Sportministerium / www.sportministerium.at„Betriebssport" klingt verstaubt, nach Vereinsmeierei und Verpflichtung. Bewegung statt sportlicher Höchstleistung motiviert aber auch die Unsportlichen. Ein neues Zentrum unterstützt Unternehmen in Österreich bei der Suche nach dem passenden Konzept.

Von Sonja Burger


Zuerst atmen die Frauen, die im Kreis sitzen, normal ein, halten dann beim Ausatmen den rechten Daumen aufs rechte Nasenloch, atmen nochmals ein und decken beim Ausatmen das linke Nasenloch zu. Dann wird wieder normal geatmet. „Wechselatmung" nennt man das, eine Yoga-Übung für inneres Gleichgewicht und Konzentration. Diese paar Minuten Entspannung bilden den letzten von drei Teilen eines 15-Minuten-Bewegungsprogramms, das die Stubenfrauen im Hotel „Stefanie" in Wien jeden Tag absolvieren. Bis zu 15 Frauen beginnen seit Mai letzten Jahres ihren Arbeitstag freiwillig um 8:30 Uhr mit einer Mischung aus Mobilisations-, Kräftigungs- und Entspannungsübungen. Viele waren zuvor noch nie mit Yoga oder Qigong in Berührung gekommen, aber mit ihrer Teilnahme am Betriebssport-Angebot „Start in den Tag" hat sich das geändert – und bewährt.

Dass das Angebot so gut angenommen wird, liegt auch an der Art, wie es die Unternehmensführung der Schick-Hotels Betriebs GmbH umgesetzt hat. So wird das 10- bis 15-minütige Bewegungsprogramm täglich und während der Arbeitszeit angeboten. HR-Managerin Doris Schweng, die sich auf eigenen Wunsch zur Gesundheits-Multiplikatorin fortbilden ließ, steht voll dahinter. Mit Motivation und Begeisterung führen sie und ein Kollege das Training für die „Stefanie"-Stubenfrauen durch: „Das eigene Interesse daran ist sehr wichtig. Es muss einem Spaß machen, die Übungen vorzuzeigen und sich in der Gruppe zu bewegen", sagt Doris Schweng. Mit der Aktion „Start in den Tag" erreicht sie etwa acht Prozent der Hotel-Belegschaft im „Stefanie". „Gerade die Berufsgruppe Stubenfrau ist permanent auf Achse, ihre Arbeit zählt zu den anstrengendsten in einem Hotel und die körperliche Belastung ist einseitig." Die Unternehmensführung hat erkannt, dass Prävention wichtig ist, um gesundheitlichen Folgeerscheinungen entgegenzusteuern.

ÜBERZEUGUNGSARBEIT
Welche Wirkung bereits 15 Minuten gezielte Mobilisierungs-, Kräftigungs- und Entspannungsübungen täglich haben, lässt sich zwar schlecht in Zahlen (wie etwa weniger Krankenstandstage) fassen – aber Folgen sind durchaus zu beobachten: „Hier im Hotel Stefanie ist der Zusammenhalt im Team besser geworden, die Wertschätzung für die Berufsgruppe Stubenfrau ist gestiegen, Neuzugänge werden schneller integriert." Doris Schweng musste anfangs viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten – auf beiden Seiten. „Die Atemübungen zum Stressabbau haben viele belächelt. Heute schätzen sie das sehr und fordern das tägliche Training sogar ein", ist Schweng stolz auf ihren Erfolg, der bei manchen bis in die Freizeit reicht.

Das Beispiel der Betriebssportaktion „Start in den Tag" im Hotel Stefanie zeigt mehrere Dinge auf: Bewegung am Arbeitsplatz kann so gestaltet sein, dass es sich auch in der Arbeitskleidung durchführen lässt, ist problemlos während der Arbeitszeit möglich und sensibilisiert die Angestellten für mehr Eigenverantwortung in puncto Gesundheit. Umgekehrt ist es für den nachhaltigen Erfolg jeder Betriebssportaktion unumgänglich, dass die Unternehmensführung die klare Botschaft vermittelt: Ja, Sport und Bewegung sind erwünscht! Ohne es aktiv zu kommunizieren, die Mitarbeiter persönlich einzuladen, es zu probieren, trägt das tollste Angebot keine Früchte. Motivation hängt gerade beim Betriebssport stark davon ab, ob die Führungsebene, vom Abteilungsleiter bis zur Konzernchefin, dahinter steht.

MEHR INFO, BESSERER AUSTAUSCH
Weil aber jedes Unternehmen und sein Team anders „tickt", ist es im Einzelfall oft schwierig, das passende Betriebssportangebot auszuwählen. Wie es generell um den Betriebssport im Lande bestellt ist, hat der Österreichische Betriebssportverband (ÖBSV) vor vier Jahren erhoben. Die Ergebnisse nahm das ÖBSV-Team zum Anlass für einige grundlegende Richtungsentscheidungen und will künftig zu einer Anlaufstelle für alle heimischen Unternehmen – egal, welcher Größe – werden.

„Es gibt heute zwar viele Angebote, Initiativen und Ideen, aber in jedem Bundesland läuft es ein wenig anders, speziell was Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten betrifft", erklärt Alexandra Koncar, Generalsekretärin des ÖBSV. „Je kleiner das Unternehmen, desto weniger Zeit steht oft zur Verfügung, um das richtige Angebot für die Mitarbeiter zu suchen. Der ÖBSV baut deshalb ein Kompetenzzentrum für Sport und Bewegung in Unternehmen auf und will zentrale Servicestelle in Sachen ,Corporate Activity' sein."

Bei diesem Konzept geht es um mehr als um Gesundheitsförderung durch Sport und Bewegung. Indem diese Aktivitäten zu einem Teil der Unternehmenskultur werden, können beide Seiten zusätzlich von den positiven Effekten auf das Betriebsklima profitieren. In einem ersten Schritt recherchiert der ÖBSV die bestehenden Angebote aus dem In- und Ausland, und macht die Infos zugänglich. Auch die Möglichkeit, sich untereinander mehr zu vernetzen, wird gefördert. Durch die Zusammenarbeit mit der ARGE-AK/ÖGB-Betriebssport auf Bundesebene sind auch die Interessen der Arbeitnehmer gut vertreten.

VEREINSMEIEREI IST PASSÉ
Der „klassische Betriebssport", der als Verein organisiert und gelebt wurde, hat an Attraktivität oft eingebüßt. Leistung und Wettkampf spielen zwar für viele als Motivation für Sport nach wie vor eine große Rolle, was auch die hohen Teilnehmerzahlen, etwa bei Laufevents wie dem „Wien Energie Businessrun" oder dem Grazer Businesslauf", belegen. Auch internationale Events, wie die „Europäischen Betriebssportspiele", die 2019 in Salzburg ausgetragen werden, üben weiterhin eine große Anziehungskraft aus. Damit erreicht man allerdings überwiegend nur jenen Teil der Belegschaft, der ohnehin sportlich aktiv ist. Diejenigen, die gar nichts tun, finden in diesen traditionellen Strukturen keinen Platz.

Um dem entgegenzusteuern, ist es nötig, sich mit der Diversität innerhalb des Unternehmens auseinanderzusetzen. Die Veränderungen der letzten Jahrzehnte in Sachen Arbeitszeit, Arbeitsplatzgestaltung, Lifestyle oder Familiensituation brachten es nämlich mit sich, dass die Bedürfnisse des Einzelnen völlig unterschiedlich sind. Der Fokus auf „Bewegung" statt auf Sport bietet hier mehr Flexibilität. Ob man nun lieber um 6 Uhr im firmeneigenen Fitnessstudio trainiert, die Mittagspause für eine Yoga-Einheit nutzt oder nach der Arbeit mit Kollegen laufen geht: Mehr Bewegung ist ein für viele Berufsgruppen realistisches Ziel.

MIT DISZIPLIN
Allerdings sind der nötige Wille und eine bewusste Entscheidung die Grundvoraussetzung, weiß Alexandra Koncar – auch aus eigener Erfahrung: „Auch ich habe mich viel zu wenig bewegt. Aber wenn man das Thema ernst nimmt und sich seinen Arbeitsalltag bewusst ansieht, erkennt man gleich, wo es Gelegenheiten gibt, um sich mehr zu bewegen. Investiert man in Disziplin, wird es bald zur Gewohnheit, zum Beispiel viele Termine zu Fuß zu erledigen."

Das Fazit: Flexible und vielfältige Angebote vor Ort, Interesse sowie ein klares Bekenntnis auf beiden Seiten zu Bewegung und auch Sport schaffen die Grundlage. Manchmal ist auch ein wenig Überzeugungsarbeit nötig – aber Fakt ist: Mit entspannten Kollegen, wie im Hotel Stefanie, arbeitet es sich garantiert viel besser.

5 FRAGEN*
... die sich Unternehmer nicht stellen trauen:.... die sich Mitarbeiter nicht stellen trauen:
1. GEHÖREN SPORT UND BEWEGUNG NICHT IN DIE FREIZEIT DER MITARBEITER?
Betriebssport oder „betriebliche Gesundheitsförderung" erhält die Fitness und Gesundheit während der Arbeit. Sehen Mitarbeiter, dass Chefs dafür Arbeitszeit zur Verfügung stellen, investieren sie meist auch freie Zeit.
1. MUSS ICH MICH BEWEGEN, UM MEINEN JOB ZU BEHALTEN?
Die Angebote der Unternehmen sind immer freiwillig. Dabei dreht sich aber nicht immer alles um Bewegung. Oft geht es um Informationsvermittlung in puncto Gesundheit und Bewegung.
2. LENKT DAS MEINE MITARBEITER NICHT VON DER ARBEIT AB?
Im Gegenteil – Ablenkung macht den Kopf frei. Außerdem steigern manche Übungen die Konzentration.
2. WANN SOLL ICH IN DER ARBEIT NOCH SPORT TREIBEN?
Aktive Bewegungspausen können genauso in den Arbeitsalltag integriert werden wie der vitale, gesunde Snack für zwischendurch.
3. IST NICHT JEDER SELBST FÜR SEINE GESUNDHEIT VERANTWORTLICH?
Eigenverantwortung muss erhalten bleiben. Aber jeder Betrieb kann durch Angebote und Wissensvermittlung sensibilisieren. So gelingt letztlich auch der Transfer ins Privatleben.
3. MACHE ICH MICH NICHT LÄCHERLICH, WENN ICH UNSPORTLICH BIN?
Betriebssport kann so gestaltet sein, dass für jedes Niveau etwas dabei ist. Es geht auch oft einfach nur um Bewegung. Entspannung oder Stressmanagement runden das Ganze ab.
4. KOSTET MICH DAS NICHT UNSUMMEN?
Nicht wirklich. Lässt man sich beraten, sind die Kosten überschaubar. Projekte sind individuell an jede Unternehmensgröße anpassbar. Mit Vorträgen, Workshops und Gruppenkursen erreicht man gleich viele Mitarbeiter.
4. WIE SOLL ICH MICH IM BUSINESS-OUTFIT OHNE SCHWITZEN BEWEGEN?
Aktivität im Arbeitsalltag ist nicht zwangsläufig mit Schwitzen verbunden. Viele Übungen sind gut für Geist und Seele. Außerdem lässt es sich auch so organisieren, dass man sich umziehen und duschen gehen kann.
5. DEN EFFEKT KANN ICH NICHT MESSEN. WOZU ALSO DAS GANZE?
Den Erfolg anhand von Krankenstandstagen zu messen, ist nur mehr Zusatz. Viele Studien belegen heute den Return on Investment (ROI) und Evaluierungen zeigen,
dass die Zufriedenheit steigt, der Teamgeist und die Kommunikationskultur verbessert und gefördert werden.
5. BRINGT BETRIEBSSPORT FÜR MICH NICHT NOCH MEHR LEISTUNGSDRUCK?
Es soll Spaß machen und fördert das Miteinander. Sensibilisierung, das Entwickeln von Eigenverantwortlichkeit und Gesundheitsförderung gehen Hand in Hand. Leistungsgruppen sind nur etwas für jene, die das auch interessiert.

* Gestellt und beantwortet von Mag. Alexander Moser, Sportwissenschafter, UNIQA-Vitalcoach und Inhaber der „inns-med Gesundheitszentrum GmbH"


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