Kompromisslos asketisch, schnell und effizient. Aber auch weitaus vielseitiger einsetzbar, als es auf den ersten Blick scheint: Das alles sind moderne Crosscountry-Mountainbikes. 

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Trotz ihres rassig sportiven Auftretens sind moderne Crosscountry-Bikes (kurz: XC-Bikes) auch abseits von engem Spandex und Flatterband gut aufgehoben. Einerseits sind sie natürlich perfekte, knackig-präzise Begleiter für sportlich ambitionierte Höhenmetersammler im Gelände. In entsprechend günstigeren Ausstattungen machen sie sich aber auch durchaus gut für aufstiegsorientierte Tourenfahrer und Mountainbike-Neulinge, die große Sprünge und grobes Gelände lieber über sanfte Routen umfahren. Vielseitig, unkompliziert und mit deutlich mehr Stärken denn Schwächen sind sie vielfach eine hervorragende Wahl.

Steckbrief: die Bikes
Die Kategorie „Crosscountry“ umschließt in der Regel zwei Typen von Rädern. Einerseits Fullys mit federndem Hinterbau, andererseits unkomplizierte Hardtails mit (theoretisch) starrem Heck. Während Erstere durch ihren aktiven Hinterbau ein Plus an Komfort, Traktion und Sicherheit bieten, wissen Hardtails mit geringerem Gewicht, kompromisslosem Vortrieb und deutlich einfacherer Technik zu punkten. Vereinzelte Ausreißer ausgenommen, haben sich die Federwege heute um die 100 mm eingependelt. Alex Steurer, PR-Manager bei Simplon, und Lisa Wolf, PR-Managerin bei BMC, sehen allerdings vor allem in der jüngeren Garde der XC-Piloten eine Entwicklung hin zu mehr Fahrspaß in Form von längerem Federweg und modernen Geometrien. Zweiteres schlägt sich auch in der 100-mm-Klasse nieder.
Standard sind hingegen große 29-Zoll-Laufräder, die mit ihren guten Überrolleigenschaften Stabilität und Effizienz versprechen. Besonders erfreulich: Aktuell weitet sich der Trend zu breiteren Felgen und voluminöseren Reifen auch auf den XC-Bereich aus. Felgen mit  28 bis 30 mm Innenweite und Reifen mit 2,25 bis maximal 2,4 Zoll Breite erlauben niedrigeren Luftdruck, steigern die Traktion, den Komfort und erstaunlicherweise auch die Effizienz. 

1-fach-Antriebe mit 11, 12 oder 13 Gängen gehören zum guten Ton. Die nicht mehr ganz so neue 1-fach- Kurbel mag auf Neulinge ungewohnt wirken. Einfache Handhabung sowie simple und robuste Technik wissen aber zu überzeugen und sind nicht zuletzt auch in den Augen von Steurer die Zukunft. Auch der oft geäußerten Skepsis vor der geeigneten Gangabstufung weiß der Fachhandel mit individuellen Kettenblattgrößen geschickt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wer sich partout nicht von seiner 2-fach-Kurbel trennen möchte, findet aber auch hier nach wie vor vereinzelte Modelle.
Kleiner Tipp: Ob ihrer asketischen Ausrichtung rollen viele ­Bikes mit kleinen Bremsscheibendurchmessern um die 160 mm aus den Shops. Perfekt für schnelle Runden in XCO-Rennen (wer mit dem Begriff nicht vertraut ist: „X“ steht für „Cross“, „C“ für „Country“ und das „O“ für den olympischen Status). Im Alltag, für schwerere Piloten oder häufig lange Abfahrten lohnt aber oft eine Aufrüstung auf zumindest 180 mm Durchmesser – wobei die Herstellerfreigaben zu beachten sind. 

Ebenfalls sollte der Kauf von sehr preisgünstigen Rädern wohlüberlegt sein: Günstige Gabeln und Laufräder drücken dort zwar den Preis, schlagen sich aber auch im Gewicht nieder. Gerade an den Laufrädern – jenem Bauteil, welches es Meter für Meter zu beschleunigen gilt – macht sich besagtes Gewicht dann spürbar bemerkbar.

Steckbrief: das Gelände
XC-Bikes, egal ob Hardtail oder Fully, sind in kundiger Hand durchaus imstande, anspruchsvolles Gelände zu meistern. XCO-Athleten wie Nino Schurter oder Laura Stigger dürfen das Wochenende für Wochenende in eindrucksvoller Manier im Weltcup beweisen. Entsprechend wissen sich die Bikes neben klassischen Forststraßen, Wald- sowie Wiesenpfaden auch am Trail zu behaupten, zaubern dort aber wohl eher erfahrenen Piloten auf der Suche nach einer präzisen Waffe ein breites Lächeln ins Gesicht. 

„Der Trail kann dabei durchaus auch technische Abschnitte beinhalten. Unsere Einstiegsmodelle richten sich eher an jene Kunden, die erst mit dem Biken beginnen. Darüber hinaus können XC-Bikes eine gute Brücke zwischen Gravel-Bikes und Trail-Bikes schlagen. Die Kategorie ist vielseitig, in gewisser Weise ist Crosscountry die Essenz des Mountainbikens“, zeigt Veit Hammer, PR-Manager bei Trek, die Bandbreite der Kategorie auf.

Steckbrief: das Fahrer-Profil
Wenig überraschend: XC-Bikes sind die perfekte Waffe für XCO-Rennen. Wer seine Freizeit gerne der laktatgetränkten Herausforderung am Rundkurs widmet, dem stellt sich eigentlich nur die Wahl zwischen Hardtail und Fully. 

Doch auch für das Gros der Marathon-Fans sieht Steurer die effizienten Racer als erste Wahl. (Hobby-)Rennsport einmal außer Acht gelassen, profitieren Freizeitsportler genauso von den Vorteilen. Lisa Wolf sieht „jeden, der gerne schnell unterwegs ist und weder bergauf noch bergab Kompromisse eingehen möchte“, im Profil. Touren in flachem und hügeligem Gelände, endlos lange Forststraßen-Abenteuer, steile Rampen oder einfach nur die schnelle Feierabendrunde hoch zur Alm am Hausberg. Dazu gerne auch der tägliche Pendelweg in die Arbeit: Überall dort, wo leichtfüßige Effizienz großen Federwegen überlegen ist, schlägt die Stunde der Crosscountry-Bikes. Damit eignen sich die Räder auch für Einsteiger, die ihren Fokus (vorerst) auf Forststraße und Co. legen möchten. 

Hardtail oder Fully?
Also: Wer greift jetzt zu welchem der beiden Typen? Als Faustregel ließe sich sagen: Je größer die Distanz und je ruppiger der Untergrund, desto eher würden wir zum Fully raten. Auch Wolf und Hammer sehen im effizienten Race-Fully mit leichtem Carbon-Rahmen den ultimativen Allrounder. Ob man sich den finanziellen Mehraufwand und auch das Kilogramm mehr am Rahmen gönnt oder nicht, diese Entscheidung liegt für Steurer vor allem im Komfort-Bewusstsein des Kunden, aber auch im geplanten Einsatzterrain.

Und was sind die Trends bei den XC-Bikes in der Saison 2022? Ein klarer Trend ist jener zu mehr Federweg, betonen Alex Steurer wie Veit Hammer. Selbst im Weltcup rollen teils 120-mm-Bikes an den Start. Unter dem Deckmantel des „Downcountry“ (leichte XC-­Bikes mit einem Plus an Federweg und traillastiger Ausstattung) verschmelzen die Räder immer mehr mit der Trail-Kategorie und werden so für eine junge Generation wieder attraktiv. 

Doch auch wenn man bei den klassischen 100 mm Federweg bleibt, geht der Trend unter den Alltagsfahrern zu voluminöseren Reifen mit mehr Grip. Und auch via Fernbedienung absenkbare Sattelstützen, sogenannte Dropper-Posts, stehen 2022 hoch im Kurs. Unterm Strich, so scheint es, hält auch bei den gewichtsoptimierten Rennfeilen der Spaß am Trail Einzug.