Kenianische Spitzenläufervom Run2Gether-Team trainieren derzeit wieder auf der Turracher Höhe – und das gemeinsam mit heimischen Hobbyläufern. Christof Domenig (Text) und Thomas Polzer (Fotos) waren dabei und wollten wissen: Was kann sich wirklich jeder von den schnellen Laufästheten abschauen?

Hobbyläuferin Manuela Halmer aus Wien ist bereits zum dritten Mal zu Gast im sommerlichen „Run2Gether-Camp“ auf der Turracher Höhe. Die Möglichkeit, ihr Lauftraining mit Spitzenläufern aus Kenia gemeinsam zu gestalten, findet sie großartig – auch wenn man das hier Gelernte gar nicht so einfach auf einen Punkt bringen könne: „Man nimmt in erster Linie für sich mit, was diese Athleten ausstrahlen: das positive Denken zum Beispiel, mit dem sie an Wettkämpfe und überhaupt an alles im Leben herangehen. Oder ihre Höflichkeit, die niemals gespielt wirkt, die gesunde Ernährung und viele weitere Kleinigkeiten. Nachdem ich zum ersten Mal hier war, haben mich die Leute gefragt, was passiert ist – weil ich so strahlte“, erzählt sie begeistert.

FÜNF ERFOLGSTIPPS

So wie Manuela geht es vielen, weiß auch Thomas Krejci, der Initiator des Projekts Run2Gether (siehe Kasten hinten). „Darum sind auch rund 30 Prozent im sommerlichen Camp jährliche Stammgäste, die immer wieder kommen.“ Auch für SPORT­aktiv war’s schon der zweite Besuch im „Keniacamp“. Wir wollen aber nicht nur Bilder und Stimmung einfangen, sondern als Service für unsere Leser Einblicke in die Trainings- und Erfolgsgeheimnisse der kenianischen Laufästheten ermöglichen. Vor allem wollten wir wissen: Wie kann ein ganz normaler Hobbyläufer, der keine kenianischen Gene in sich trägt, wirklich sportlich vom gemeinsamen Training profitieren? Und gemeinsam mit Thomas Krejci haben wir die folgenden fünf essenziellen Empfehlungen der Run2Gether-Athleten gesammelt:

TIPP 1:

Starte langsam! Jedes Training kenianischer Läufer beginnt mit ganz langsamem Jogging. Und langsam bedeutet wirklich langsam, sodass selbst Hobbyläufer auf den ersten zwei bis drei Kilometern locker die Führungsarbeit übernehmen können. Von den Spitzenläufern wird der erste Kilometer im 7-Minuten-Schnitt gelaufen, der zweite im 6er-Schnitt, der dritte im 5er-Schnitt und erst dann geht langsam, aber sicher die Post ab. Wobei im Run2Gehter-Camp auf der Turrach die Profiathleten ihr Tempo natürlich an die Gäste anpassen – jeder Hobbyläufer bekommt bei jeder Trainingseinheit einen Begleiter! Mitnehmen aber können wir: Die langsame Aufwärmphase ist für Kenianer von enormer Bedeutung.

TIPP 2:

Kein Trainingstag ohne ­Morning Run! Nicht nur im Camp auf der Turracher Höhe beginnen Trainingstage der kenianischen Athleten immer mit dem „Morning Run“, um 6 Uhr oder 6.30 Uhr. Dabei handelt es sich um einen Lauf um die 60 Minuten, der manchmal aber auch etwas länger dauern kann. Wichtig: Es gibt kein Frühstück vor dem Lauf!

Um 11 Uhr folgt dann eine zweite Einheit, die meist im Zeichen intensiver, kurzer Intervalle steht. Der Nachmittag wird zur Regeneration verwendet, für Stretching oder eine Lauftechnikeinheit. Generell gilt: lieber mehrere kurze Einheiten als eine längere.

TIPP 3:

Qualität vor Quantität! Nahezu keine Einheit der Kenianer ist länger als die geplante Wettkampfdistanz! Besser kürzer, dafür aber intensiver. Hohen Stellenwert haben „Speedwork“ und „Hillwork“. „Speedwork“ steht für Intervalltrainings, die, wenn verfügbar, auf der 400-m-Laufbahn absolviert werden. „Hillwork“ beschreibt Hügelläufe – etwa 100 bis 300 m zügig bergauf und danach locker wieder retour joggen. Das Ganze für 20 bis 40 Minuten – Zeit und Länge der Bergauf-Stücke variieren je nach Leistungsklasse.

TIPP 4:

Spiel mit der Geschwindigkeit! Kenianer lieben es, mit dem Lauftempo­ zu spielen. Was bei uns als Fahrtspiel bekannt ist, ergibt sich bei ihnen durch das Laufen in großen Gruppen in gewisser Hinsicht aber auch von selbst: Ständig wechselnde Führungsarbeit bewirkt unterschiedliches Tempo, wobei sich die Geschwindigkeit sukzessive steigert und auf den letzten zwei bis drei Kilometern fast immer in einem kleinen Wettkampf endet. Dazu passt auch die Trainingsform „Hill­searching“, bei der im hügeligen Gelände bei jeder Steigung das Tempo kurz erhöht wird, um es dann nach der Kuppe gleich wieder zu reduzieren.

„Dieses wechselnde Tempo kommt ihnen dann bei Wettkämpfen zugute und trägt zur Tempohärte bei“, erklärt Thomas Krejci. Wer allein läuft, kann sich dieses Trainingsprinzip ebenfalls zunutze machen: Steigere einfach dein Tempo immer, wenn dir ein Läufer entgegenkommt, wenn dich ein Auto überholt – so lange, wie du Lust hast.

TIPP 5:

Das Ernährungsgeheimnis. Das ist ein Geheimnis, das eigentlich keines ist. Süßkartoffeln und schwarzer Tee mit Milch sind ein typisches Frühstück nach dem Morning Run. Kartoffeln, Reis, Bohnen oder Linsen kommen zu Mittag auf den Tisch, als spätes Abendessen (etwa 20 Uhr) gibt es Ugali (eine Art kenianische Polenta) mit Kraut oder Spinat und einmal wöchentlich Leber bzw. Fleisch. Auf Zwischenmahlzeiten wird ganz verzichtet, lediglich um 17 Uhr steht schwarzer Tee mit Milch und Zucker auf dem Ernährungsplan.

DER MEDIZINER ÜBER DAS KENIA-PHÄNOMEN

SPORTaktiv-experte Dr. Ernst Zwick betreut die Run2gether-läufer. Seine Eindrücke:

„Ihre Körper sind perfekt trainiert, man kann eine ideale Muskelbalance im Sinne der funktionellen Fitness feststellen – was für mich zu Beginn echt verblüffend war. Es besteht relativ wenig anatomisches Wissen, aber ein enormes Körpergefühl.“

„Ihre oft neuen und zum Teil auch sehr harten Schuhe sind ein medizinisches Problem, da die Kenianer große Asphaltumfänge nicht gewohnt sind. Die Waden sind Überlastungszone Nummer eins; hier helfen sich die Athleten zum Teil gegenseitig durch heftige und daher sehr schmerzhafte Triggerpunkt-Massagen.“

„Ist eine echte Therapie notwendig, erfolgt diese meist in Form langsamer und weicher Techniken, die von ihnen sehr interessiert aufgenommen werden. Unsere Programme zur selbstständigen Funktionsgymnastik werden von ihnen vorbildhaft umgesetzt.“

„Potenziale bestehen bei den Kenianern vor allem im gezielten Regenerationstraining und in der Funktionsgymnastik, die einen wichtigen Teil davon ausmacht.“

Das Projekt „Run2gether“ laufen als chance im leben

„Run2Gether“ ist ein österreichisch-kenianisches Laufprojekt, das vom steirischen Orientierungsläufer Thomas Krejci ins Leben gerufen wurde. Die Idee: Vorwiegend jungen kenianischen Lauftalenten die Möglichkeit zu geben, von ihrem Sport leben und damit ihre Familien unterstützen zu können.

Seit 2009 gibt es die sommerlichen Run2Gether-Camps, mittlerweile auf der Turracher Höhe (Kärnten) angesiedelt, wo Hobbyläufer jeder Leistungsklasse mit den Spitzenathleten (Halbmarathonzeiten 62 bis 65 Minuten) mittrainieren und mitleben können. Die Einnahmen werden zur Finanzierung des Projekts „Run2Gether“ verwendet. Für 2013 sind alle Plätze ausgebucht.

Aus dem Projekt ist u. a. auch ein Trainingszentrum in Kenia entstanden, das auch für einen Laufurlaub gebucht werden kann; kenianische Run2Gether-Athleten haben heimische und internationale Läufe wie den Großglocknerlauf, Kärnten Läuft oder den Dublin Marathon gewonnen. Zuletzt wurde von Run2Gether ein Kindergarten für Waisenkinder in Kenia finanziert.

Das Projekt kann auch durch Spenden und Patenschaften unterstützt werden.

Mehr Infos: www.run2gether.com