Sie ist bekannt für ihre gute Laune. Für ihre roten Haare. Und ihr Talent, beim Biken nicht nur selbst erfolgreich zu sein – sondern auch andere damit zu inspirieren. Die Kärntnerin Angie Hohenwarter ist ein Star der Freeride-Szene. Auch deshalb, weil sie den Spirit des Bikens auf ihre ganz persönliche Weise lebt.


Angie, du kommst gerade aus Madeira. Wie war's?
"Wundervoll! Wir waren zwei Wochen dort, um Fotos zu schießen. Und natürlich, um aufs Rad zu kommen. Madeira ist traumhaft schön, die Küsten im Norden und Süden sind grundverschieden. Am Meer kann die Sonne scheinen, während du oben in den Bergen im Nebel stehst und es auf der anderen Inselseite regnet. Hier wird's einem wirklich nicht langweilig."

Abwechslung scheint wichtig für dich zu sein: Beim Biken hast du mit Cross Country angefangen, dann aber bald nach neuen Abenteuern gesucht ...
"Ich bin seit meinem 9. Lebensjahr Cross-Country-Rennen gefahren, das habe ich also schon ein Stückchen durchgehalten. Es hat auch lange Spaß gemacht! Dann kam allerdings eine wilde Phase, in der ich etwas Neues ausprobieren wollte. Nicht jeden Tag trainieren, sondern auch mal ein bisschen Blödsinn machen. Ich habe mich im Downhill versucht, bei einem Wettkampf in Kaprun zufällig einen Sponsor kennengelernt und plötzlich war ich in einer anderen Disziplin aktiv."

Du warst zweifache Staatsmeisterin im Cross Country, später bist du im 4X Downhill bis in die Weltelite gefahren. Irgendwie schien dich das aber nicht dauerhaft zu befriedigen. Legst du dich nicht gerne fest?
"Ich war nie eine besondere Podiumsfanatikerin. Erfolge sind natürlich lässig, aber der Spaß steht für mich im Vordergrund. Biken ist extrem vielseitig. Und am Ende hat mich das Freeriden am meisten fasziniert. Ein paar Rennen im Jahr sind okay. Aber in meinem Job als Markenbotschafterin kann ich Produktwissen weitergeben und meine Begeisterung für diesen Sport mit anderen Menschen teilen. Das ist perfekt für mich ... ich will halt einfach Radl fahren!"

Was ist so schön daran?
"Du bist draußen in der Natur. Kopf und Körper werden gefordert. Es wird niemals langweilig. Du bist unterwegs und kommst an Plätze, die du sonst vielleicht nicht finden würdest."

Du hast mal gesagt, du willst vor allem den Spirit mit anderen teilen. Was bedeutet das für dich?
"Spirit heißt für mich, zu genießen, was man hat! Im Moment zu sein und nicht großartig über was anderes nachzudenken. Das Leben hetzt immer weiter, es gibt so viel Stress in unserer Welt. Davon fühlen sich viele Menschen eingeengt. Beim Radl fahren nutzt du deinen Freiraum aus und kannst abschalten. Du hast Spaß, bist am Lachen, du spürst ein Kribbeln ... das ist für mich das pure Leben."

Kann man diesen Spirit vom Radfahren auch in sein "normales" Leben transferieren?
"Ich denke schon! Wenn man die Dinge zu verbissen angeht, fährt man sich fest. Man kann in vielen Situationen einen besonderen Augenblick erleben. Und darum geht es doch! Natürlich will man seine Leistung bringen. Es muss auch mal anstrengend sein. Wenn es allerdings keinen Spaß mehr macht, sollte man sich vielleicht etwas anderes suchen."

Das scheint vielen schwerzufallen. Warum machen so wenige Menschen, was sie wirklich wollen?
"Die Gesellschaft hat schon einen sehr konkreten Plan. Nach der Schule kommen Studium oder Ausbildung. Dann muss man arbeiten, Geld verdienen, eine Familie gründen, das Auto abbezahlen, Eigentum aufbauen, an die Pension denken. Damit ist man erst einmal beschäftigt. Ich denke, dass viele Menschen gar nicht mehr darüber nachdenken, was sie wirklich wollen. Und dass sie vielleicht ein viel glücklicheres Leben führen könnten."

Fehlt den meisten einfach der Mut?
"Wahrscheinlich! Viele klagen über ihren Job. Aber sie beenden ihn nicht. Stattdessen machen sie immer so weiter. Du musst aber auch mal bereit sein, die Komfortzone zu verlassen! Dafür ist Radlfahren übrigens ein hervorragendes Training. Sport verhilft einem zu mehr Entschlossenheit. Er lässt dich spüren, was dir guttut. Und zeigt dir, wie schön die Freiheit ist."

Du selbst trägst seit Jahren rote Haare. Ist das dein Statement, immer das zu tun, auf was man gerade Lust hat?
"Beim Cross Country war ich früher mit dunkelblonden Haaren in engen Hosen unterwegs. Dann dachte ich mir: Ich steige um auf weite Hosen und färbe mir die Haare einfach mal rot. Das trage ich jetzt seit Jahren so, mit einer anderen Haarfarbe würden mich die meisten Leute gar nicht mehr erkennen. Mir gefällt es so. Und wenn's mir nicht mehr gefällt, mache ich was anderes."

Wenn man von dir liest, trifft man auf so hübsche Spitznamen wie „Free­ride-Queen" oder „Singetrail-Sonnenschein". Warum kommst du so gut rüber?
"Vielleicht weil ich meistens gut gelaunt bin? Ich teile gerne meine Freude, versuche immer, viel Positives weiterzugeben. Wenn es draußen regnet, kann man trotzdem Radl fahren gehen. Nass werden und im Schlamm landen, macht auch Spaß! Genau das versuche ich in meinen Radcamps und Sessions mit Frauen weiterzugeben. Die sollen mit einem Strahlen im Gesicht nach Hause kommen. Weil sie einen ganz besonderen Spirit erlebt haben. Für mich ist das die Erfüllung dessen, was ich tue. Man teilt die Freude und bekommt sie doppelt zurück."

Warum sind immer noch so wenige Frauen auf dem Bike zu sehen?
"Ich denke, das hat sich schon gebessert! Es gibt mehr und mehr Angebote speziell für Frauen. Das ist wichtig, weil das Fahren mit Männern anstrengender sein kann. Sie sind etwas ungeduldiger und risikofreudiger, einfach mehr im Racemodus. Viele Frauen wollen es erst einmal gemütlich angehen."


Trotzdem heißt Biken, auch mal ans Limit zu gehen und Grenzen zu testen. Wie verhältst du dich in riskanten Situationen?
"Bei einer schweren Wurzelpassage fange ich an zu singen, summe ein Lied oder rede mit mir. Das hilft mir, mich zu konzentrieren. Und meistens ist es wirklich Kopfsache. Früher habe ich vor einem Rennen eine Art Film abgespielt und mir den perfekten Lauf vorgestellt, um mich damit zu pushen."

Und heute? Wie würdest du einen perfekten Moment auf dem Bike beschreiben?
"Du spürst die Kontrolle über dein Rad und gleichzeitig die eigene Lockerheit. Du weißt, wie du eine schwere Passage nimmst, wie du reagierst, wenn du mal wegschmierst. Der Trail beansprucht dich, ohne zu stressen. Du fährst einfach runter, bist am Singen und hast ein Grinsen im Gesicht."

Wo erlebst du solche Momente?
"Den Hacklberg-Trail in Saalbach mag ich sehr gerne. In Kanada gibt es viele spektakuläre Routen. Aber ganz ehrlich: Der schönste Trail der Welt kann hinter der eigenen Haustür losgehen. Wenn man den Spirit lebt und jeden Moment genießt. Der perfekte Augenblick – der kann immer und überall sein."

Angie Hohenwarter / Bild: Florian Falch Fotografie / PROPAIN Bikes

Die Freeride-Königin
ANGELIKA HOHENWARTER (32) wurde am 12. Februar 1985 in Villach (Kärnten) geboren. Im Alter von neun Jahren fuhr sie ihr erstes MTB-Rennen, 1999 und 2000 wurde sie österreichische Staatsmeisterin im Cross Country. 2003 wechselte sie zum Downhill, im 4X (vier Läuferinnen starten gleichzeitig) wurde sie 2006 EM-Fünfte und 2008 erneut Staatsmeisterin. Ihr bestes Weltcupergebnis war der 4. Platz in Schladming (2008).

Angie Hohenwarter ist Guide beim SPORTaktiv Ladies Bikecamp am Weissensee in Kärnten und als Markenbotschafterin für Sram, Maloja, Evoc, Oakley und Propain Bikes aktiv. Sie ist ledig und lebt in Innsbruck (Tirol).

WEB: www.angiehohenwarter.com



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