komponenten der Skischuhe sauber voneinander trennen und somit sortenrein wiederverwenden kann“, sagt Giorgio Grandin, Innovation Manager der Tecnica Group, nach einem Jahr „Recycle Your Boots“. Für höchst technische Produkte wie Skischuhe werden eben Kunststoffe und Materialien mit sehr speziellen Eigenschaften benötigt. Das aufbereitete Polyurethan aus den alten Schuhen findet nun etwa in Schutzmatten ein zweites Leben, die entlang von Skipisten zum Einsatz kommen.

Das „RYB“-Programm, an dem auch die Universität Padua beteiligt ist und das von der EU unterstützt wird, soll künftig jedoch noch deutlich weiter gehen: Auch Nordica (ebenfalls teil der Tecnica-Gruppe) ist mittlerweile an Bord. Man habe schon gesehen, dass einige Kunststoffe in Sachen Co2-Emissionen und Energieverbrauch besonders ins Gewicht fallen, erklärt Michele Botteon von Tecnica, insbesondere auf PVC treffe das zu: „Daher haben wir uns entschieden, PVC ab nächster Saison bei allen Tecnica- und Nordica-Skischuhen zu eliminieren.“ Ab der Kollektion 23/24 werden Tecnica- und Nordica-Skischuhe zudem mit QR-Codes versehen, die Auskunft über alle verwendeten Materialien geben, „um homogene neue Rohstoffe generieren zu können, deren mechanische Eigenschaften wir genau kennen“, erklärt Giorgio Grandin. Diese könnten dann in größerem Umfang wieder für die Herstellung von Skischuh-­Schalen hergenommen werden – ohne Performance-Einschränkung. Ein weiterer Schritt Richtung der letztlich angestrebten Skischuh-­Kreislaufwirtschaft.

Rossignol: 77 % wiederverwertbar
Aus Frankreich ist aktuell der Rossignol Essential angekündigt, ein Alpinski, der nicht nur zu 62 Prozent aus Recycling-Materialien bestehen wird, sondern um dessen  Verwertung am Ende seines Lebenszyklus sich der französische Hersteller besonders viele Gedanken gemacht hat: „Wir haben den Co2-Fußabdruck von Skiern analysiert und herausgefunden: 60 bis 70 Prozent des Fußabdrucks liegen in den Bestandteilen“, heißt es von Rossignol. Schlussfolgerung: „Gegenwärtig sind die meisten Materialien gegen Ende des Lebenszyklus nicht recycelbar. Wir wollten deshalb die Anzahl der verarbeiteten Materialien reduzieren und nur jene auswählen, die am Produktlebensende recycelt werden können.“

Ski und Schuh mit zweitem Leben: Nachhaltige Initiativen für das Wintersport-Material

Der „Öko-Ski“ wird also aus erstaunlich wenigen unterschiedlichen Materialien bestehen – und soll sich dennoch ausgezeichnet fahren lassen. Als Folge des reduzierten Materialeinsatzes werden 77 Prozent eines Skis am Ende wiederverwertbar sein – 35 Prozent Aluminium, 35 Prozent Holz und 7 Prozent Stahl, schlüsselt Rossignol auf. Weitere 17 Prozent seien thermisch verwertbar – bleiben bloß 6 Prozent unverwertet. 

Die im französischen Sallanches gefertigten Ski werden allerdings ebendort zurückgenommen, begutachtet, wenn möglich repariert und als „Second-Life-Ski“ zum Verkauf angeboten werden, kündigt Rossignol auch an. Nur nicht reparierbare Exemplare sollen also in den Recyclingprozess. Damit die ausgedienten Ski wirklich den Weg zurück zu Rossignol finden, werden sie nur über Partnergeschäfte sowie auf Rossignol.com verkauft, ein QR-Code auf dem Ski wird verraten, wo sein ­Besitzer die nächste Sammelstelle findet.

Scott: Flachs und Rizinus
Geholfen ist der Umwelt auch, wenn Natur- und Recyclingmaterialien in möglichst großem Ausmaß ihren Weg in Ski und Skischuhe finden. In diesem Winter neu auf dem Markt ist der Scott Superguide LT 95. Für seinen besonders nachhaltigen (Touren-)Ski bekam Scott im letzten Winter einen ISPO Award mit der Begründung verliehen: „umweltfreundlich hergestellt, gleichzeitig nichts an Performance-Eigenschaften eingebüßt“. Was steckt dahinter bzw. im Ski drin? Mehr als die Hälfte des Gesamtgewichts des Skis, der zum „Resource by Scott“-Programm gehört, besteht aus ökologischen Materialien. Der Kern ist aus zertifiziertem Pappelholz, das aus nachhaltiger europäischer Forstwirtschaft stammt, zur Dämpfung kommt anstelle von Carbon eine natürliche Flachsfaser zum Einsatz. In der Deckschicht des Skis stecken Rizinusbohnen. Dazu bestehen der Belag zu 50 Prozent und die Kanten zu 20 Prozent aus recyceltem Material.

60 bis 70 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Skis liegen in seinen Bestandteilen.

Salomons MTN-Serie
Auch Salomon geht mit seiner MTN-Tourenski-Serie für den Winter 2022/23 den Weg nachhaltigen Materials: Sowohl Ski als auch Skischuhe der Serie bestehen zu rund 40 Prozent aus Recycling-Material. „Bei allen Ski werden recycelte Materialien in der Deckplatte, recyceltes ABS-Material im Belag und eine nachhaltige Korkeinlage verwendet“, sagt Quentin Boutry, Produktmanager für Ski und Skischuhe beim französischen Hersteller. „Alle MTN-Schuhe verwenden mehr als 50 Prozent recycelte ­Materialien in der Sohle, recycelte Elemente im Innenschuh und Elemente aus biologischem Anbau in Schale und Manschette.“ Das alles ohne Einschränkung in der Performance – im Gegenteil: Die MTN-Reihe soll bergauf so gut sein wie jeder andere Mitbewerber am Markt und bei der Abfahrt der ­Beste seiner Klasse – so lautet das Versprechen von Salomon.

Dalbellos „grüne“ Jugendskischuhe
Noch ein Blick nach Italien: Aus Asolo kommen die Skischuhe Green Manace und Green Gaia – als erste Produkte von Dalbellos „Reboot“-­Programm. Die insgesamt vier Jugendskischuh-Modelle bestehen am Gewicht gemessen aus bis zu 90 Prozent recycelten Materialien – und sie lassen sich zu Ende ihrer Lebensdauer zu 100 Prozent dem Wiederverwertungs-Prozess zuführen. „Kinder wachsen schnell aus dem Schuh heraus, was zu einem kürzeren Produktlebenszyklus führt. Um die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten, wollen wir die Produktion der Schuhe nahezu vollständig auf recycelte Materialien umstellen“, heißt es von den Italienern zu den Nachwuchs-Skischuhen.

Wie funktioniert das? Schale und Schaft des Schuhs bestehen aus wiederverwertetem Kunststoff und recycelten Materialien aus der unternehmenseigenen Produktion – aus aufbereitetem Plastikabfall, der beim Einspritzen von Kunststoffkomponenten anfällt. Stoffe und Schaumstoffe des Innenschuhs sind vollständig aus recycelten Materialien hergestellt – etwa TPU-Schaumstoffe für das Futter, recyceltes EVA für den Kragen des Innenschuhs sowie recyceltes Polyester. Auch die Schnallen aus Aluminium und Stahl werden besonders nachhaltig produziert: etwa mit ­einer Niedertemperatur-Pulverbeschichtung, die 35 Prozent weniger Energie als eine herkömmliche ­Beschichtung benötigt.