Fünf Jahre in Folge kam die Siegerin der Freeride World Tour aus Österreich. Zweimal Nadine Wallner, zweimal Eva Walkner und schließlich Lorraine Huber. In SPORTaktiv erzählen die drei Freeride Queens, worauf es im Backcountry ankommt. Wie man am besten in die Sportart einsteigt. Und wie sich Freiheit, Flow und Powder am schönsten genießen lassen.

Von Axel Rabenstein


Jedes Jahr qualifizieren sich die besten Rider der Freeski-Szene für die „Freeride World Tour" und fahren auf mehreren Events die Weltmeister aus. In den vergangenen fünf Jahren hat bei den Frauen jeweils eine Österreicherin gewonnen. Zufall oder steckt mehr dahinter? „Es wäre vermessen zu behaupten, die Österreicherinnen hätten generell mehr drauf als Fahrerinnen aus anderen Ländern", sagt Eva Walkner, die sich den Titel der Freeride-Weltmeisterin in den Jahren 2015 und 2016 sichern konnte: „Es gibt viele Frauen, die auf der Tour gewinnen können. Wir haben einfach das nötige Quäntchen Glück gehabt – und konnten die Referees am Ende mit konstanten Leistungen überzeugen."

Für Lorraine Huber, die am Arlberg groß geworden ist und als amtierende Weltmeisterin in die neue Saison startet, braucht es für den Erfolg vor allem die richtige Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit: „Natürlich musst du es wollen und dich über Jahre hinweg auf dein Ziel fokussieren, eines Tages ganz oben zu stehen. Gleichzeitig musst du dich am Berg im Moment befinden. Wenn du liebst, was du tust, ist das bereits deine Belohnung. Es geht um den Flow! Dann kommen der Erfolg und die Ergebnisse wie von selbst."

Bis es wie von selbst geht, braucht es allerdings eine Menge Diziplin. Und dazu zählt auch in der lässigen Freerider-Szene ein konsequentes Fitnessprogramm. Lorraine trainiert seit mehr als sechs Jahren mit einem eigenen Trainer ihre Kraft und Kondition. „Mental ist es von großer Bedeutung, fit zu sein. Nur dann fühlst du dich sicher", sagt Lorraine im Hinblick auf ihre immer wieder riskanten Rides. Denn dass es mal schief geht, gehört beim Freeriden dazu: „Die Frage ist nicht, ob man stürzt – sondern wann." Auf Basis einer optimierten Konstitution kann man deshalb nicht nur die beste Leistung abrufen; man kann in einer kritischen Situation präziser reagieren, steckt einen Sturz besser weg und wird im Falle einer Verletzung schneller genesen.

DIE ENERGIE DER BERGE
Das Risiko fährt immer mit. Und es kann einen auch mal schlimmer erwischen. So war es bei Nadine Wallner aus Bludenz, die zweimal auf der „Freeride World Tour" triumphierte, ehe sie im April 2014 bei Dreharbeiten in Alaska stürzte, mit offenen Brüchen von Schien- und Wadenbein im Schnee liegen blieb und in der Folge eineinhalb Jahre regenerieren musste. „In dieser Zeit habe ich viel über mich gelernt", sagt die heute 32-Jährige rückblickend: „Ich habe viel reflektiert, mir Gedanken darüber gemacht, was wirklich von Bedeutung ist. Und ich weiß seitdem noch genauer, wie wichtig mir die Berge sind. Du kannst den ganzen Tag dort draußen sein, dir fallen abends nur noch die Augen zu – und trotzdem spürst du eine ganz besondere, unbändige Energie in dir."

Diese magische Energie, die der wilden Natur innewohnt, ist es auch, die Lorraine Huber immer wieder ins Backcountry mit seinen unberührten Hängen treibt. „Die Piste ist ein kontrollierter, standardisierter Raum", sagt sie, „die echten Berge sind viel ursprünglicher. Ich genieße die einzigartige Stille, fühle mich so frei wie nirgendwo sonst. Dazu kommen die Geschwindigkeit, die Sprünge, die Herausforderung! Das macht Spaß, fordert dir aber auch eine Menge Verantwortung ab."

Das bestätigt auch Eva Walkner, die in Alaska den bis heute besten Ride ihres Lebens hatte, bei dem sie allerdings für keine Sekunde die Tatsache aus den Augen verlieren durfte, dass sie sich in einer absolute Extremsituation befand: „Es war in einem Hang mit dem Namen Dirty Needles, unfassbar steil, ich habe beim Fahren mit der Hand den Hang gestreift. Bei jedem Schwung verschwindet man in seiner eigenen Schneewolke, ist eine Sekunde lang blind. Der Schnee war so locker und leicht wie ich ihn nie zuvor gefahren bin. Es war wie im Traum! Und trotzdem war absolute Konzentration angesagt, der kleinste Fehler hätte üble Konsequenzen gehabt."

ERST DIE BASICS LERNEN
Wer Lust auf das Erlebnis Tiefschnee hat, aber noch keine Erfahrung abseits der Piste hat, der sollte den Schritt nur in Begleitung eines Bergführers oder mit erfahrenen Freeridern tun. Auch im Sinne der Sicherheit. „Wer wirklich mit dem Freeriden beginnen möchte, sollte sich weiterbilden", empfiehlt Eva Walkner: „Besonders wichtig ist es, Lawinenkurse zu besuchen und sich mit den alpinen Gefahren, die im ungesicherten Gelände lauern, auseinanderzusetzen. Wer sich nicht sicher ist, sollte immer einen Guide buchen! Außerdem gibt es inzwischen gute Freeride-Camps, in denen wichtiges Wissen vermittelt wird. Jedem muss klar sein: Freeriden ist riskanter als Fußball oder Tennis ..."

Und dann? Bis zu welchem fahrerischen Niveau kann man es als gewöhnlicher Freizeit-Skifahrer im Freeriden bringen? „Alles ist möglich", sagt Eva, die ihre Freeride-Karriere sogar erst im Alter von 27 Jahren begonnen hat – zuvor freilich als Skirennläuferin sogar auf acht Einsätze im alpinen Weltcup kam: „Als Profi muss man bereit sein, hart an sich zu arbeiten – und vor allem auch dann nach draußen zu gehen, wenn die Bedingungen vielleicht mal nicht so traumhaft sind."

Wer darauf keine Lust hat und ausschließlich bei Kaiserwetter seine Linien durch den Powder ziehen will, der kann das einfach nach Lust und Laune tun. „Freeriden muss nicht immer extrem sein", ermuntert Lorraine Huber alle Freizeit-Skifahrer: „Es kann auch ein schönes Dahinschwingen in einem offenen Tiefschneefeld sein. Jeder kann genau so fahren, wie er es tun möchte. Es geht im Freeriden um die eigene Kreativität. Und um die Auseinandersetzung mit der Natur." Dann folgt der Rest wie von selbst. Es bleibt ein Lächeln im Gesicht. Und das besondere Gefühl persönlicher Freiheit, irgendwo – zwischen Powder und Flow.

DIE FREERIDE QUEENS
Nadine Wallner / Bild: Red Bull Photofiles
Nadine Wallner
Geb. am 15. Mai 1989 in Bludenz ­(Vorarlberg), ihr Heimatskigebiet ist der Arlberg. Sie absolvierte 2011 ihre ersten Freeride-Bewerbe, gewann 2013 als jüngste Gesamtsiegerin erstmals die Freeride World Tour und verteidigte 2014 ihren Titel erfolgreich.
Lorraine Huber / Bild: Lorraine Huber
Lorraine Huber
Geb. am 3. März 1980, zu Hause in Lech am Arlberg (Vorarlberg), Freerideprofi und seit 2010 auf der Freeride World Tour. Sie veranstaltet Freeride-Camps für Frauen wie die „Women's Progression Days", ist Co-Gründerin von Österreichs erster Freeride-Schule, dem Freeride Center Sölden. 2017 Weltmeisterin als Gesamtsiegerin der Freeride World Tour.
Eva Walkner / Bild: Blizzard
Eva Walkner
Geb. am 16. Juni 1979, wohnt in Salzburg, ist Freerideprofi und freiberufliche Journalistin. Bestritt 51 Europacup­rennen und 8 Weltcuprennen im Slalom, ehe sie zum Freeriden wechselte. 2009 gelang ihr der erste Sieg auf der Freeride World Tour, 2015 und 2016 krönte sie sich zur ­Gesamtsiegerin und damit Weltmeisterin.


Lust auf ein wenig Backcountry? Wer noch keine Erfahrungen hat, der sollte sich in einem Freeride-Camp unter der Anleitung von Profis mit den wichtigsten Techniken und Sicherheitsregeln vertraut machen. Mehr Infos findet ihr im Internet bei Lorraine Huber und Eva Walkner: www.lorrainehuber.com / www.evawalkner.com


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