Jubelszenen aller orten. Das Nationalteam fährt zur EURO, die Klubs sorgen für Highlights im Europacup. In erster Linie eine Folge des Stils, den Red Bull Salzburg in den heimischen Fußball gebracht hat.
 

Markus Geisler

Als Sportdirektor des ÖFB hat Peter Schöttel die Entwicklung des gesamten österreichischen Fußballs im Blick. Und der ist derzeit mit einem breiten Lachen versehen. Und zwar nicht nur, weil sich das Nationalteam zum zweiten Mal nacheinander für eine EURO qualifiziert hat, sondern weil die Klubs der oft gescholtenen Liga international für Highlights sorgen. „Extrem interessant, total positiv“, sagt der 52-Jährige im Gespräch mit SPORTaktiv. „Wenn ich sehe, wie der LASK einen Klub wie Sporting Lissabon an die Wand spielt oder ein Team wie Gladbach kein Gegenmittel gegen den WAC findet – das ist schon eine herausragende Entwicklung.“ Und da sind die spektakulären Auftritte von Salzburg gegen Genk, Liverpool oder Napoli in der Königsklasse noch gar nicht erwähnt. Schöttel weiter: „Die Top-3 der Liga (Anm.: Salzburg, LASK, WAC) spielen alle Red-Bull-Fußball, ein Stil, der momentan auch von Spitzenteams nur schwer in den Griff zu kriegen ist.“ Die Redbullisierung des Fußballs, sie hat längst auf mehreren Ebenen in den heimischen Kick Einzug gehalten, ganz egal, wie man generell zu dem Konstrukt steht.

Liga im RB-Bann
Okay, dass bei Serienmeister Salzburg Fußball der Marke Red Bull gespielt wird (aggressives Gegenpressing, schnelles Umschaltspiel, permanenter Zug zum Tor) kommt wenig überraschend. Aber auch die ersten Verfolger bedienen sich genau dieses Stils und haben damit etablierte Klubs wie Rapid, Austria oder Sturm abgehängt. Beim LASK hat Oliver Glasner, einst Co-Trainer von Roger Schmidt in der Mozartstadt, vier Jahre lang diesen Stil implementiert. Und damit aus einem grauen Zweitligisten ein Team geformt, das in Europa für Aufsehen sorgt. Ähnlich die Lage beim WAC. „Reformator“ Christian Ilzer ist zwar kein klassischer Red-Bull-Schüler wie sein zwischenzeitlicher Nachfolger Gerhard Struber, der mittlerweile vom englischen Championship-Klub FC Barnsley abgeworben wurde. Doch die klare RB-Philosophie, die einst von Ralf Rangnick in die Liga getragen wurde, ist auch dort mit freiem Auge erkennbar. 

Zur Wahrheit gehört auch, dass die gesamte Liga von in Salzburg ausgebildeten Spielern profitiert. Mit Ausnahme von Rapid, dem ideologischen Gegenspieler des Dosen-Projekts, hat jeder (!) Klub der Bundesliga schon mindestens einen Spieler von dort ausgeliehen, manche sogar bis zu fünf (WAC, LASK). In der aktuellen Saison sind sechs Spieler ligaintern verliehen, darunter tragende Säulen wie Mergim Berisha (7 Tore für Altach) oder Anderson Niangbo (9 Tore für den WAC, Stand jeweils 27. November). „Solche Geschäfte sind win-win-win-Situationen – für uns, für den aufnehmenden Klub und für den Spieler, der mehr Praxis bekommt, als es bei uns möglich wäre“, sagt Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund.

„Riesige Wertschätzung“
Auch das ÖFB-Team, das nach holprigem Start und bitterem Ende letztlich doch souverän die Qualifikation für die EURO geschafft hat, profitiert von der Redbullisierung des Fußballs. Zwar bedient sich Teamchef Franco Foda bei seinem Spielmenü nicht der Karte von Red Bull (was ihm durchaus kritische Nachfragen einbringt), viele seiner tragenden Säulen spielen aber bei RB Salzburg/Leipzig oder haben wenigstens eine RB-Vergangenheit. Die Grafik auf dieser Seite zeigt, wie eine Mannschaft aussehen könnte, die ausschließlich auf Spieler mit Red-Bull-Berührungspunkten setzt. Eine illustre Auswahl, die international durchaus konkurrenzfähig erscheint. 

„Man kann die gute Arbeit, die in Salzburg geleistet wird, ja nicht wegdiskutieren“, sagt Peter Stöger, international gestählter Trainer und aktuell Sportvorstand bei der Wiener Austria. Von dem Boom, der derzeit herrscht, profitiert seiner Ansicht nach der gesamte rot-weiß-rote Fußball. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie schlecht der Fußball in Österreich gesehen wird. Die Wahrnehmung von außen ist eine komplett andere. Wenn ich mich mit Vereinsvertretern aus Deutschland ­unterhalte, gibt es eine enorme ­Wertschätzung.“ Auch eine Folge der Redbullisierung des österreichischen Fußballs.