Anna Plattner (32) wurde bei der Trailrunning-WM in Canfranc Fünfte über die 45-km-Distanz. Dabei läuft sie erst ihre zweite Saison.
uf eine Jugend im Leistungssport kann sie nicht zurückblicken. Die Kondition liegt ihr offenbar in den Genen und hat sich durchs Wandern in der Tiroler Bergwelt in der Kindheit und Jugend geschliffen. Anna Plattner ist, so scheint es, ein Phänomen: Sie beginnt mit Sportarten und fährt bei Rennen nicht nur mit, sondern landet gleich ganz vorne.
Knapp vor Corona, schon in der zweiten Hälfte ihrer Zwanziger, kaufte sie sich ihr erstes Mountainbike, ein halbes Jahr später ein Rennrad. „Das schaut gut aus, was du da machst – fahr doch mal bei einem Rennen mit“, bekam sie als Ratschlag. Bei den österreichischen Bergmeisterschaften am Hochkar 2021 nahm sie sich ihre Namenskollegin Anna Kiesenhofer, die kurz zuvor ihren Husarenritt in Tokio hingelegt hatte, zum Vorbild: „Ich habe mir gedacht: Du machst das jetzt genauso. Angreifen und alle hinter dir lassen.“ Im Ziel oben hatte sie eineinhalb Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte. Drei Jahre lang bestritt Plattner erfolgreich Bergrennen mit Rennrad und Mountainbike und stellte dabei etliche Streckenrekorde auf, etwa aufs Kitzbüheler Horn. Nach dem Vizeeuropameistertitel 2023 („Es gibt bergauf keine WM, kein Olympia“) suchte sie sich eine neue Herausforderung.
Diese fand sie im Laufen. Im April 2024 folgte ihre Trailrunning-Premiere beim „Ötzi Trail“ in Naturns. „Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verpflegen soll. Alle sagen, man soll am Vortag nichts machen – ich bin trotzdem die Strecke abgelaufen.“ Man ahnt es bereits: Sieg beim ersten Rennen mit Streckenrekord.
Was sie in der Szene abhebt, ist auch ihr Zugang: das kompromisslose Vertrauen aufs eigene Gefühl. „Ich habe keinen Trainer, keinen Trainingsplan und keinen Pulsmesser. Sondern mache, seit ich klein bin, das, was mir mein Körper sagt.“ Und sie fügt hinzu: „So bleibe ich auch flexibel, wenn etwas Ungeplantes passiert. Ich habe schon erlebt, dass manche verzweifeln, wenn ihnen ein Gel aus der Tasche gefallen ist und sie sich eine halbe Stunde nicht verpflegen können.“ Auf Gels verzichtet sie übrigens, auch in Rennen zieht sie feste Nahrung vor. Erstaunte Blicke gab es auch, weil sie ihre ersten Läufe mit einem normalen Rucksack statt einer Trailweste bestritt. Und sie trainiert nach wie vor meist mit dem Rad, das auch ihr Alltagsverkehrsmittel ist. Die Laufkilometer spart sie sich für die Rennen auf.
Ich habe keinen Trainer, keinen Trainingsplan, keinen Pulsmesser – sondern mache, was mir mein Körper sagt.
Bei der WMTRC 2025, der Berglauf- und Trailrunning-Weltmeisterschaft in Canfranc in den Pyrenäen, lief Anna Plattner im Trail Short (45 km, 3469 hm) auf Platz fünf mitten in die Weltspitze. Sieht man vom Sieg Andrea Mayrs im Vertical 2023 ab, war es die mit Abstand beste Platzierung einer Österreicherin bei diesem jungen WM-Format, das die Besten der Berglauf- und Trailrunszene vereint. Am höchsten Punkt des Rennens lag die Tirolerin auf Rang zwei und im letzten Downhill war sie schneller als die Zweit- und Drittplatzierte: Der Beweis, dass sie nicht nur bergauf „kann“. Dazu war sie im Vorfeld durch die Achillessehne gehandicapt: „Wäre ich voll im Saft gestanden, wäre noch mehr drin gewesen.“
Für den Sport hat sie die Arbeit in einer Bäckerei auf 20 Stunden reduziert. Unter Profibedingungen trainieren zu können, wäre ein Traum, sagt sie – von potenziellen Sponsoren kamen zwar anerkennende Worte, doch was wirklich zähle, seien die Followerzahlen. Trotzdem hofft Plattner auf Unterstützung – um dann der ganzen Trailrunning-Welt zu zeigen, was wirklich in ihr steckt.
Was sie nicht zu ändern gedenkt, ist ihr Vertrauen ins Gefühl. „Es hat eine Phase gegeben, da hatte ich keinen Bock auf Sport und bin eine Weile nur spazieren gegangen“, erzählt sie. „Ich bin sicher: Auch damit signalisiert der Körper letztlich, was er braucht.“













