Wenn Frauen heute ihre Laufschuhe schnüren, geht es nicht unbedingt um Hochleistungstraining. Vielmehr steht Laufen für weiblichen Lifestyle. Eine im wahrsten Sinne des Wortes weltweite Bewegung – die Frauen und Sport in ein neues Licht rückt.
Von Edith Zuschmann
„Frauen gefährden durch langes Laufen ihre Fruchtbarkeit." „Frauen mutieren zu Männern, wenn sie regelmäßig Laufsport betreiben." „Frauen fällt beim Laufen die Gebärmutter heraus."
Verrückt, oder? Und doch sind das Ansichten, die hochrangige Mediziner noch vor fünf Jahrzehnten propagierten. Die Laufpionierinnen der 70er-Jahre, allen voran Kathrine Switzer, die 1967 als erste Frau offiziell einen Marathon finishte, belehrten sie eines Besseren. Sie blieben Frauen – und sind es nach wie vor.
Heute weiß jedes Kind, dass Laufen sowohl für Frau als auch Mann nicht nur gesund ist und fit hält: Es macht attraktiv, beugt einer Vielzahl von Erkrankungen vor, fördert das physische wie psychische Wohlbefinden und gilt als wahrer Jungbrunnen. Das belegen nicht nur aktuelleForschungsstudien, sondern eine rund um den Globus hunderte Millionen große, begeisterte Läuferinnenschar.
Überall auf diesem Planeten laufen Frauen jeden Alters, Statur und sozialer Herkunft. Mussten die Vorreiterinnen teilweise noch auf versteckten Pfaden ihre Kilometer zurücklegen, präsentiert sich die heutige Läuferinnengeneration offen und selbstbewusst. Ja, der Laufsport sorgte in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern sogar für eine kleine gesellschaftliche Revolution. So etwa in Japan, wo Frauen bis in die 1970er-Jahre unterwürfig ihren Männern dienen mussten. Denn Helden waren männlich. Heute sieht es anders aus: Gerade die japanischen
Marathonläuferinnen werden wie Göttinnen verehrt. Ähnlich passiert in den ostafrikanischen Laufnationen. Dort eröffnet dieser Sport den Frauen neue Perspektiven und sie beginnen, traditionelle Gesellschaftsmuster zu durchbrechen.
TREIBENDE KRAFT
Aktuell sind es Frauen, die weltweit die Teilnehmerzahlen an Laufevents in die Höhe klettern lassen. Während in Europa der Anteil an Marathonläuferinnen erst etwa 20 Prozent ausmacht, liegt das Geschlechterverhältnis bei Marathonbewerben in den USA bereits bei 50:50. 2014 verzeichneten die amerikanischen Straßenläufe insgesamt 10,7 Millionen Teilnehmer – und 57 Prozent davon waren Frauen! Bei US-Halbmarathons 2014 waren sogar 61 Prozent der Teilnehmer weiblich. Ein Trend, der seinen Weg auch nach Europa findet: Hierzulande erfreuen sich besonders Frauenläufe großer Beliebtheit – mit über 30.000 Anmeldungen reiht sich der österreichische Frauenlauf am 22. Mai in Wien weltweit unter die größten seiner Art ein. Und auch gemischte Laufbewerbe erfreuen sich regen weiblichen Zulaufs. Tendenz steigend.
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DIE ANZIEHUNGSKRAFT
Aber nicht nur die Eventszene, sondern auch die Sportartikelindustrie profitiert vom weiblichen Geschlecht. Farbenfrohe Damenkollektionen, schicke Laufunterwäsche, das passende Sport-Make-up und vieles mehr – laufende Frauen gelten als treibende Umsatzträger in der direkten und mittelbaren Sportwirtschaft.
Aber warum erfreut sich gerade diese Sportart bei Frauen solch einer großen Beliebtheit? Ganz oben steht schlichtweg die Einfachheit: Losstarten lässt es sich überall und zu jeder Zeit. Anfahrtswege, spezielle Infrastruktur und teures Equipment fallen weg, der Organisationsaufwand ist minimal. Hinzu kommt auch der Zeit-Wert-Faktor: Bereits 30 Minuten Laufen bringt nachweislich einen hohen physischen und auch mentalen Nutzen. Zudem lassen sich, je nach Intensität und Dauer, alle fitnessrelevanten Faktoren trainieren: Ausdauer, Kraft, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit. Das kommt alljenen entgegen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssen. Und natürlich nicht zu vergessen: Viele Frauen suchen nach einer effizienten Sportart, bei der in kurzer Zeit verhältnismäßig viele Kalorien verbrannt werden. Und da liegt Laufen im Spitzenfeld. Eine 60 kg schwere Frau verbrennt während eines einstündigen Laufes, bei dem sie 10 km zurücklegt, rund 550 Kalorien.
Ein weiterer Pluspunkt: Die benötigte Ausstattung ist in Relation zu anderen Sportarten kostengünstig, auch für kleine Brieftaschen: Schuhe, Sport-BH, eine Hose, ein Shirt – und schon kann es losgehen.
Nicht zuletzt spielt auch der gesellschaftliche Aspekt eine Rolle: Anstatt sich mit Freundinnen auf einen Kaffee zu treffen, schnüren immer mehr Frauen gemeinsam die Laufschuhe. Es entstehen Läuferinnen- Communitys, in denen es nicht um Meter und Sekunden geht, sondern um den gemeinsamen Spaß an der Bewegung. Kontakte mit Gleichgesinnten werden regelmäßig auf gesunde Art und Weise gepflegt. Ein Beispiel dafür sind die „Club 261 Lauftreffs“ (siehe Info-Kasten unten), die in Europa, Amerika und Asien Frauen miteinander vernetzen. Aktuell gibt es die „261 Community“ bei uns in Kärnten und der Steiermark.
AM ANFANG STEHT DAS ZIEL
So viel also zur Erklärung, warum weltweit die Frauen den Laufsport für sich entdeckt haben. Alljenen aber, die zwar sportlich aktiv, aber noch nicht in der Laufcommunity angekommen sind, wollen wir hier Starthilfe geben. Und beginnen gleich mit der Frage: Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, um mit dem Laufen anzufangen? Die Antwort ist einfach: jederzeit, am besten noch heute! Es kommt nicht auf den Zeitpunkt oder Ort an, ausschlaggebend allein sind das Wollen und Tun.
Wir wissen: Jeder Anfang ist schwer. Sich ein klares Ziel zu setzen hilft aber besonders zu Beginn, den inneren Schweinehund zu besiegen. Die Teilnahme an einem Wettbewerb, Gewichtsverlust, die Verbesserung eines messbaren Wertes oder einfach das regelmäßige Treffen mit Bekannten können als Motivatoren dienen.
Und los geht's! Die ersten Schritte sollten ganz gemütlich ausfallen, für absolute Einsteiger am besten mit einem Wechsel aus Laufen und flottem Gehen. Auch wenn es euch zu langsam vorkommt – damit ist der erste und allerwichtigste Schritt getan. Denn geht ihr es zu schnell an, geht euch auch rasch die Puste aus – und ihr verliert gleich wieder die Lust.
Bereits nach einigen Einheiten schafft ihr es, drei, vier, fünf Minuten durchzulaufen, und im Nu sind es dann 30 Minuten am Stück. Nehmt euch am Anfang keine Kilometeranzahl vor, sondern lauft nach Zeiteinheiten. So habt ihr weniger Druck und die Freude ist doppelt so groß, wenn ihr merkt, wie ihr bald in derselben Zeit längere Distanzen schafft.
Damit tatsächlich Verbesserungseffekte auf allen Linien eintreten – sei es die Schnelligkeit, die Kondition, aber auch bei der Figur – solltet ihr mindestens drei Mal 30 Minuten pro Woche laufend unterwegs sein. Seid aber am Beginn nicht zu ehrgeizig, sondern steigert die Häufigkeit und die Dauer des Trainings nur langsam.
Und sucht euch Verbündete! Verabredet euch mit einer Freundin zum Laufen – zu zweit macht es nicht nur mehr Spaß, es verpflichtet auch, (Lauf-)Termine einzuhalten. Oder ihr schließt euch einer Frauenlaufgruppe an, in ganz Österreich werden wöchentliche Lauftreffs exklusiv für Frauen angeboten (siehe unten). Auch Einsteigerinnen finden dort motivierende Unterstützung durch Gleichgesinnte und erhalten Tipps von erfahrenen Betreuerinnen.
MAGISCHER MARATHON
Ist das Lauffeuer dann einmal entfacht und eine gute Trainingsbasis geschaffen, dann wollen natürlich auch Läuferinnen zumindest ab und zu die „Komfortzone" verlassen und die eigenen Grenzen der Leistungsfähigkeit ausloten – sowohl im Training als auch im Wettkampf. Eine geradezu magische Anziehungskraft übt ausgerechnet bei Frauen die Marathondistanz aus. Dabei geht es nicht um Siege oder Spitzenzeiten, sondern darum, aus eigener (weiblicher) Kraft diese berühmten 42,196 km zu bewältigen. Wissenschaftliche Studien belegen ja, dass gerade Frauen dank ihres höheren Körperfettanteils sowie eines äußerst ökonomischen Fettstoffwechsels geradezu prädestiniert sind, lange Distanzen laufen zu können. Auch mental scheint das weibliche Geschlecht ausdauernder und schmerzresistenter zu sein.
Natürlich müssen Frauen genauso hart und konsequent trainieren wie Männer, um ihr wie auch immer definiertes Ziel zu erreichen. Und sie müssen sich ausreichend Zeit nehmen, um Körper und Geist sorgsam für das „Vergnügen Laufsport" aufzubauen. Aber es ist eine Investition, die sich lohnt, denn das Gefühl bei einem Zieleinlauf oder nach einem absolvierten Trainingslauf lässt sich mit nichts auf dieser Welt kaufen.
Frauenlauf-Pionierin Kathrine Switzer brachte es auf den Punkt: „Es geht um mehr als nur ums Laufen – es geht um die Chance, dein Leben zu ändern!" Das anzupacken, was man als Frau selbst möchte, das geht mit Laufen einfach, rasch und wirkungsvoll. Probiert es aus!
FRAUENLÄUFE
Allgemein: | Am 3. Juni 1972 fiel im New Yorker Central Park der Startschuss zum weltweit ersten Frauenlauf. Was damals mit 78 Teilnehmerinnen begann, entwickelte sich zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte. 1988 brachte Ilse Dippmann die Idee nach Österreich. Heute zählt der Österreichische Frauenlauf in Wien mit über 30.000 Anmeldungen zu den größten der Welt. |
Frauenläufe in Österreich: |
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Frauenläufe international: |
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GROSSE FRAUENLAUFSERIEN
Deutsche Post-Ladies Run-Serie: | 9 Läufe in 9 Städten; Infos: deutschepost-ladiesrun.de |
Craft Women’s Run-Serie: | 6 Läufe in 6 deutschen Städten; Infos: womensrun.runnersworld.de |
Carrera de la Mujer: | 8 Läufe in 8 spanischen Städten; Infos: carreradelamujer.com |
Women’s Running 10K-Race Serie: | 11 Locations in Großbritannien; Infos: womensrunninguk.co.uk/wr10k |
NikeWomen Victory-Tour: | 20 Läufe weltweit; Infos: nike.com/de/women/events |
FRAUENLAUFTREFFS
„Fit in 12 Wochen“: | Lauftreffs des Österreichischen Frauenlaufs – in Wien, Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Steiermark und Tirol; Infos: oesterreichischer-frauenlauf.at |
Club 261 Lauftreffs: | Treffs in Kärnten und der Steiermark; Infos: club261.com |
261 Fearless: | die globale Frauen-Laufcommunity; Info: 261fearless.org |
Zum Weiterlesen: