Die „MountainbikeInitiative Austria“ will heuer durchstarten und dem boomenden Freizeitsport eine gemeinsame Stimme geben. Wie weit ist man und was will man eigentlich erreichen?

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Vielleicht wird man sich später daran erinnern, dass durch die Lockdowns die Zahlen nach oben gegangen sind und die Pandemie für das Mountainbiken in Österreich sehr, sehr positiv war. Nicht nur wegen der schieren Anzahl der Freizeitbiker draußen. In dieser Zeit haben sich quer durch Österreich nämlich auch ein paar Menschen zusammengetan, um das Biken organisatorisch und als Idee weiterzubringen. „Im ersten Lockdown hat es begonnen“, erinnert sich Christoph Berger-Schauer, „da hatten alle plötzlich viel Zeit.“ Bis zum Herbst hat man schon erheblich an Fahrt aufgenommen und einiges zusammengetragen, was sich später als „Mountainbike Initiative Austria“ (MIA) herauskristallisieren sollte.

„Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft aus motivierten Menschen, verteilt in ganz Österreich, die sich der Situation des Mountainbikens in Österreich annehmen und sie verbessern möchte. Als ehrenamtliche Initiative gestartet, wollen wir im Dialog mit allen Lebensraumpartnern etwas bewegen.“ So lautet das „Mission Statement“ der MIA. „Dazu haben wir uns alle gemeinsam auf ein paar Eckpfeiler geeinigt, die das Grundgerüst tragen“, erzählt Lisa Ribarich, auch eine aus dem Kernteam. Neben Ribarich, die beruflich für den Niederösterreich-Tourismus das Thema Mountainbike betreut, und Berger-Schauer, sonst als Chefredakteur des Szene-Magazins „Lines“ tätig, zählen auch noch Rene Sendlhofer-Schag, Alex Pinter, Nina Kraxner, Markus Pekoll, Hari Maier, Max Hofstätter, Herbert Ribarich, Christoph Malin und Steffen Arora zu den Initiatoren – eine bunte Truppe an exzellent vernetzten Menschen quer durch Österreich. 

Man startete einen Onlineaufruf mit Newsletter, Social Media und Kontaktformular auf der Website www.mtb-austria.at, worauf sich auf Anhieb 200 Biker meldeten. „Das hat uns echt bestärkt“, so Berger-Schauer. „Völlig Unbekannte haben sich bei uns vorgestellt und sofort zu netzwerken begonnen.“ Auf einer Onlineplattform hat man vier Aufgabenbereiche angelegt, wo virtuell angepackt wird. Rund 70 Mountainbikerinnen und -biker sammeln dort aktuell Daten und Kontakte. Ganz oben soll noch ein deklariertes Führungsteam aus zwei, drei Personen definiert werden, daran kiefelt man gerade. Wirtschaftlich und politisch unabhängig soll der Kopf und damit die gesamte Initiative sein, die aus einer losen Interessensgemeinschaft zu einem Verein werden soll. „Verein klingt jetzt im ersten Moment nicht sonderlich cool“, weiß Ribarich, „aber ich denke, es wird wieder modern, sich in der Gesellschaft für eine gute Sache zu engagieren.“ Die MIA ist offen für alle, sieht sich auch als Vertretung aller Mountainbikevarianten, von gemütlichen Forststraßenfahrern bis zu den Trailbikern und Downhillern, will bei Skepsis und Ablehnung positive Antworten geben, versteht sich als Konfliktlöserin – und sie ist nach wie vor auf der Suche nach neuen Kräften. Berger-Schauer: „Alles ist work in progress.“

Demnächst will die MIA eine Art „Bike-Wiki“ online haben, eine Wissenssammlung zum Thema Mountainbike in Österreich, mit Zahlen, Studien, Ansprechpartnern und Infos zum Thema Haftung, Streckenbau et cetera. „Noch verläuft in Österreich viel im Sand, weil es keine Organisation des Bikens als Freizeitsport gibt“, weiß er. Und Ribarich ergänzt: „Jeder Reiter weiß, wohin er sich wenden soll, hat Ansprechpartner und Strukturen. Der Freizeitbiker weiß gar nichts.“ Deshalb hat sie sich auch schon kurzerhand im Bikezentrum Anninger einfach in den Wald gestellt und Biker angesprochen. 

Was bislang am Weg die größten Stolpersteine sind? Dass das Mountainbiken im Freizeitbereich, wenn es eben nicht verbandsnaher Wettkampfsport ist, sehr unorganisiert ist, sich schwer als Ganzes angreifen lässt. Und dass die Sache natürlich für alle in der MIA Engagierten sehr zeit­intensiv ist. Lockdown hin oder her.

Die Eckpfeiler der MIA

Verbinden
Mountainbiken in all seinen Spielarten ist das, was uns verbindet. Wir sind viele und immer mehr Menschen entdecken diesen Sport für sich. Doch uns fehlt die gemeinsame Stimme, um die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die wachsende Zahl an Mountainbikerinnen und Mountainbikern ihren Sport im Einklang mit den Grundeigentümern, der Natur sowie allen anderen Erholungssuchenden oder Waldnutzerinnen und Waldnutzern ausüben kann. Unser Ziel als Mountainbike Initiative Austria (MIA) ist es, die gemeinsame Stimme für das Miteinander zu werden. 

Helfen
Wir wollen keine bestehenden Initiativen, Vereine oder Verbände ersetzen, sondern sie vielmehr zusammenführen. Als politisch und wirtschaftlich unabhängige Plattform ist unser Anspruch, die Mountainbikeszene Österreichs allumfassend zu vertreten und ihr zugleich als Ansprechpartner zu dienen. Aus der Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure soll dieser Stimme nach außen hin ihr Gewicht und ihre Ernsthaftigkeit erwachsen. Nach innen soll sie als Anlaufstelle, Wissenspool und helfende Hand dienen, nach der jede Mountainbikerin und jeder Mountainbiker, ob einzeln oder in Gruppen organisiert, greifen kann, wenn Unterstützung benötigt wird. Wir wollen unser aller Netzwerk und unsere unterschiedlichsten Expertisen zur Verfügung stellen.

Lösen
Wir alle lieben es, mit dem Fahrrad in Wäldern und auf den Bergen die Natur zu genießen. Doch der Mountainbikesport in ganz Österreich stößt vielerorts noch auf Skepsis oder Ablehnung. Die rechtliche Lage, die das Befahren von Forst- und Wanderwegen grundsätzlich untersagt, verschärft diese Situation. Wir verstehen uns als Konfliktlöser, indem wir den Stellenwert des Mountainbikens in der Gesellschaft aktiv fördern. Der Gesundheitsaspekt und die Nachhaltigkeit sind Themen, die dem Zeitgeist entsprechen, das Mountainbike verkörpert sie wie kaum ein anderes Sportgerät.

Mehrwert
Neben der aktiven Unterstützung bei der Schaffung neuer Angebote und Möglichkeiten für den Mountainbikesport wollen wir all unseren Vereinsmitgliedern auch Mehrwert in Form von Versicherungsleistungen, Fahrtrainings und Fortbildungen bieten. 

Akzeptanz
Wir wollen jene ansprechen, die uns gegenüber noch Vorbehalte haben, und ihnen zugleich als Ansprechpartner dienen. Die Bedürfnisse anderer Erholungsuchender, aber auch die der Forstwirtschaft, der Jagd und des Naturschutzes müssen akzeptiert werden. Im Gegenzug wollen wir Akzeptanz für unsere Anliegen erreichen, indem wir aufeinander zugehen und den Dialog suchen.

Stimme
Gemeinsam wollen wir für die Rechte und Pflichten der Mountainbikerinnen und Mountainbiker eintreten und sie dort, wo es nötig ist, auch einfordern. All das mit Bedacht, ohne neue Konflikte vom Zaun zu brechen. Unser Ziel sind Lösungen. 

Mia san mia: freie Fahrt für die "Mountainbike Initiative Austria"

Markus Pekoll im Interview mit Christoph Heigl

Ex-Mountainbike-Profi und Weltcup-Downhiller Markus Pekoll (33) ist seit Februar Mountainbike-Koordinator des Landes Steiermark. Der Schladminger setzt auch auf seine landwirtschaftliche Ausbildung und Erfahrungen in Land- und Forstwirtschaft.

Markus, wie waren die ersten Arbeitstage als „Downhill-Politiker“?
(Lacht) Am Papier bin ich Verwaltungsbeamter des Landes Steiermark, kein Politiker. Es geht mir um Wissen austauschen, vernetzen und überzeugen. Sowohl aus der Bikerecke als auch aus der Land- und Forstwirtschaft und von den Jägern habe ich zum Amtsantritt sehr positive Signale bekommen. Ich kann mich da gut positionieren, weil ich beide Seiten verstehe, und freue mich über die Konsensbereitschaft. Es muss was passieren, das erkennen jetzt auch die Letzten. Und dass es nicht mit dem Beharren auf Extrempositionen geht, sondern mit Zusammenarbeit. Mein Standing als Landesbeamter macht es etwas einfacher, weil das Thema Mountainbike dadurch endlich Gewicht und Seriosität bekommt.

Du hast dir 100 Tage als erste Frist gesetzt?
Ich habe mir einen 100-Tage-Plan erstellt, mache aktuell sehr viel Kommunikationsarbeit mit unzähligen Terminen und stimme mich mit anderen Bundesländern ab, etwa Oberösterreich und Salzburg. Die Bikethemen reichen von Beschilderung und ÖNORM samt ­Monitoring bis hin zur Digitalisierung der Angebote. Dann will ich den Status quo der Steiermark haben: Wo gibt es was?

Welche Ideen möchtest du entwickeln?
Ich denke an Pumptracks in urbanen Räumen, wo Kinder das Radfahren lernen, dann an Mini-Trailcenter in Stadtnähe, wo man am Nachmittag oder Feierabend auf legalen Strecken fahren kann. Dort am Stadtrand kann man auch das richtige Verhalten in der Natur üben. Was ist die Dämmerungszeit? Überhaupt würde ich mir wünschen, dass man mehr voneinander lernt. Mountainbiker lernen von Jägern, was die Äsungszeit ist, und Biker erklären den Förstern die Low-Speed-Compression der Federgabel (lacht). Es geht um Respekt und Wertschätzung. Ich werde mit allen reden und setze auch auf die engagierte Bike-Community zwischen Schladming, Kreischberg, Bruck und dem Grazer Umland. Die Steiermark hat echt viel zu bieten und es wird eine coole Zukunft. Aber auch das braucht Zeit und Wunderwuzzi bin ich keiner.

Kritiker sagen, geredet wird seit 30 Jahren, in der Steiermark hat sich nichts geändert. Was werden die größten Hürden sein?
Ganz sicher die Komplexität des ganzen Themas. Es gibt da einfach sehr viele Interessen, die es unter einen Hut zu bringen gilt. Deshalb sind aber auch Ansätze wie die Mountainbike Initiative Austria (MIA) so wichtig, weil es nie eine Interessensvertretung für Biker gab. Ein Beispiel: In der Steiermark gibt es 24.300 gemeldete Jäger mit Organisation und Funktionären, der Mountainbiker hat überhaupt keine Vertretung und keine Stimme in der öffentlichen und medialen Diskussion. Das Biken ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Durch Covid ist der Druck zu groß geworden, das kann man auf beiden Seiten nicht mehr aussitzen. Die Gesellschaft hat sich gewandelt und auch den Bikern muss klar sein, dass sie nicht mehr allein auf der Welt sind. Zweite Hürde ist sicher – wie immer –  das Geld. Jetzt klopfen mir alle auf die Schultern, aber es wird dann auch um Finanzierungen und Fördermittel gehen.