Kältekick oder Wärmeanwendung – in unserer Serie „SPORTaktiv Doc“ haben wir den Sportmediziner Robert Fritz gefragt, was es wirklich bringt, unseren Körper aus dem Temperatur-Gleichgewicht zu bringen. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Eisbaden liegt im Trend.  „Das passt irgendwie zur Trailszene dazu“, findet unser SPORTaktiv Doc, der Sportmediziner Robert Fritz, „tolle Dinge zu erleben, den Körper mal Belastungen auszusetzen und zu schauen: Wie geht es mir damit?“ Die wissenschaftliche Studienlage zum Eisbaden – soeben von einem sportmedizinischen Fachmagazin aufgearbeitet – sei keineswegs eindeutig, sondern widersprüchlich, weiß Fritz: Vieles, was an Effekten berichtet wird, vom Stärken des Immunsystems bis hin zu positiven Auswirkungen auf die Psyche, basiert eher auf Erfahrungsberichten als auf hieb- und stichfesten Studien.

Aber zunächst mal abgesehen vom Extremen: Was passiert im Körper eigentlich, wenn wir ihn aus dem Temperatur-Gleichgewicht bringen? Da gibt es durchaus Interessantes, Nützliches – und auch gut Erforschtes – für aktive Menschen zu berichten. Physiologisch betrachtet, bewirken Kälte und Wärme Gegenteiliges: „Man kennt das von den Sportsalben, es gibt die Kälte- und Wärmesalbe“, so Fritz. Kälte sorgt dafür, dass Gefäße sich verengen und die Durchblutung sich verringert. Ein Coolbag oder Eisbeutel wird daher bei einer akuten Verletzung eingesetzt, um ein Hämaton möglichst klein zu halten, damit Entzündungsprozesse weniger heftig ausfallen und die Verletzung später leichter heilt. „Bis ungefähr 24 Stunden nach der Verletzung macht es absolut Sinn, immer wieder zu kühlen.“

Nach 24, spätestens jedoch 48 Stunden ist dann Wärme das probate Mittel. Diese erweitert die Gefäße, sorgt für bessere Durchblutung, was Regenerations- und Heilungsprozesse beschleunigt.

Förderung der Regeneration
Dieses Prinzip lässt sich auch aufs Thema Regeneration gut umlegen – sowohl Eisbädern und kalten Duschen als auch Sauna oder Infrarotsauna wird bekanntlich jeweils nachgesagt, die Regeneration zu unterstützen. Weil Kälte und Wärme aber Unterschiedliches bewirken, gilt es auch hier zu differenzieren.

Ein starker Trainingsreiz, so erklärt es Fritz, ist auch eine Form der Entzündung, ähnlich einer Verletzung. War der Reiz ungeplant hoch und überschießend oder will man nach einem Wettkampf rasch wieder fit sein, weil gleich der nächste Wettbewerb folgt: Dann ist Kälte angesagt. Man kennt die Bilder von Spitzensportlern, die in Eistonnen sitzen.

Im Trainingsalltag schaut das ganz anders aus – der Sportmediziner erklärt: „Setze ich einen normalen Trainingsreiz, will ich den Körper ja bewusst überlasten, damit er durch diesen Reiz besser wird. Wenn ich das mit einer Kälteanwendung abdämpfe, verringere ich den Trainingseffekt. Das ist etwas, was im Hobbysport oft falsch gemacht wird.“

Sehr wohl kann und soll man sich nach dem normalen Training ins Warme begeben – etwa in der Sauna oder Infrarotkabine schwitzen. „Wärme steigert die Durchblutung – und die Regeneration wird verbessert.“ Was auch gut wirkt, sind Wechselanwendungen: „Erst kurz ins kalte Wasser, dann in die Wärme – dann gehen die Gefäße besonders weit auf. Aber auch umgekehrt: Erst die Gefäße durch Wärme aufmachen, dann sie wieder schließen: Diese Wechselspiele sind bestens geeignet, die Durchblutung anzuregen.“

Vorsicht, Belastung!
So gut sich Wärme und Kälte auf die Regeneration auswirken, so muss gleichzeitig klar sein: Es handelt sich um eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System. Je stärker die Reize – also je heißer die Sauna, je stärker und unmittelbarer die Kontraste oder je kälter das Wasser, vor allem, wenn wir reinspringen statt langsam einzutauchen: Umso stärker ist die Belastung. Wer nicht wirklich über ein gesundes Herz-Kreislauf-System verfügt (und darauf sollte sich niemand verlassen, der sich nicht regelmäßig gezielt medizinisch checken lässt), sollte Vorsicht walten lassen, eher zu moderateren Formen der Kalt- und Warm-Anwendungen tendieren. Eine goldene Regel: nie allein in die Sauna oder zum Eisbaden! Und auch nie, wenn man krank ist: Eine Krankheit rausschwitzen funktioniert nicht – das ist ein falscher Mythos, der zudem den Körper extrem belastet.

Infrarotkabinen und Rotlicht
Von Infrarotkabinen, wie es sie in vielen Hotels, aber auch fürs Eigenheim gibt, hält der Sportmediziner viel: „Weil diese Wärme ganz lokal auf eine gewisse Körperregion wirkt – meist im Rückenbereich, weil dort die meisten Verspannungen sitzen.“ Die Strahlung geht, erklärt Fritz, nicht nur auf die Haut, „sondern tief hinein ins Gewebe und kann dann die Durchblutung in der Muskulatur anregen. Das sorgt dafür, dass der Blutkreislauf in der Muskulatur angeregt wird und enstpannt. Es fühlt sich angenehm an, ist nicht belastend und kann gut regenerativ wirken.“ Sinnvoll ist diese Anwendung (auch mit Rotlichtlampen) ebenso bei muskulären Problemen – nicht jedoch nach einer akuten Verletzung. Wie schon dargestellt, kommt in den ersten 24 Stunden nach einer Verletzung Kälte zum Einsatz. Wärme ist kontraproduktiv.

War der Trainingsreiz überschießend, passt Kälte. Bei normalem Trainingsreiz unterstützt Wärme die Regeneration. 

Wirkung aufs Immunsystem
Sowohl der warmen Sauna als auch kalten Duschen oder Eisbädern wird auch eine das Immunsystem stärkende Wirkung nachgesagt. Hier ist die erforschte Faktenlage weit weniger eindeutig als bei der Regeneration. Eine Grundregel lässt sich jedoch festhalten: „Regelmäßig ist sinnvoll, unregelmäßig bringt nichts. Es ist gleich wie im Training: Wenn ich regelmäßig einen Reiz setze, auf den ich langsam aufbaue, wird es mein Körper super verkraften. Renne ich alle zwei Wochen einen Halbmarathon ohne Vorbereitung, ist es das Gegenteil. So kann ich mir das vorstellen, wenn ich alle zwei Wochen einmal in die Sauna hüpfe: Es hat nicht nur keinen Sinn, sondern wird den Körper jedes Mal belasten, sogar überlasten – und das Immunsystem kurzfristig eher schwächen.“

Tu nur, was dir guttut!
Und was ist mit der Wirkung auf die Psyche? Das zufriedene Wohlgefühl nach der Sauna, das euphorische Hochgefühl nach dem Eisbad. Hier plädiert unser Doc einfach, auf den eigenen Körper zu hören. Tu, was dir guttut – aber halte die schon erwähnten Grundregeln für die Sicherheit („nie allein“!) unbedingt ein. Je extremer die Temperatur-Exposition, desto wichtiger ist eine fachkundige Anleitung. 

Ein Eisbad etwa, um noch einmal aufs eingangs erwähnte trendige Extrem zurückzukommen, bürgt jedenfalls für einen Adrenalinschub. „Der Körper muss schließlich einmal schauen, dass er mit dieser Situation zurechtkommt. Das kann dich pushen, aus deiner Lethargie oder Müdigkeit herausreißen. Du fühlst dich danach frisch, stark und energiegeladen“, analysiert Robert Fritz. „Es spricht nichts dagegen, wenn dir das Spaß macht, du diesen Kick haben willst und wenn er dir selbst guttut.“ Empfindungen sind freilich individuell unterschiedlich: „Wenn du es nicht magst, kein gutes Gefühl dabei hast, dann lass es einfach sein.“ 

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com