Nachhaltige Laufschuhe 2021: Der Kreis schließt sich

Laufschuhe und Umweltverträglichkeit? Das ist ein heikles Thema, bei dem sich aber gerade viel verändert. Große Unternehmen wie Salomon, On, Adidas und Brooks treiben die „Ökologisierung der Laufschuhe“ voran.

Christof Domenig
Christof Domenig


Sie sollen bequem sein, gut dämpfen und zugleich „reaktiv“ sein – also möglichst viel der beim Aufprall absorbierten Energie wieder abgeben und in Vortrieb umwandeln. Die Anforderungen an moderne Laufschuhe sind hoch. In jüngster Zeit stehen Hersteller von Konsumgütern aller Art zugleich vor einer zusätzlichen Herausforderung: Produkte sollen einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Das wünschen nicht nur immer mehr Konsumenten, es ist auch objektiv ein Gebot der Zeit.

Im Fall von Laufschuhen ist das aber mit einigen Schwierigkeiten verbunden: Die eingangs erwähnten Eigenschaften lassen sich mit hochmodernen Kunststoffen, die aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden, am besten erfüllen. Und ein sinnvolles Recycling von Laufschuhen am Ende ihres Produktlebens war bislang kaum möglich. Alternativen, etwa Laufschuhe aus nachwachsendem und abbaubarem Material, waren allenfalls Nischenprodukte kleinerer Hersteller wie der französische „Veja Condor“.

2021 kommt nun aber deutlich Bewegung in die Sache. Auch große Hersteller sind dabei, den ökologischen Fußabdruck von Laufschuhen deutlich zu verringern:

  • Salomon kommt ab März mit seinem ersten komplett recycelbaren Laufschuh, dem „Index 01“, auf den Markt.
  • Der On Cyclon wurde Anfang Februar auf der heuer online abgehaltenen weltgrößten Sportmesse ISPO mit dem Award als „Product of the Year“ (Kategorie Running & Fitness) sowie einem Nachhaltigkeits-Award ausgezeichnet. Beim On-Schuh fällt auch das Vertriebsmodell auf: Er wird ab Herbst 2021 nicht zu kaufen, sondern über ein Abo-Modell zu beziehen sein.
  • Adidas bringt jetzt im Frühling den „Ultraboost DNA Loop“ als bewusst nachhaltiges Modell auf den Markt.
  • Brooks setzt nicht auf ein einzelnes, „grünes“ Schuhmodell, sondern ist dabei, die Laufschuhe generell nachhaltiger zu gestalten. So sollen etwa bis zum Jahr 2023 die Polyester- und Nylonbestandteile aller Schuhe der ­Marke zu 100 Prozent aus recyceltem Material bestehen.

Wir haben bei den vier Herstellern nachgefragt – über die Schwierigkeit, Laufschuhe umweltverträglich zu gestalten. Über aktuelle und geplante Initiativen in diesem Bereich. Und darüber, wie man Laufschuhe pflegen sollte und wie lange man sie sinnvollerweise verwenden kann: Länger nutzen ist einerseits schließlich ein Beitrag zur Nachhaltigkeit – andererseits darf man nicht vergessen, dass die gesundheitsrelevanten Dämpfungseigenschaften mit der Zeit nachlassen.

Salomon: Aus Laufschuhen werden Skischuhe
„Laufschuhe sind ein komplex zu recycelndes Produkt, da sie üblicherweise aus sehr vielen verschiedenen Materialien bestehen: Leder, EVA, Gummi, TPU, Polyester, Polyamid“, erklärt Olivier Mouzin, der Leiter von Salomons Laufschuh-Nachhaltigkeitsprogramm. „Es gibt nicht wirklich eine Möglichkeit, all diese Materialien am Ende des Schuhlebens zu trennen, deshalb landen die Schuhe oft auf einer Deponie oder werden verbrannt.“ Der Salomon Index 01 sei nun dagegen aus lediglich zwei Materialien konstruiert, so dass er am Ende seiner Lebensdauer wieder auseinandergenommen und recycelt werden könne, erklärt Mouzin. Zu Ende gelaufene Index-01-Schuhe werden von Salomon verwertet und zu Shirts und Skischuhen verarbeitet.

Ende 2019 war der Index 01 als Konzeptschuh erstmals vorgestellt worden, ab März 2021 ist er nun zu kaufen. Als kompromissloser Performance-Laufschuh: „Jedes nachhaltige Produkt erfüllt dieselben Erwartungen wie ein traditionelles“, betont man bei Salomon.

Allgemein zur Umweltfreundlichkeit von Laufschuhen schrieb uns Salomon auch: „Es gibt mehrere Wege ein Produkt umweltfreundlicher zu machen als bisher: Materialien, Produktionsstätten, Versandwege von den Produktionsstätten, die Langlebigkeit. Oder: was passiert mit dem Produkt nach der Lebensdauer – Thema: Müllreduktion.“Salomon arbeite hier an vielen unterschiedlichen Punkten, zum Beispiel:Ab Sommer 2022 beginnen wir mit der lokalen Europaproduktion, welche die Transportwege zum Konsumenten verkürzt.Der Großteil der Produkte werden in Zukunft aus bereits recycelten Grundstoffen bestehen.

Und: „Auch die Arbeitsprozesse, die nicht direkt mit dem Produkt verknüpft sind, müssen berücksichtigt werden: Daher zielt das ‚Salomon Play Minded Program‘ auch auf andere Komponenten ab, um ganzheitlich nachhaltig zu sein, etwa die Reduzierung von Emissionen. Bis 2030 wollen wir 30 Prozent der CO2-Emissionen reduzieren und bis 2050 CO2-neutral sein.“

On: Rizinusbohne und Abo-Modell
„Nachhaltigkeit ist die größte Herausforderung unserer Generation. Menschen sind gewohnt, Produkte zu kaufen – aber nicht, sie wieder zurückzubringen.“ So erklärt Caspar Coppetti, Mitgründer von On, das aus seiner Sicht bedeutendste ökologische Dilemma von Laufschuhen. „Dieses Verhalten möchten wir ändern. Nur so können wir wichtige Ressourcen wieder und wieder verwenden.“

Das Material des On Cyclon wird aus der Rizinusbohne gewonnen, „dadurch kann der Schuh vollständig recycelt werden. Es entsteht kein zusätzlicher Abfall“, beteuert Coppetti. Damit die Schuhe aber auch wieder beim Schweizer Hersteller statt im Müll landen, hat sich On das Abo-Modell überlegt: „Mit dem Abonnement wird dir regelmäßig ein frischer Schuh nach Hause geschickt – immer mit der neusten Technologie. Dafür benötigen wir jedoch den alten Schuh zurück. Diesen können wir dann zu einem neuen Schuh recyceln, ohne neue Materialien produzieren zu müssen“, erklärt Coppetti. 29,95 Euro pro Monat wird das Schuh-Abo kosten und ab Herbst 2021 angeboten.

Dass der Cyclon-Schuh auf der ISPO mit dem Preis als „Product of the Year“ in der Kategorie Running & Fitness ausgezeichnet wurde, freut Coppetti natürlich: „Das ‚On Innovation-Team‘ hat hart daran gearbeitet, unsere Vision von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zum Leben zu erwecken. Das Projekt Cyclon ist ein kleiner Schritt, der hoffentlich andere Partner in der Branche inspiriert.“ Zur Frage, wie lange man Laufschuhe generell nutzen kann, heißt es von On: „Die Lebensdauer hängt von vielen Faktoren ab – dem Laufstil und Gewicht des Läufers sowie dem Trainingsuntergrund. Normalerweise halten Laufschuhe von On und der meisten anderen Hersteller für eine Distanz zwischen 480 und 800 Kilometer, je nach Modell und Material.“

Pflegetipps: „Verdreckte Laufschuhe sollten nach der Benutzung bevorzugt mit einer Bürste gereinigt werden. Nach Möglichkeit sollten Laufschuhe nur im Ausnahmefall in der Waschmaschine gesäubert werden – mit kaltem Wasser, ohne Waschmittel und im Schonwaschgang.

Adidas: Ein Material von Sohle bis Schuhband
„Die größten Herausforderungen einer nachhaltigen Produktion sind die komplexen Materialmischungen sowie der Einsatz von Klebstoff. Gerade die Zwischensohlentechnologien lassen sich schwer nach diesen Kriterien aufbereiten. Auch, weil wir bei der Funktionalität der Laufschuhe keine Kompromisse eingehen“, erläutert Alexander Oberhofer von Adidas Running. Anders als herkömmliche Laufschuhe „besteht der Ultraboost DNA Loop von der Sohle bis zum Schnürsenkel aus einem einzigen Material und wird ohne Klebstoff verschweißt. Der Schuh kann am Ende seiner Lebenszeit komplett geschreddert und wiederverwendet werden“, erläutert Oberhofer.

Letzten Herbst wurde der Schuh von Adidas erstmals an Interessenten verlost, diesen Frühling kommt nun das Nachfolgemodell „in einer größeren Stückzahl“ in der Handel. Bereits seit 2015 kooperiert Adidas außerdem mit der Umweltorganisation Parley for the Oceans: In den „Parley“-Schuhen kommt seither aus dem Meer und an Stränden gesammelter Plastikmüll zum Einsatz. „Allein im Jahr 2020 haben Adidas und Parley im Rahmen dieser Kooperation knapp 7000 Tonnen Plastikmüll eingesammelt,“ erklärt Oberhofer, „das entspricht rechnerisch rund 350 Millionen Plastikflaschen.“ Und: „2021 werden wir 17 Millionen Paar Schuhe mit diesem recycelten Plastikmüll herstellen“.

Zur Frage, wie lange man Laufschuhe verwenden kann bzw. die Lebenszeit durch Pflege verlängern kann: „In der Regel kann man unsere Laufschuhe 500 bis 600 Kilometer tragen. Die Abnutzung ist jedoch vom individuellen Laufstil abhängig und kann daher abweichen.“ Adidas‘ Schuhe mit „Boost“-Material hätten grundsätzlich eine längere Lebensdauer als solche mit EVA-Sohlen. „Wir empfehlen immer den Einsatz von verschiedenen Laufschuhen im Trainingsalltag, so stellt sich der Körper auf unterschiedliche Schuhbauweisen ein und bleibt dadurch wesentlich flexibler.“

Brooks: 8 PET-Flaschen in einem Schuh
„Laufschuhhersteller stehen im Bereich Nachhaltigkeit definitiv vor einigen Herausforderungen – die wir bestmöglich angehen“, sagt auch Bastian Hübschen, Territory Director Central von Brooks Running. „Wichtige Punkte sind das Design und der Produktionsprozess. Die größte Herausforderung ist es, Produkte mit höchsten Qualitätsansprüchen herzustellen und gleichzeitig nachhaltige Materialien zu verwenden. Unser Schuhteam hat sich in den letzten Jahren darauf konzentriert, nachhaltigere Materialien in unsere Schuhe einzubauen.“

Zum Stand der Dinge: „2021 möchten wir weiter Fortschritte machen und zum Beispiel die Nutzung von recyceltem Polyester in unseren Schuhen erhöhen. Für jeden Brooks Ghost werden vier recycelte Plastikwasserflaschen wiederverarbeitet – verglichen mit 1,5 Flaschen in 2020. Beim Brooks Levitate sind es sogar acht Flaschen. Ziel ist es, bis 2023 100 Prozent von unseren Polyester- und Nylontextilien aus recyceltem Material herzustellen.“ Nicht nur im Bereich Laufschuhe, Brooks arbeite generell an einer Reduzierung von Umweltauswirkungen, etwa „Co2-Emissionen gegen Null zu fahren“, erklärt Hübschen. Und: „Brooks ist der Überzeugung, dass der Klimawandel dringende Handlungen erfordert. Deshalb haben wir im Dezember 2020 den Climate Pledge unterschrieben, um bis 2040 klimaneutral zu sein. 10 Jahre bevor es das Pariser Klimaabkommen vorsieht.“

Auch von Brooks haben wir Tipps für eine lange Nutzbarkeit von Laufschuhen eingeholt: „Unser Ziel ist es, die Produkt-Performance und Haltbarkeit zu maximieren. Bei Brooks-Schuhen ist der erste Kilometer genauso gut wie der 800. Kilometer. Nach etwa 800 gelaufenen Kilometern empfehlen wir, die Schuhe im Alltag weiter zu tragen, um die Lebensdauer noch zu verlängern.“

Bezüglich Pflege: „Wir empfehlen, die Schuhe regelmäßig zu reinigen und von Erde oder Schlamm zu befreien. Hilfreich ist es, für den gröbsten Schmutz eine Bürste zu nutzen oder mit einem Mikrofasertuch und lauwarmem Wasser den Schuh zu reinigen. Ganz wichtig: Den Laufschuh niemals in die Waschmaschine geben!“

Ein langes Leben für Laufschuhe

Laufschuhe aus ökologischen Gründen möglichst lange zu laufen, ist zwar keine sehr gute Idee: Denn die gesundheitsrelevanten Dämpfungseigenschaften lassen mit der Zeit nach. Doch man kann dafür sorgen, dass die Schuhe ihr vorgesehenes Lebensalter auch erreichen:

  • Zwischen rund 500 bis 800 Kilometer können Laufschuhe zum Laufen verwendet werden – abhängig vom Modell, aber etwa auch vom Laufstil.
  • Im Trainingsalltag immer mehrere Paar Schuhe abwechselnd verwenden.
  • Zur Pflege die Schuhe regelmäßig reinigen und von Erde oder Schlamm befreien. Für den gröbsten Schmutz eine Bürste nutzen oder mit einem Mikrofasertuch und lauwarmem Wasser den Schuh reinigen.
  • „Schuhe nie in der Waschmaschine waschen“, ist die Empfehlung von Brooks. „Nur im Ausnahmefall in der Waschmaschine säubern, mit kaltem Wasser, ohne Waschmittel und im Schonwaschgang“, heißt es zum  selben Thema von On.