Christoph Heigl
Christoph Heigl

In der Spitzensport-, vor allem Radsportszene ist es seit Jahren Usus, Höhentraining in den Formauf- und Leistungsausbau zu integrieren. Dazu begeben sich die Sportler entweder in hoch gelegene Trainingszentren, meist um die 2000 Meter Seehöhe oder sie verwenden künstliches Höhentraining in der Ebene, wo in sportmedizinischen Zentren oder auch in der privaten Anwendung unter Sauerstoffarmut trainiert wird, beispielsweise in sogenannten „Sauerstoffzelten“. Dieses Hypoxietraining führt bei Profis in der Folge zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahme und ganz allgemein zu einer Leistungssteigerung (siehe Infobox unten).

Noch unbekannt ist, dass die positiven Effekte auf den Organismus auch in anderen Bereichen angewendet werden können. Von einer „stetig wachsenden Interessentenanzahl an künstlichem Höhentraining in Sport und Therapie“ weiß etwa Christian Pegger zu erzählen. Der Tiroler ist Allgemeinmediziner und kann in seiner Praxis in Innsbruck als einer von ganz wenigen Ärzten in Österreich auch Höhentraining anbieten. „Interessant, denn so lerne ich eine enorme Bandbreite kennen, vom Spitzensportler aus dem absoluten Leistungssport bis hin zum übergewichtigen Nichtsportler, der einfach seinen schlechten Zustand verbessern will.“ Wichtig ist dabei gleich zu betonen, dass Pegger natürlich auch alle herkömmlichen Behandlungsmethoden einschließt, bei Interesse aber künstliches Höhentraining in seiner Praxis anbietet. „Das kann immer nur begleitend erfolgen, Höhentraining alleine ist etwa bei Übergewicht nur ein Baustein von vielen in der Therapie.“

Das Feld der Forschung in diesem Bereich ist noch jung, es gibt aber bereits Studien, die die positiven Effekte belegen. Auch Pegger hat gute Erfahrungen gemacht, etwa bei Patienten mit dem Wunsch nach Gewichtsreduktion. Durch den verminderten Sauerstoff beim Höhentraining wird der Körper zwar schneller müde, es besteht aber im Gegensatz dazu ein erhöhter Kalorienverbrauch. Dadurch kann man die Trainingseinheiten etwa um 15 Prozent kürzer gestalten, was im Falle von Läufern mit Übergewicht die Gelenke deutlich weniger beansprucht.

Verbesserungen im Alltag
Positive Erfahrungen gibt es auch mit klassischen Stresserkrankungen wie der chronischen Erschöpfung und dem so genannten Burn-out. Dabei setzt Pegger u. a. auf das Training mit Atemmasken und ein intermittierendes Protokoll, also abwechselnd Phasen mit reduziertem Sauerstoff und Phasen unter Normal-Luftbedingungen. Der Körper lernt mit dieser Reduktion und mit diesem herbeigeführten Stress umzugehen und kommt dann unter wieder normalen Verhältnissen in einen verbesserten Funktionszustand. „Im Alltag geht es den Menschen dann besser.“

Peggers aktuelle technische Ausstattung erlaubt ein künstliches Höhentraining bis etwa 5000 Meter Seehöhe, theoretisch lässt sich das bis 8000 Meter erweitern, was auch für Höhenbergsteiger mit Zeitmangel interessant ist, die die Akklimatisierung für Expeditionen verkürzen wollen. Mit Spitzensportlern geht Pegger bei superharten Intervallen bis etwa 4800 Meter. Für normales Ausdauertraining reichen 2400 bis 2500 Meter. Die auch real leicht erreichbare Seehöhe von 1500 bis 2500 Meter bezeichnet Pegger übrigens als „alpines Medical Wellness“, wie sie auch in vielen höhergelegenen Tourismusorten Österreichs als Benefit angeboten wird. Das nutzen Anbieter wie das Alpinhotel Pacheiner auf der Gerlitzen in Kärnten, wo der Fitnessraum auf 1900 Meter auch Topsportler anzieht. „Wir hatten vor der Tour de France sogar den Weltklassesprinter Mark Cavendish bei uns heroben“, freut sich Hausherr Franz Pacheiner.

Weitere Bereiche, in denen Pegger gute Erfahrungen mit Patienten gemacht hat, sind Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und chronische Erkrankungen der Atemwege und der Lunge. Was allgemein gilt: Beim Höhentraining werden vermehrt Antischmerzhormone, sogenannte Endorphine („Glückshormone“), freigesetzt. Man kann sich also ein bisschen mehr „Glück“ antrainieren. Dennoch ist Höhentraining weder ein Allheilmittel noch grundsätzlich für jeden sinnvoll. Erstens sind die Kosten nicht unerheblich (Pegger: „Die Kosten für eine Behandlung sind vergleichbar mit denen eines Tauchganges“), zweitens gibt es auch medizinische Gründe, die ein Höhentraining nicht empfehlenswert machen. Dazu wird ein Höhenverträglichkeitstest gemacht. „Aus Erfahrung wissen wir, dass bis zu 50 Prozent der Bevölkerung nicht auf künstliches Höhentraining reagieren“, so Pegger. Zudem müssen eine Reihe von Laborwerten absolut normal – wenn nicht hochnormal – sein, insbesondere die Eisen- und Schilddrüsenwerte.

Der Mensch kann generell nicht in extremen Höhen leben. Die höchsten dauerhaft besiedelten Gebiete der Erde liegen auf etwa 5300 bis 5400 Meter. „Darüber hinaus ist dauerhaftes Leben ohne zusätzliche Hilfen und ohne Gesundheitsschaden nicht möglich“, sagt Pegger. „Im Körper laufen zunehmend katabole Prozesse ab, die die körperlichen Reserven angreifen.“ Und wenn wir schon bei den negativen Folgen der Höhe sind: Das künstliche Höhentraining wird von Kritikern oft als „legales Doping“ bezeichnet, ein Vorwurf, den Pegger natürlich kennt. Was den Einsatz von künstlichem Höhentraining betrifft, besteht derzeit laut der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA kein Verbot. Pegger: „Und ich sehe keine Anzeichen, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, da künstliches Höhentraining schon sehr lange bekannt ist und angewendet wird.“ Der teils schlechte Ruf des Hypoxietrainings rührt vielmehr daher, dass es in der Vergangenheit oft zusätzlich mit dem illegalen Blutdoping kombiniert wurde.

Für „normale“ Patienten hat das Training den Vorteil, dass es mit geringem Zeitaufwand leicht zu konsumieren und reproduzierbar ist. „Die Kunden kommen zum Beispiel ein bis drei Mal in der Woche zu einer Behandlung zu mir. Es gibt aber auch Anwendungen, die weitaus mehr Schweiß verlangen.“ Sportliche Anwendungen dauern drei bis vier Wochen oder, im Sinne eines Trainingsschwerpunktes, therapeutische Anwendungen ein bis zwei Monate. Für den Mediziner ist künstliches Höhentraining jedenfalls ein taugliches Mittel, das er bei Patienten begleitend zu anderen Maßnahmen einsetzt. „Und ich mache es ganz klar nur, wenn für den Patienten eine Verbesserung zu erwarten ist, bei Sportlern nur, wenn rundum eingeschätzt alles legal ist, und ganz allgemein nur dann, wenn es medizinisch Sinn macht.“
 

Was ist Höhentraining?

Höhentraining (Hypoxietraining) ist der Versuch, durch natürliche oder simulierte Seehöhe einen Trainingseffekt und verbesserte Leistungen zu erreichen. Trainiert wird entweder in der Ebene bei sauerstoffreduzierter Luft (Hypoxiekammern, Sauerstoffzelt, Atemmaske) oder in „echten“ Seehöhen von 1900 bis 2500 Metern. Darüber und vor allem ab 4000 Meter Seehöhe gilt es wegen der ungenügenden Akklimatisation und der deutlich niedriger anzusetzenden Intensität als kaum noch sinnvoll.

Wirkung: Der Sauerstoffanteil in der Luft liegt grundsätzlich bei konstant 21 Prozent. In der Höhe nimmt der Luftdruck jedoch ab und reduziert damit den absoluten Sauerstoffgehalt in der Luft. Der Bedarf des Körpers an Sauerstoff bleibt aber derselbe. Die Reaktion des Körpers und des vom Gehirn gesteuerten Atemantriebs: Weil die Atemtätigkeit zunimmt (Hyperventilation), produziert der Organismus in einer Folge biochemischer Vorgänge vermehrt rote Blutkörperchen. Das führt zu einer erhöhten Sauerstoffaufnahme über die Lungen, zu einem verbesserten Sauerstofftransport in der Blutbahn und im Gewebe und schlussendlich zu mehr Sauerstoff im Muskel. Zudem wird durch die verbesserte Sauerstoffverwertbarkeit die Stoffwechseltätigkeit angeregt und mehr Energie freigesetzt.

Ausdauer, Schnelligkeit (besonders Reaktionsschnelligkeit), motorisches Gleichgewicht und Bewegungskoordination werden schon bei kurzem Höhenaufenthalt positiv beeinflusst, Maximalkraft und Kraftausdauer hingegen sind unter akuter Hypoxie kaum verändert. Nach etwa 10 bis 14 Tagen lassen die Effekte des Trainings nach.

Dr. Christian Pegger
Dr. Christian Pegger

Allgemeinmediziner mit Praxen in Innsbruck und Axams, Experte für Sport-, Alpin- und Höhenmedizin, Arbeits- und Notfallmedizin.

Web: www.pegger.at