Aus Para-Kanute Mendy Swoboda spricht die ­Gelassenheit eines unfassbar erfolgreichen Athleten. Hier spricht der 32-Jährige über Motivationsspritzen im Training, übermächtige Konkurrenz und wie er sich für die Paralympics 2024 neu aufstellen will.

Markus Geisler

Dass Markus „Mendy“ Swoboda sechsfacher Weltmeister ist, gibt das Internet bereits nach kurzer Recherche preis, die Silbermedaille bei den Paralympics in Rio 2016 sowieso. Aber die genaue Anzahl seiner EM-Titel? Dafür muss man den beinamputierten Kanusportler schon selbst befragen. „Moment, ich muss kurz nachrechnen“, fängt der Modellathlet an, Titel und Jahreszahlen in Einklang zu bringen. Und kommt – mit eher fragendem als bestimmtem Blick – zum Schluss: „Es müssten elf sein.“ So viel aufrichtige Gelassenheit ist selten in einem Business, bei dem die Protagonisten oft von Ehrgeiz zerfressen sind und sich jeder Erfolg unauslöschlich ins Gehirn brennt.

Dementsprechend relaxt wirkt er auch, als er nach seinen Zielen für die beiden Highlights im August befragt wird. Bei der Europameisterschaft in München sollten es schon die Top fünf sein, bei der WM in Kanada wäre er nur dann unzufrieden, wenn er das Finale der besten acht verpassen würde. Understatement? Keineswegs. Eher die realistische Einschätzung eines Mannes, der seit 22 Jahren mit dem Paddel verwachsen scheint und es nicht mehr nötig hat, sich mit Luftschlössern zu motivieren. „Ich muss realistisch sein“, sagt er. „Ich war heuer nicht der Aktivste, habe mich nach der anstrengenden letzten Saison etwas zurückgenommen. Da würde es mich eher wundern, wenn ich ganz vorne dabei wäre.“

Das Jahr 2022, es ist eines des Übergangs für Swoboda. Nach dem fünften Platz bei den paralympischen Spielen in Tokio und der WM-Bronzemedaille kurz danach wollte er sich mehr Zeit für sich genehmigen, reflektieren, darüber nachdenken, was ihm der Sport wirklich noch bedeutet. Dabei kam er darauf, dass er sich in seinem schmalen Sportgerät immer noch pudelwohl fühlt, es muss nur nicht immer im Rennmodus sein. So intensivierte er beispielsweise seine  langjährige Begeisterung für Kanu-Polo, eine Art Wasserball in Booten, und ärgert sich darüber, dass die WM in Rom, bei der Österreich eine Wild Card hat, parallel zu seiner EM in München stattfindet. „Da wäre ich schon gern dabei gewesen.“

Nach dieser Saison, so schaut es zumindest derzeit aus, könnte es als Resultat des Reflexions-Prozesses ein paar Veränderungen rund um Markus Swoboda geben. Die Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Olympiazentrum in Linz soll intensiviert werden, vor allem in den Bereichen Ernährung, Psychologie und Krafttraining. Eine notwendige Optimierung der Ressourcen, denn ein Ziel hat er immer noch klar vor Augen: die paralympischen Spiele 2024 in Paris.

Allein die Voraussetzungen, dort noch einmal nach einer Medaille zu greifen, hält er nicht gerade für optimal. „Mein Trainingsumfeld ist in den letzten Jahren eher schlechter als besser geworden“, klagt er, „da werde ich auch dem Verband noch einmal auf die Zehen steigen.“ Als einziger international ausgerichteter Para-Kanute Österreichs fehlt es ihm an Konkurrenz, was dazu führt, dass er beispielsweise schon mit den norwegischen Damen ins Trainingslager fuhr. Eine zeitintensive, aber auf jeden Fall lohnende Kooperation, denn: „Wenn die Strukturen passen, die Trainer, die Kollegen, dann motiviert mich das extrem. Wenn ich alleine für mich trainieren muss, bin ich eine faule Sau.“ Was bei immer noch neun bis elf Einheiten pro Woche natürlich eine ziemliche Übertreibung ist.

Aus einem macht der Oberösterreicher, der seine Beine bei einem Unfall mit der Förderschnecke einer Hackschnitzelheizung im Alter von sieben Jahren verlor, keinen Hehl. Die Tatsache, dass er seine internationale Vormachtstellung an Curtis McGrath abgeben musste, nagt etwas an ihm. Seit der Australier 2016 die Bühne betrat, fährt er die Konkurrenz in Grund und Boden und wurde nur bei einem einzigen Wettkampf geschlagen, das war die Generalprobe für die Spiele in Rio. „Plötzlich kommt ein Quereinsteiger, den niemand vorher kannte, und erobert auf Anhieb die Vormachtstellung“, erinnert sich Swoboda. „Das war für mich, der ich bis dahin seit 2010 alle WM-Titel über die 200 Meter gewonnen habe, ein Schlag ins Gesicht.“

Ob er den Afghanistan-Veteranen noch einmal besiegen kann? Heeressportler Swoboda, dessen Bestzeit bei 40,7 Sekunden liegt, ist skeptisch. „Er ist derzeit etwa eine Sekunde schneller als ich, das entspricht etwa 2,5 Prozent der Gesamtzeit. Schon sehr viel“, sagt er. Er müsste viele Opfer bringen und sich extrem quälen, um noch einmal anzugreifen, das weiß er. Aber ob er dazu bereit ist? Noch dazu, wenn er dafür noch mehr Zeit im Ausland verbringen müsste? Bei dieser Frage schimmert sie wieder durch, die Gelassenheit des Mannes, der sportlich nun wirklich niemandem mehr etwas beweisen muss. „Ich habe Mitte Juli das zehnjährige mit meiner Freundin gefeiert. Ich fände es ihr gegenüber unfair, wenn ich sagen würde: Ich bin eh dauernd für den Sport unterwegs, hänge aber jetzt noch ein paar Monate Trainingslager dran.“ 

Markus Swobodas Tipps für SPORT­aktiv-Leser!

Mein Trainingstipp:
„Entscheidend ist die Basis, sprich: eine gute Ausdauer. Wenn du die hast, kannst du auch im Kraftbereich ordentlich Gas geben, ohne zu schnell zu ermüden.“

Mein Regenerationstipp:
„Hier gibt es keine Lösungen von der Stange, jeder muss in sich selbst hineinhorchen. Ich zum Beispiel kann auch mal einen ganzen Tag nur auf der Couch liegen und nichts tun, während andere eine aktivere Form der Regeneration benötigen.“

Mein Ernährungstipp:
„Mir hilft am meisten, wenn ich ganz strikt Kalorien zähle. Ich bin auf der süßen Seite daheim, kann schlecht auf Schokolade verzichten. Wenn ich am Ende des Tages genau weiß, wie viel noch erlaubt ist, kann ich damit am besten umgehen.“