ABUS steht seit 1924 für Sicherheit und Tradition. Seit der Familienbetrieb als Helmsponsor bei Giro und der Tour de France auftauchte, heben auch Sportler die Augenbrauen. 2020 greifen die Sicherheitsexperten aus dem Ruhrpott bei den Mountainbikern an. Und Fahrraddiebe werden mit der „magischen Zahl 3“ abgeschreckt.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Mit einem ohrenbetäubenden Knall donnert der nackte Kopf-Dummy auf den Holzpflock. Die Besuchergruppe aus Österreich zuckt trotz Vorwarnung zusammen. „Das war jetzt ein Radsturz bei 20 km/h. Mit 455 g Belastung auf den Kopf“, sagt Axel Patzer ganz leise, als er den Analysewert vom Screen abliest. „Ohne Helm ist das vermutlich tödlich“, meint der Leiter der ABUS-Sicherheitsakademie. „Aber ganz sicher gibt es schlimme Verletzungen und Hirnblutungen.“ Dann wird der tapfere Dummy mit einem ABUS-Fahrradhelm bestückt und in der Simulationsmaschine ein zweites Mal auf die kurze, aber gefährliche Reise geschickt. Diesmal ist der Aufprall schon viel leiser und Patzer sieht den neuen Wert am Bildschirm. „Nur noch 171 g Belastung. Eine massive Reduzierung, die Leben retten kann.“ Von der Wichtigkeit des Helmtragens waren wir zwar schon vorher überzeugt, aber so eine Vorführung macht auch aus Helmmuffeln restlos überzeugte Helmis.

Wir sind in der Firmenzentrale von ABUS in Wetter an der Ruhr im deutschen Ruhrpott, unweit von Dortmund. „Aber deswegen ist unser Labor nicht in Gelb-Schwarz gestylt“, lacht Marvin Saake, der uns im Innovation Lab zeigt, wie Helme getestet werden. Durchdringungstest, seitlicher Aufprall sowie Testserien nach europäischen, australischen und US-Standards werden abgebildet, damit die Helme ihr Zertifikat bekommen. Hier wird das ideale Zusammenspiel aus Innenschale und Außenschale herausgefiltert, Lufteinlässe werden optimiert, Riemen getestet. Der neueste Clou: ein Chip namens Quin, der Aufprallkräfte misst und im Falle eines Sturzes via Handyapp die Notfallkontakte alarmiert. Woran genau getüftelt wird: „Die Elektronik und Verkabelung muss gut abgedichtet werden“, erklärt Saake. „Insofern ist es eine Herausforderung, diese Technik in leichte, luftige Helme einzubauen. Sonst bleibt es wenig sinnvoll, ,Smart Tec‘ in Helme einzubauen, die vom Aufbau her eher ,Low Tec‘ sind.“

Der Eiertest
Als die österreichischen Fahrradhändler und ABUS-Partner beim Firmenbesuch nach einer Leihmöglichkeit für den eingangs erwähnten Helmsimulator fragen, um damit auf Veranstaltungen und Hausmessen ihre Kunden zu überzeugen, zeigt Patzer den berühmten Eiertest. „Viel kostengünstiger und bei Hausmessen ein Hit“, schickt er voraus. ABUS hat doch tatsächlich Miniaturmodelle von Helmen gebaut, in die gerade ein Ei passt – ein rohes wohlgemerkt. So behütet lässt Patzer das Ei aus einem Meter Höhe auf den Boden fallen. Nix passiert, die Schale bleibt intakt, das Ei auch. Wer das so präsentiert und danach seinen Kunden beweist, dass das Ei tatsächlich roh und nicht gekocht war, könne seine Hausmesse im Anschluss gleich mit einer leckeren Eierspeisparty abschließen, empfiehlt der ABUS-Profi augenzwinkernd. Dass die Leute ihr Handwerk verstehen, sieht man hier an jeder Ecke: bei der Fertigung, Entwicklung, in den Schulungsräumen, ein Handwerk zum Angreifen. Da passt auch das Museum mit Exponaten aus der Firmenhistorie seit 1924 dazu, wie die erste Werkbank von Firmengründer August Bremicker (dessen Initialen mit dem Zusatz „und Söhne“ übrigens das Wort ABUS ergeben) und sein erstes Vorhangschloss, das den Weltruf der Marke begründet hat.

Im Showroom schließt sich der Kreis zu Gegenwart und Zukunft. Denn ABUS poliert sein Image der braven Sicherheitsfirma gerade kräftig auf und investiert in den Profiradsport. Rennrad-Weltmeister Alejandro Valverde ist zu sehen, Exponate des Movistar-Teams, das mit ABUS und Richard Carapaz zum Sieg beim Giro d’Italia fuhr. „Jetzt decken wir von Kindern und Familien weg alles ab und haben auch für Sportler und Profis mit den Modellen Game Changer und Airbreaker richtige Superhelme, die mit Aerodynamik und Leichtigkeit bestechen“, ist Patzer stolz. Mit uns in der Besuchergruppe ist auch der österreichische ABUS-Markenbotschafter Michael Strasser, der den Game Changer auf seiner Weltrekordfahrt von Alaska nach Patagonien über 23.000 Kilometer getragen hat. „Du brauchst Produkte, auf die du dich verlassen kannst“, sagt Strasser in seinem Vortrag, der ob der eindrücklichen Bilder und Anekdoten für viele Gänsehautmomente sorgt. Damit sich im Familienbetrieb alle wohlfühlen, hat man fast amerikanische Wohlfühlverhältnisse im riesigen Firmengelände in Wetter. Ein künstlicher Teich mit Springbrunnen und Strandkörben, Fußballplatz, Minigolf, Volleyball, Tischtennis. „Leisure and creative center“, heißt das bei ABUS. 

„Internationale Meetings beginnen oft einen Tag davor mit einem Fußballturnier“, erzählt Roland Huber, Geschäftsführer von ABUS Österreich. „Und dann wird gearbeitet.“ Unser Abendessen im Firmenrestaurant hat Haubenqualität. ABUS ist anders. Die Firma ist im Familienbesitz, mit den Jüngsten wie Daniel Bremicker in fünfter Generation in verantwortungsvollen Positionen. Man ist stolz darauf, ohne Bankenfinanzierung, nur mit Eigenkapital, zu arbeiten. „Und wir sind weniger am nächsten Quartalsbericht interessiert als an einer langfristigen Entwicklung mit Perspektive“, sagt Daniel Bremicker. Am Klavier im schmucken Mitarbeiterrestaurant liegt die Bibel, im Geschenkspäckchen für uns Besucher das Neue Testament. ABUS ist anders. Bei der Fertigung im knapp zwei Stunden entfernten Rehe dürfen wir endlich Einbrecher und Fahrraddieb spielen und Schlösser knacken. Was für ein Spaß, mit einer riesigen Velco-Schere ein Kabelschloss zu zerschneiden! Was für eine Mühe dann, mit dem gleichen Werkzeug bei gehärtetem ABUS-Stahl am Bügelschloss kläglich zu scheitern. Woher bekommt ABUS eigentlich den kriminellen Input um zu wissen, wie Diebe ticken?

„Wir arbeiten eng mit der Kriminalpolizei zusammen und haben alle aktuellen Statistiken“, erklärt uns Stefan Baran, der seit 22 Jahren an sicheren Schlössern bastelt. Wobei er sagt: „Das 100 Prozent sichere Schloss gibt es nicht.“ Bei ABUS arbeitet man aber mit der „magischen Zahl 3“ als Mission. „Statistiken der Polizei sagen: Drei Minuten muss ein Schloss einen Dieb oder Einbrecher beschäftigen und aufhalten. Dann verliert er die Freude an der Aktion und haut frustriert ab. Diese drei Minuten müssen wir also erreichen.“ Was mit dem millionenfach verkauften Faltschloss-Besteller Bordo gelingt, mit den schweren Bügelschlössern mit Sicherheitslevel 15 oder 20 sowieso. Wir dürfen selbst knacken: 5,5 Tonnen Druck sind im Labor nötig, damit das erste Bügelschloss bricht. Das schafft kein mitgebrachtes Gaunerwerkzeug. Das große Schloss gibt erst bei 13 Tonnen w.o. – also unkaputtbar unter Realbedingungen.  Mit Smart Locks, lautem Alarm und Freischaltungen bzw. Kontrolle via Handyapp hat ABUS auch Lösungen für die digitale Zukunft im Angebot. Ganz nach der Devise, die Firmengründer August Bremicker schon 1924 ausgerufen hat: „Wir wollen das Leben ein Stück sicherer machen.“

Abus
Firmenname abgeleitet von „August Bremicker und Söhne“ (KG), Hauptsitz in Wetter im Ruhrgebiet (Deutschland), traditionelles Familienunternehmen seit 1924, spezialisiert auf präventive  ­Sicherheitstechnik

Produkte: Schlösser, Alarmanlagen und Überwachungskameras, Rauchmelder, Fahrradhelme und -schlösser, Smart Solutions
Mitarbeiter: 3500 weltweit in 19 Niederlassungen, davon in Deutschland 1500 Mitarbeiter an fünf Standorten, Präsenz in 106 Ländern
ABUS Austria als eigenständiges Tochterunternehmen in Wr. Neudorf

Web: www.abus.com