Winterwandern liegt im Trend. ­Winterwandern ist jedoch nicht gleich Winterwandern: Die Bandbreite reicht vom ­meditativen Gehen auf geräumten und planierten Wegen bis hin zu Gipfel­touren, ­die gute Planung, Gefahrenkenntnis und Erfahrung ­brauchen. Mit Schneeschuhen oder ohne.

Christof Domenig
Christof Domenig


Österreichs ersten Winterweitwanderweg hat seit zwei Wintern die Region Seefeld in Tirol. Im Vorjahr hat Gerlinde Kaltenbrunner eine Gruppe von Journalisten bei der Vorstellung dieses speziellen Weitwanderwegs begleitet – SPORTaktiv war mittendrin statt nur dabei. Also: Die weltbeste Alpinistin und erste Frau, die alle 14 Achttausender der Welt ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat, als prominenter Guide. Daraus besondere Schwierigkeiten oder Gefahrenstellen am Weg abzuleiten, wäre aber verkehrt, wenngleich die zur Verfügung gestellten „Snowline“-Schuhspikes und die Komperdell-Wanderstöcke an manchen Stellen schon gute Dienste getan haben...

Nein, diese Vier-Tage-Wanderung durch das schöne Leutaschtal in der Region Seefeld wird durchwegs auf geräumten oder planierten Wegen bestritten. Einige Höhenmeter sind aber dennoch dabei: So findet eine der Übernachtungen auf der Wettersteinhütte auf 1717 m statt (zum Vergleich: Seefeld liegt auf 1245 m). Ansonsten ist die Winterweitwanderung gut mit den modernen, touristischen Weitwanderungen, die man vom Sommer kennt, vergleichbar. Technisch einfach, der Landschaftsgenuss steht im Vordergrund. Auch organisatorisch wird einem alles abgenommen, was stressen kann: Package buchen, gehen und die Landschaft wirken lassen. Mehr braucht es nicht. Zumindest ist das in einem gewöhnlichen Winter ohne Corona-Wirren so. 

Winterwandern wird generell immer beliebter, nicht nur in der speziellen Form des Weitwanderns.
Die Einfachheit, der geringe Materialeinsatz, das sanfte, meditative Gehen in der Natur – die im Winter unter einer Schneehaube noch idyllischer wirkt als im Sommer und sich als Kontrast zum verdichteten Alltag eignet. Das alles spielt gewiss beim Aufschwung des Winterwanderns mit. Ein Indiz für die Beliebtheit ist, dass das Thema in immer mehr Regionen eine immer größere Rolle spielt. Motto: „Es muss nicht immer Skifahren sein“. So gibt es aktuell nicht nur zertifizierte „Wanderdörfer“, sondern österreichweit auch vier „Winterwanderdörfer“: Kartitsch in Osttirol, Filzmoos in Salzburg, Schladming in der Steiermark und das Kärntner Lesachtal. Oft sind es Regionen mit „sanftem“ Schwerpunkt, die auch darauf setzen, etwa Wildschönau im Tiroler Bezirk Kufstein. Imst im Tiroler Oberland hat dem Winterwandern heuer eine Karte gewidmet – die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.

Der Wanderführer und Outdoorexperte Wolfgang Kinz aus der Fuschlseeregion im Salzkammergut weiß ebenfalls, dass das Wandern in den letzten Jahren immer mehr zur Ganzjahressporart wurde. Im Corona-Winter lasse es sich an persönlichen Begegnungen unterwegs genauso wie an gesichteten Spuren erkennen, dass die Sehnsucht nach dem Draußensein sich auch im Winterwandern niederschlägt. Dieses spezielle Wandern lässt sich jedoch nicht nur auf glattplanierten Wegen im einfachen Gelände erleben: „Geht man raus ins freie Gelände, möglicherweise in den Tiefschnee, kann man Winterwandern auch sehr sportlich betreiben“, sagt Kinz. Wobei man gerade im tiefen Schnee mit Schneeschuhen natürlich besser dran ist. Sind es nicht mehr als 15 bis 20 Zentimetern Schnee, würden jedoch viele in seiner Heimatregion auch mit normalen Wanderschuhen noch unterwegs sein.

Der Outdoorprofi mahnt jedoch, nicht zu vergessen, dass es einige bedeutende Unterschiede gibt zwischen dieser sportlichen Form des Bergwanderns im Winter und seinem Pendant in der schneefreien Zeit: „Im Sommer kann ich mich im freien Gelände überall relativ gut bewegen. Ich habe Markierungen und angelegte Wege. Im Winter sehe ich diese jedoch nicht. Mit Glück sehe ich die gelben Wegweiserschilder – oder ich muss mich anderweitig orientieren.“ Gerade Orientierungsprobleme würden erfahrungsgemäß immer wieder zu Bergrettungseinsätzen führen.

Weiters gibt Wolfgang Kinz zu bedenken: „Wenn ich im Schnee gehe, kann ich aber auch in einem Bachbett einbrechen. Oder ich kann abrutschen. Von Lawinen will ich hier noch gar nicht reden.“ Nicht missverstehen: Der Outdoorprofi will nicht den Spielverderber mimen. Aber er möchte zu einer seriösen Vorbereitung und Umsicht mahnen, sobald man im Winter die ausgewiesenen, planierten, speziell dafür angelegten Winterwanderwege verlassen will. Das reicht von der Tourenplanung, wie wir sie in unserem Magazin immer wieder einmahnen, über die spezielle Ausrüstung (siehe Kasten) bis hin zur Orientierung. Eine Handyapp mit heruntergeladener Tour reicht nicht, wenn man eine Karte – egal, ob digital oder gedruckt – nicht interpretieren kann.

Entspannte, langsame Schritte
Wer auch bei größerer Schneelage im freien Wintergelände wandernd unterwegs sein möchte, landet letztlich sinnvollerweise dennoch bei Schneeschuhen. Kinz macht 50 bis 60 Schneeschuhtouren pro Winter und steigt dabei öfters über 1000 Höhenmeter bis auf Gipfel hinauf. „Die Ruhe, der Landschaftsgenuss, die Bäume im Frost, die du als Stadtmensch gar nicht mehr kennst: Mit Schneeschuhen kommst du im Winter in Regionen, wo du sonst nicht hinkommst“, beschreibt Kinz den Reiz.

Die Tourenski nutzt der Faistenauer ebenso gerne. „Vom einen oder anderen Skitourengeher wird man mit Schneeschuhen schon belächelt“, berichtet Kinz. Was er von Skitourengehern auch oft zu hören bekommt: „Du verzichtest ja auf das Schönste, die Abfahrt.“ Aber: „Für mich ist der Aufstieg das Schönste! Das entspannte, langsame Einen-Schritt-vor-den-anderen-Setzen, das Durch-die-Landschaft-Gleiten: Dieses Gefühl hast du nur auf Schneeschuhen“, schwärmt Kinz. Nachsatz: „Einen Hang runter bin ich mit den Schneeschuhen nicht viel langsamer als mit Touren­skiern.“

Dass Schneeschuhgehen absolut selbsterklärend sei und es keine Einschulung brauche, hört man oft. Das stimme für flaches und leicht hügeliges Gelände. Bei einer richtigen Gipfeltour empfiehlt es sich jedoch schon, sich einmal einem geschulten Guide anzuschließen und sich die Technik zeigen zu lassen, etwa das Schrittesetzen im Aufstieg oder bei Hangquerungen.

Für die ambitionierte Form des Schneeschuhgehens gilt freilich auch, was schon generell zum Winterwandern betont wurde: Tourenplanung und Orientierungsvermögen sind unerlässlich. Ebenso die Grundsätze des fairer Umgangs mit der Natur: Dass man bei Dunkelheit das Wild stört und in Aufforstungen nichts verloren hat, sollte bekannt sein – man kann es aber nicht oft genug betonen. Wenn es ins steilere Gelände geht, wird mit Schneeschuhen auch die Lawinenthematik relevant, mit allem, was dazugehört. Aber wer die Regeln beachtet, der findet auch im Winter die Freiheit des Wanderns: Jeder auf jene Art, wie man sie am liebsten mag – ob genussvoll, weit oder steil.

Tipps zum sportlichen Winterwandern von Wanderführer Wolfgang Kinz

  • Winterfeste Kleidung im Zwiebelprinzip. Eine Garnitur Wechselwäsche für unterwegs bannt Verkühlungsgefahr. Immer im Rucksack: Reservehandschuhe und -haube, falls diese exponierten Teile nass werden.
  • Genügend warme Getränke mitnehmen: Gerade bei Kälte braucht der Körper viel Flüssigkeit.
  • Ein normaler wasserfester, warmer Wanderschuh ­genügt, es muss kein hochalpiner Schuh sein.
  • Sehr zu empfehlen sind Gamaschen, damit kein Schnee oben in den Schuh reinfällt
  • Pflicht: Grödel, also eine leichte Form von Steigeisen, die auf jeden Bergschuh passen. Oder sonst eben Schneeschuhe.
  • Stöcke machen grundsätzlich Sinn – wobei abzuwägen gilt: In vielen Situationen sind sie ein Sicherheitsplus, geht man immer mit Stöcken, leidet die Koordination. Wichtig: Schneeteller und Längenverstellbarkeit.
Von weit bis steil: Gerade im Corona-Winter liegt Winterwandern im Trend
Wolfgang Kinz, MSc

ist Wanderführer, Trainer & Coach aus Faistenau (S) im Salzkammergut. 
WEB: www.wanderguide.at