App oder Pulsuhr? Trainingsplan aus dem Internet oder ein Trainer aus Fleisch und Blut? Oder doch ganz einfach aufs Bauchgefühl vertrauen? Viele Hobbyläufer fragen sich, wer oder was ihr idealer Coach und Motivator ist. SPORTaktiv-Redakteur Klaus Molidor hat auf dem Weg vom Einsteiger zum Marathonläufer alle gängigen Trainingshelfer durchprobiert – und macht sich rückblickend auf die Spur ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile.

Klaus Molidor
Klaus Molidor

Am Anfang war der Bauch – als äußeres Zeichen, dass sich an der inneren Einstellung etwas ändern muss. Also: Laufen. Und wenn er schon den Ausschlag gibt, dann laufen wir auch aus dem Bauch heraus. Nach den ersten Sünden wie falschen Schuhen und zu hohem Tempo bekam ich recht schnell ins Gefühl, was Körper und Seele gut tut. Weniger ist am Anfang meist mehr und Langsam das neue Schnell. So stellte sich bald ein Wohlbefinden ein und der innere Schweinehund musste nicht mehr angebrüllt werden, sondern trollte sich von alleine ins hinterste Gedankenwinkerl.

Zum Einsteigen war das Laufen aus dem Bauch heraus für mich also ideal. Kein Stress mit Zeiten, Herzfrequenzen, Kilometerleistungen. Dafür ein Gefühl, dass am Ende der Laufrunde besser war als davor. „Dagegen spricht auch gar nichts, wenn es eben nur um dieses Gefühl geht", sagt Mag. Kurt Steinbauer, ehemaliger Leichtathlet und Sportwissenschafter. Was man aber auf alle Fälle tun sollte: Einmal im Jahr zur Gesundenuntersuchung, um ein Belastungs-EKG und ein Herz­ultraschall machen zu lassen. „Mit zunehmendem Alter verkalken die Gefäße. Wenn man dann rasch viel Sauerstoff braucht, kann das gefährlich werden." Läufern ab 40 rät Steinbauer jährlich dazu – auch, wenn sie keinen Marathon als Ziel haben. „Ganz im Gegenteil. Wer nur fünf Kilometer läuft, tut das viel eher am letzten Zacken."

DEM HERZSCHLAG NACHSPÜREN
Irgendwann, wenn das Laufen schon mehr Bedürfnis als Bedingung ist, kommt dann aber die Lust auf mehr. Oder besser weniger. Denn der Umfang der Leibesmitte hat sich bei mir lange nicht verändert. Also Puls­uhr angelegt, Daumen mal Pi die Zone für die optimale Fettverbrennung errechnet und schwupp – musste das Tempo wieder runter. Ich unterlag damals dem Irrtum, dass der „Fettstoffwechselbereich" besser dem Bauchfett zu Leibe rücken würde – in Wahrheit profitierte ich von der Uhr dann anderweitig: Plötzlich kam Planung ins Spiel, ein Ziel und die Erkenntnis: „Bergauf sind Mütter mit Kinderwägen schneller als ich." Ein weiterer Vorteil der Puls­uhr versöhnte mich rasch mit dieser Erkenntnis: Ich bekam meine zuvor bloß gespürten Fortschritte objektiviert.

Nach ein paar Einheiten wuchs der Zeitraum, in denen der Puls bei gleichem Tempo in der Zielzone blieb, deutlich an. So etwas motiviert. Wenn der Weg das Ziel ist, das gesteigerte Wohlbefinden und das Naturerlebnis ganz oben stehen, wirkt die Puls­uhr als Katalysator für die Lauflust. Wer seine echten Schwellenwerte nicht kennt, für den sind die Herzfrequenz­werte aber nur ein Anhaltspunkt. „Die Formel 220 minus Lebensalter ist ein reiner statistischer Wert und passt nicht automatisch auf jeden Läufer", sagt Kurt Steinbauer. Demnach dürfte ich aktuell nur noch einen Maximalpuls von 179 haben, tatsächlich pumpert das Herzerl aber oft noch 200 Mal in der Minute.

ERSTER WETTKAMPF, ERSTE APP
Unter Volllast versteht sich, wie das bei einem Wettkampf der Fall ist. Denn mit steigender Laufleistung tauchte irgendwann einmal die Frage im Hinterkopf auf: Warum sich nicht einmal mit anderen messen? Wenn man sich dann im werten Läuferkollegenkreis gegenseitig ein wenig häkerlt und den Ehrgeiz beim Gegenüber aufstachelt, dann braucht es, so dachte ich, mehr als Bauch und Puls. Schließlich will man ja wissen, wie weit fünf Kilometer tatsächlich sind. Und wenn es in der Nähe keine ausgemessene und ausgeschilderte Laufstrecke gibt, dann soll eine App sagen, wie lang denn die Hausrunde tatsächlich ist. Ein Smartphone hat schließlich heute jeder – eine Pulsuhr mit GPS-Funktion nicht ...

Marktführer Runtastic bietet schon in der Gratis-Version einiges, macht vor allem aber Lust auf die Pro-Version, die es um knapp 5 Euro pro Monat gibt. Du kannst Motivationssongs einstellen, gegen einen „Geist" (sprich deine eigene Bestzeit auf einer bestimmten Strecke) laufen und dir in der Community den Bauch pinseln lassen für deine Leistungen. Apropos Bauch: Ja, der war immer noch da, wurde aber weniger. Der große Geschwindigkeits- oder Ausdauer-Fortschritt stellte sich allerdings auch mit der App vorerst nicht ein.
  

HILFE AUS DEM INTERNET
Ein paar Tastenanschläge und Mausklicks entfernt winkte in den Weiten des World Wide Web die Gratis-Versuchung: ein Trainingsplan. Man findet sie für alle gängigen Hobbydistanzen von 5 Kilometer bis hinauf zur Königsklasse Marathon und in allen leistungsmäßigen Ausprägungen vom Durchkommen aufwärts. Praktisch: Das Wettkampfdatum eintragen, der Plan wird berechnet und mit einem Klick zischt er über die Datenleitungen und Funknetze aufs Smartphone und ist damit immer mit dabei. Viel bequemer geht es nicht. Nur laufen musst du immer noch selbst. „Solche Pläne sind durchaus erprobt", sagt Kurt Steinbauer. „Viele erreichen damit ihr Ziel. Nur muss man sich da schon gut einschätzen können, zum Beispiel, für welches Zeitziel man realistischerweise trainieren kann. Der Plan weiß ja nicht, wie viel du im Vorfeld schon trainiert hast und auf welchem Level du bist."

Bei mir hat es für den ersten 5-km-Bewerb gut funktioniert. In den Wochen mit dem Internet-Plan erweiterte sich auch mein Horizont. Längere langsame Einheiten wechselten sich mit mittelmäßigen und ganz intensiven Tempoläufen ab und brachten den gewünschten Effekt: Ich konnte schneller laufen und das Tempo vor allem auch länger durchhalten. Das Konzept hat mich eigentlich überzeugt und wahrscheinlich hätte ich das auch für meinen ersten Halbmarathon beibehalten. Weil ich aber einen Triathleten als Nachbarn habe, war es Zeit für den nächsten Schritt: die Betreuung durch einen echten, menschlichen Trainer.

HIGH END: TRAINING MIT TRAINER
Jeden Sonntag kam jetzt ein Trainingsplan für die kommende Woche, genau auf mein Ziel ausgerichtet, zu mir – sogar mit meinem Dienstplan abgestimmt. „Der Trainer weiß, wann sein Schützling Stress hat, wie er geschlafen hat", weiß auch Kurt Steinbauer. So kann der Trainer Belastung und Regeneration besser steuern. Basis dafür ist natürlich eine Leistungsdiagnostik, damit der Trainer weiß, wo du zu Beginn stehst. Nur: Solche Qualität kostet eben. Zwischen 40 und 150 Euro pro Monat, je nach Trainer und Intensität der Betreuung. Plus die Kosten für die Leistungsdiagnostik. Klar: Mittlerweile gibt es gute Trainingspläne auch schon in Apps wie Runtastic zu kaufen. Die kosten dann einmal zwischen 20 (Gewichtsreduktion) und 27 Euro für Halbmarathon- oder Marathon-Pläne. Doch auch diese Pläne werden anhand von Durchschnittswerten erstellt. „Das ist wie mit dem „Durchschnittsmann, anhand dessen Werten man einen Anzug schneidert. Der wird auch nicht jedem passen."

FAZIT: JEDES DING HAT SEINE ZEIT
Mein Fazit nach fünf Jahren Selbsttest: Jede Methode hat etwas für sich. Wer wenig läuft und sich „nur" besser fühlen will, kann sich auf den Bauch verlassen. Je ehrgeiziger die Ziele, desto eher geht es in Richtung individuelle Betreuung. Wobei man mit der Zeit von selbst ein Gefühl für seinen Körper bekommt, sich besser einschätzen kann – was etwa bei Internetplänen sehr hilfreich ist. Der Spaß an der Bewegung sollte aber nicht zu kurz kommen. Dann hilft nämlich auch kein Trainer, keine App, kein Plan – und der Bauch, bleibt wo er ist.