„Pistentourengehen". So widersprüchlich schon der Name klingt, so gegensätzlich sind auch die Meinungen über diesen Trendsport. Ist es bloß gefahrloses Skitourengehen oder vielmehr eine potienzielle Gefahrenquelle? Ist es perfektes alternatives Fitnesstraining oder bloß „sinnloser Sport"? Die Suche nach Antworten – und Lösungen ...


Irgendwie erinnert die leidige Diskussion an die erste Snowboarderwelle in den Neunzigerjahren, als sich die traditionellen Pistenskifahrer von den neuen „Brettlhüpfern" behindert und gefährdet fühlten. Und auch bei den Seilbahnbetreibern war gleich Feuer auf dem Dach, weil sie in den auf den Pisten herumsitzenden Snowboardern eine konkrete Gefahrenquelle orteten. Wir wissen alle, wie das vermeintliche Dilemma endete: Die einstigen „Feindbilder" gehören längst zum alltäglichen Bild auf unseren Skipisten. Skifahrer und Snowboarder leben in harmonischer Eintracht.

Beim „Skibergsteigen auf der Piste" hat sich die Lage zwar in den letzten Jahren auch etwas entspannt – völlig verstummt aber sind die Diskussionen rund um diesen relativ neuen Sport noch lange nicht. „Es ist in erster Linie die Seilbahnwirtschaft, die vielerorts mit sehr lauten Worten noch immer ein Verbot dieses – aus ihrer Sicht – ,völlig unsinnigen Sports' fordert", sagt Karl Posch, der sich mit seiner Sportagentur als ehemaliger Präsident und sportlicher Leiter des Skitouren-Verbandes SKIMO unter anderem auch vehement dafür einsetzt, dass beim Pistentourengehen die beiden feindlichen Lager irgendwann einmal doch friedlich miteinander auskommen.

GEFAHRLOSES AUFSTEIGEN
„Es ist nun einmal Tatsache, dass das Pistentourengehen Jahr für Jahr mehr Anhänger findet. Aus dreierlei Gründen: Für viele Bewegungshungrige ist im Winter die abendliche Skitour die optimale Alternative zum Joggen nach Feierabend oder zum Austoben im Klettergarten. Dass für dieses Fitnesstraining sowohl die Wetterlage als auch die Orientierung keine Probleme bereiten, ist ein zusätzlicher Bonus", weiß Posch, der das Pistengehen auch als natürliche Folgeerscheinung des generellen Wachstums der Skitouren-Branche sieht: „Nicht jeder der mittlerweile weit über 500.000 Tourengeher in Österreich kann auf alpine Erfahrung und Kompetenz zurückgreifen. Das Pistengehen schafft dieses Sicherheitsgefühl, gerade bei denen, die das Skibergsteigen in erster Linie aus Fitnessgründen betreiben. Ebenso fällt damit auch die mögliche Angst vor einer Abfahrt im unverspurten, womöglich unfahrbaren Schnee weg, ebenso wie die Sorge betreffend Lawinengefahr."

Und nicht zuletzt ist es auch die Schneesicherheit, die für die Tourengeher dank der Beschneiungsanlagen im Pistenbereich jederzeit gegeben ist, während im Gelände womöglich diesbezüglich Flaute herrscht. Bei all diesen Vorteilen ist den meisten Pistentourensportlern schon klar, dass sie hier auf eine Infrastruktur zurückgreifen, die ursprünglich nicht für sie gemacht wurde. „Umfragen der ARGE Skibergsteigen zeigen aber", sagt Posch, „dass 71 Prozent der Tourengeher durchaus bereit sind, eine Benützungsgebühr zu zahlen – wenn damit alle rechtlichen Rahmenbedingungen inklusive des beim Pistenskifahren üblichen Versicherungsschutzes gegeben wären."

Karl Posch / Bild: KKKARL POSCH betreibt die ­Agentur Sport Consult in Gosau/OÖ. Als Profi für Entwicklung und Marketing im Ausdauersport wurde er zur treibenden Kraft im Skitourensport in Österreich, war Präsident des ersten ASKIMO-Verbandes und bis zuletzt Koordinator des ÖSV-Nationalteams der Skibergsteiger.
Als Geschäftsführer von ­SKIMO Austria kümmert sich Posch unter anderem auch um die Kernentwicklung dieser Sportart, so auch um die Regelung des Pistentourengehens.

Kontakt: www.sportconsult.cc, www.skimo.at


DIE STÖRFAKTOREN
Womit wir auch schon bei den wichtigsten Argumenten der Gegner des Pistengehens sind – die Karl Posch hier definiert und denen er gleich aus seiner Sicht entgegnet:

  • Behinderung der (zahlenden) Skifahrer im laufenden Liftbetrieb und die Gefahr von Zusammenstößen: „Das wirkliche Problem ist wohl eher in der allgemeinen Überfüllung der Pisten zu orten. Die Aufstiegshilfen werden immer leistungsstärker, die Pisten aber kaum breiter. Ich denke nicht, dass die paar am Rand aufsteigenden und später auf der Piste abfahrenden Tourengeher für eine gefährliche Überfüllung sorgen."
  • Die Haftungsängste der Seilbahnbetreiber und die psychische Belastung der Pistengerätfahrer bei abendlichen Touren: „Natürlich birgt das eine große Gefahr, wenn Tourengeher auf bereits gesperrten und zu präparierenden Pisten unterwegs sind. Aber bei einer zeitlichen Reglementierung des Tourengehens ließe sich dieser Punkt schnell lösen. Die Sperre von Pisten ausschließlich bei Windenpräparierung wäre in diesem Fall aber verständlicher als präventive Totalsperren", sagt Posch, der vor allem auch Klarheit bei der Absperrungsart urgiert: „Ein dünnes Absperrband und ein Drehlicht sind bei Lebensgefahr einfach zu wenig. Zudem müsste von den Seilbahnbetreibern mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, denn kaum jemand weiß, was das Seil einer Winde anrichten kann."
  • Zerstörung der frisch präparierten Pisten durch das Abfahren der Tourenfahrer: „Dieses Problem besteht aus meiner Sicht tatsächlich nur an wenigen Tagen im Frühjahrsschnee. Die Stoßzeit beim Pistengehen geht aber eindeutig nur bis Ende Jänner. Eine klare Regelung für die Tage mit problematischen Schneebedingungen würde von den Tourengehern sicher akzeptiert werden."

KEINE KLARE RECHTSLAGE
Wie sind nun die aktuellen Voraussetzungen für eine echte Lösung der Problematik? Fakt ist: Es gibt (noch) keine allgemeingültige Aussage über die Erlaubnis, auf Pisten aufzusteigen, die sowohl von Seilbahnbetreibern einerseits und manchmal sogar militanten Tourengehern andererseits beschworene „klare Rechtslage" ist nicht in Sicht. Fakt ist aber auch: Immer mehr Skigebiete schwenken um und akzeptieren die Tourengeher auf ihren Anlagen. Manchmal zeitlich gestaffelt, manchmal örtlich reguliert, aber immerhin. Die ARGE Skibergsteigen hat mit der Webseite „skitourengehen.info" eine Datenbank aufgebaut, in der die unterschiedlichen Regelungen auf den Skibergen im deutschsprachigen Raum übersichtlich dargestellt sind. Jeder Pistengeher kann sich hier tagesaktuell über die Möglichkeiten in seiner Region informieren.

Die alpinen Vereine in Österreich, Naturfreunde, Alpenverein und Co., erfüllten ihren Teil zum friedlichen Miteinander übrigens bereits im Jahr 2004 und verfassten gemeinsam zehn Verhaltensregeln für Tourengeher nach dem Muster der FIS-Regeln für Skifahrer (siehe Kasten unten). Das Ganze erinnert sehr an die Situation bei den Mountainbikern, wo es ebenfalls eine eklatante rechtliche Grauzone gibt, individuelle regionale Absprachen aber sehr wohl für eine Problemlösung und damit für ein halbwegs harmonisches Miteinander aller Outdoorsportler, aber vor allem auch für einen nicht unerheblichen tourismuswirtschaftlichen Nutzen sorgen.

WINTERTOURISMUS PROFITIERT
„Auch im Fall der Tourengeher auf Pisten wäre ein Umdenken sinnvoll", hofft Karl Posch, „der Wintertourismus ist nicht nur bestimmt durch das Zählwerk an der Seilbahn-Talstation. Kleinere Skidestinationen können sich über die Schiene Pistentourengehen durchaus Wettbewerbsvorteile erarbeiten und sich so von der Investitionsspirale des alpinen Skilaufs lösen. Hier sind in erster Linie auch die Tourismusverantwortlichen gefordert." Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene sollte seiner Meinung nach darüber nachgedacht werden, reine Aufstiegsspuren einzurichten. „Dadurch könnte eine Entlastung der Hauptpisten herbeigeführt werden. Und die verhältnismäßig geringen Kosten für Gestaltung und Erhaltung dieser Spuren könnten den verschiedenen Fördergebern als volksgesundheitlich sinnvolle Alternative zur x-ten Schneekanone schmackhaft gemacht werden."

Die ARGE Skibergsteigen befasst sich seit über 10 Jahren positiv mit der Thematik. Gründer DI Rainer Lampl: „Seilbahnbetreiber und Tourismusverantwortliche sind auf ihren lokalen Standorten ohnehin innovativ, die Diskussion bleibt längst nicht mehr bei der Parkplatzgebühr stehen. Vielmehr kommt man drauf, dass der Tourensport viele Leute auf die Ski bringt, die sonst vielleicht nie auf Schnee unterwegs wären. Ein vielfältiges Skiangebot bringt auch mehr und längere Urlaube ganzer Familien, weil jeder genau seinen Sport ausüben kann. Die Entwicklung ist eindeutig zu erkennen – eine positive Bewegung ist in Gang."

10 EMPFEHLUNGEN FÜR PISTENTOUREN
Erstellt vom Österr. Kuratorium für ­Alpine Sicherheit
1. Warnhinweise und lokale Sperren beachten.
2. Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils ist Folge zu ­leisten. Beim Einsatz von Pisten­geräten – insbesondere mit Seilwinden – oder bei Lawinen­sprengungen kann es zu lebensgefährlichen Situationen kommen. Pisten können daher aus ­Sicherheitsgründen für die Dauer der Arbeit gesperrt sein.
3. Nur am Pistenrand und ­immer hintereinander aufsteigen.
4. Queren der Piste nur an übersichtlichen Stellen – und mit ­genügend Abstand zueinander.
5. Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren.
6. Bis spätestens 22:30 Uhr oder einer anderen vom Seil­bahn­unternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen.
7. Sichtbar machen! Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Stirnlampe, reflektierende Kleidung etc. verwenden.
8. Sind Pisten eigens für Pisten­tourengeher gewidmet, nur diese benutzen.
9. Hunde sind nicht auf Pisten ­mitzunehmen.
10. Ausgewiesene Parkplätze ­benutzen und allfällige Parkgebühren entrichten.



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