In der Verwallstube sind Skischuhe und Fünf-Gänge-Gourmetdinner kein Stilbruch. Das Zweihaubenrestaurant liegt schließlich direkt an der Piste auf 2.085 Metern Seehöhe am Westgrat des Galzig, und damit mitten­­- drin im Skigebiet St. Anton am Arlberg.

Von Werner Ringhofer


Was die im Tal können, kriegen wir auch hin", sagen sich immer mehr Köche und wandern mit ihren Gourmetküchen in die Berge. Dass es funktioniert, zeigt ja die „Alpen­glow Stube" auf 3.488 m im amerikanischen Vail schon seit Jahren erfolgreich. Aber auch in Österreich wächst die Zahl der Hoch-Küchen. Kaviar statt Kaspressknödel lautet das Mantra, leuchtendes Beispiel in Österreich ist die Verwallstube-Galzig im Arlberggebiet: In der Bergstation der Galzig-Bahn wird neben dem SB-Restaurant niveauvoll in der Gourmetstube aufgekocht. Seit 1995 immer mit einer Haube bewertet, 2005 und jetzt in der aktuellen Ausgabe von Gault Millau sogar mit zwei Mützen.

Einer, der den Aufstieg initiierte und mitgestaltete, ist Manfred Fahrner, seit 25 Jahren Geschäftsführer der Verwallstube. „Am Anfang haben mich die Leute für verrückt erklärt", sagt er. Ein Gourmetrestaurant auf 2.085 Metern! Und dann auch noch mit Schwerpunkt Fisch! „Nicht nur Saibling und Forelle, sondern auch exklusiver Meeresfisch steht bei uns auf der Karte. Oder Steinbutt aus dem Ofen für fünf Personen, Loup de Mer in der Salzkruste und natürlich unsere berühmte Bouillabaisse."

Hoch gepokert, aber das Risiko zahlte sich aus. „Ich habe an das Konzept geglaubt, schließlich haben wir das Publikum für so eine Küche." Mit etwas Glück sitzt man Tisch an Tisch mit europäischem Hochadel, mit Hansi Hinterseer oder Gerhard Berger. Ohne großes Aufsehen. „Im Skigewand werden selbst prominente Menschen kaum erkannt. Nur als Wladimir Putin kam, spielte sich doch einiges ab", erzählt Manfred Fahrner – „allein 40 Sicherheitsleute waren da auf den Beinen."

GERÄUCHERTES SAIBLINGSTATAR
Argumente, warum Prominente und Normalsterbliche kommen, gibt es genügend. Schon allein das Bergpanorama: Der erste Blick fällt auf die weißgepuderten Gipfel von Patteriol, Saumspitze, Scheibler, Kuchenspitze und noch einigen mehr. Der zweite Blick fällt auf die malerisch inszenierten Teller. Absolut sehenswert, wie etwa das geräucherte Saiblingstatar mit zweierlei von der Gurke (Granité und Schaum).

Neben der Optik verzaubert auch der Duft, vor allem bei den Trüffelgerichten. Nicht irgendwelche Billigstknollen werden vor dem Gast auf das Gericht gehobelt, nur allerfeinste Qualität darf auf den Tisch: weiße Albatrüffel aus dem Piemont oder Perigord-Trüffel aus Frankreich. Bei so viel Luxus könnte man jetzt glauben, man muss im Anzug erscheinen. „Stimmt nicht", beruhigt Manfred Fahrner, „90 Prozent unserer Gäste kommen in Skischuhen und Anorak."

... ODER DOCH KAISERSCHMARREN
Klar, so knapp an der Skipiste dreht sich nicht alles um Hochküche, auch Herzhaftes ist gefragt. Und das in großen Mengen: 300 Sitzplätze sind im unteren Geschoss, 400 oben, und auf der Terrasse kommen noch einmal 500 dazu. Pasta, Pizza gibt es, Leberknödel-, Erbsen- und Frittatensuppe, Gulasch und Wiener Schnitzel. „Alles ist frisch, sogar der Teig für Apfel- und Topfenstrudel wird immer mit der Hand gezogen", betont Manfred Fahrner. Ganz gern greifen die Gäste beim Kaiserschmarren zu – an starken Tagen werden bis zu 700 Eier verarbeitet.
Für solche Mengen und bei so einem Anspruch braucht es einiges an Personal. 56 Mitarbeiter sind im ganzen Haus beschäftigt, 40 im SB-Bereich, 16 in der Verwallstube. Eine gut zusammengeschweißte Mannschaft: „48 Leute vom letzten Jahr sind auch heuer wieder im Betrieb, manche kommen bereits seit 25 Jahren."

Grundbedingung für so einen Betrieb ist die absolute Frische der Ware. Regelmäßig liefert der Fischmarkt in Paris im Expresstempo: Um 7.30 Uhr in der Früh wartet Manfred Fahrner bereits im Tal, und erst wenn die Ware seiner strengen Prüfung standhält, darf sie mit der Seilbahn nach oben. Bis 8.30 Uhr muss alles erledigt sein, dann kommen die ersten Skifahrer.

SCHWERTFISCH AN GONDEL
Die Bedingungen in dieser alpinen Gegend können manchmal extrem sein. „Minus 15 Grad sind bei uns keine Seltenheit, da muss die Ware gut verpackt sein. Kartoffeln etwa werden süß, wenn sie gefroren sind." Eine unkonventionelle Lösung brauchte es, als einmal ein ganzer Schwertfisch geliefert wurde. Ein dreieinhalb Meter langes „Viecherl". In eine Gondel passte der Fisch nicht, also wurde er einfach unter die Gondel gehängt und so nach oben transportiert. „Anders wäre es nicht gegangen und ein schöner Werbegag war es außerdem", erinnert sich Manfred Fahrner augenzwinkernd.

Auch in der Küche auf fast 2.100 m Höhe muss man sich an die speziellen Verhältnisse anpassen. Kuchen geht doppelt so schnell auf wie im Tal, Brot und Lebensmittel werden schneller trocken, Champagner hat „energischere" Perlen – und das Frühstücksei braucht eine Minute länger, bis es gekocht ist.

Lange Zeit ging auch das Gerücht um, Wein würde so hoch oben schneller reifen. Deshalb wollte der Wachauer Spitzenwinzer F.X. Pichler einige Kisten probeweise im Keller der Verwallstube lagern, aber daraus wurde nichts. „Der Aufwand hätte sich nicht ausgezahlt. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Höhe keine Vorteile bringt", sagt Manfred Fahrner. Gut gefüllt ist das Gewölbe trotzdem – rund 400 verschiedene Positionen stehen zur Auswahl bereit.

Weitere Hochküchen auf Österreichs Skibergen

SCHAUFELSPITZ (T): Zwei Hauben in der Bergstation Eisgrat des Stubaier Gletschers auf 2.900 m. Heuer allerdings wegen Umbauarbeiten von Gault Millau nicht bewertet.

Web: stubaier-gletscher.com/skigebiet/restaurants

WEDELHÜTTE (T): Exklusives Hütten-Erlebnis im Hochzillertal auf 2.350 m; Schlemmen auf Hauben- und Wohnen auf 5-Sterne-Niveau.

Web: wedelhuette.at

KRISTALLHÜTTE (T): Vom Hüttenklassiker bis zum ambitionierten Abendmenü auf 2.147 m, Zimmer mit grandiosem Ausblick, ebenfalls im Hochzillertal.

Web: kristallhuette.at

ADLERLOUNGE (T): Mischung aus Tiroler Gemütlichkeit und modernem Design, sensationeller Glockner-Blick. Kals am Großglockner;

Web: adlerlounge.at

GANNERHOF (Osttirol): Uriges Ambiente, feine Bioküche im Osttiroler Villgratental auf 1400 m.

Web: gannerhof.at


RESTAURANT EISSEE (K): Moderner Glaspalast bei der Bergstation des Mölltaler Gletschers auf 2.800 m, die Spezialität ist feine Kärntner Hausmannskost.

Web: gletscher.co.at


GASTHAUS FELLACHER (K): Eine Haube für die hervorragende Hausmannskost auf 1.400 m. Der Tipp: Schweinsbraten aus der Rein. Patergassen bei Bad Kleinkirchheim;

Web: almdorf.com

RESTAURANT PHILIPP (St): Haubengekrönte, klassische Linie mit innovativen Ideen in der Küche des Schlosshotels Seewirt (1.763 m) auf der Turracher Höhe.

Web: schlosshotel-seewirt.com

LOSERHÜTTE (ST): Ofenbratl, Kaiserschmarrn, Speckjause, Wild- und Fischspezialitäten. Traumblick von 1540 m. Altaussee;

Web: loserhuette.at


AUCH ABENDS OHNE KRAWATTE
Zeit zum Genuss ist nur bei Tageslicht, am Abend hat das Restaurant geschlossen. Nur einmal pro Woche, immer am Donnerstag von 19 bis 23 Uhr, wird ein Candlelight-Dinner veranstaltet. Dann erwartet die Besucher eine Gondelfahrt bei Nacht, das Dinner und Live-Klaviermusik. Übrigens: Die Krawatte kann man im Schrank lassen, auch am Abend geht es hier nicht steif zu – sportliche Eleganz ist angesagt.

Die Wintersaison dauert in der Verwallstube bis Ende April, für Manfred Fahrner ist dann aber noch lange nicht Schluss. Das SB-Restaurant läuft auch im Sommer, erst ab Mai sind fünf Wochen Pause angesagt. „Ich wohne praktisch das ganze Jahr am Berg. Für mich der ideale Arbeitsplatz, in der Höhe fühle ich mich besonders frisch." Manfred Fahrners Frau arbeitet übrigens auch in der Verwallstube und für die Nachfolge innerhalb der Familie ist bereits gesorgt. „Der Sohnemann wird wohl einmal die Führung hier heroben übernehmen ..."

Manfred Fahrner / Bild: Verwallstube St. Anton am Arlberg / Christian Gufler

Herr der Verwallstube

MANFRED FAHRNER hält als Geschäftsführer Europas höchstgelegenes Zweihaubenlokal, die Verwallstube in St. Anton am Arlberg, am Laufen.

Web: www.skiarlberg.at/verwallstube


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