Es muss ja nicht gleich ein Jahrhundertsommer werden, aber ums gelegentliche Trainieren bei 30 Grad plus werden wir demnächst kaum herumkommen. Damit bei euch keine Sicherungen durchbrennen, haben wir Österreichs „Hitzeprofi“ um Rat gefragt: die besten Tipps von Wüstenläufer Christian Schiester.


Der Typ rennt 1.000 Kilometer durch vier Wüsten auf vier Kontinenten. Oder 200 km durch den brasilianischen Dschungel. Und er schwitzt stundenlang in der Sauna (als Training, wenn ein heißes Abenteuer ansteht). Aber nicht bloß am obersten Bankerl sitzend, wie unsereins es täte – er strampelt sich in der Sauna auf dem Ergometer oder auf dem Laufband ab. Mit einem Wort: Christian Schiester kennt sich mit Sport bei hohen Temperaturen bestens aus.
Trotzdem haben wir uns gefragt, ob der bekannteste aller Ultraläufer denn wirklich ein guter Hitze-Ratgeber sein könnte für alle unsere Leser, die auch im Hochsommer auf Trainingseinheiten im Freien nicht verzichten wollen. Schließlich klingt es doch ziemlich schräg, was Christian da treibt und auch von sich gibt – zum Beispiel: „Während meiner Unternehmungen frage ich mich täglich 150-mal, warum ich Trottel mir das antue. Im Nachhinein weiß ich es: Weil ich durch das, was ich erlebt und erlitten habe, Bilder im Kopf hab, die mir nie mehr jemand wegnehmen kann.“
Aber unsere Bedenken waren nicht angebracht: Die Hitzetipps, die wir Christian entlockten, haben nichts Extremes an sich, sondern sind ebenso klar wie auch von allen Hobbysportlern leicht umsetzbar.
Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Christians Laufbahn genauso begann wie viele Hobbysportlerkarrieren: als übergewichtiges, rauchendes Bröckerl, in dem die Erkenntnis reifte, dass das Leben mehr zu bieten haben muss als den nächsten Spritzer im Wirtshaus. Und weil sein Nachbar joggte, hat letztlich auch er damit begonnen – wenige Hundert Meter um den Häuserblock. Echt bodenständig also, genau deshalb gibt er auch gern seine Erfahrung an die weiter, die noch nicht so lange im sportlichen Geschäft sind.
„Im Prinzip sind es fünf wichtige Punkte, die man beachten muss, damit es beim Sport auch an sehr heißen Tagen passt“, sagt Christian Schiester.

TIPP 1: ALLES GEWÖHNUNGSSACHE
„Das ist das wichtigste Grundprinzip: Gib dem Körper die Chance, sich auf Verhältnisse einzustellen.“ Es ist zunächst nämlich eine Frage von Gewöhnung und Trainingszustand, wie gut der Organismus mit hohen Temperaturen zurechtkommt. Das Radeln in der Sauna bei 60 Grad und trockener Hitze wie in der Sahara oder bei 48 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit wie im Dschungel ist für Christian Schiester deshalb kein Gesundheitsrisiko, weil er seinen Körper jahrelang an außergewöhnliche Belastungszustände herangeführt hat.
Klar, ein Nachahmen würde er niemandem empfehlen und durchschnittlich Trainierten nicht einmal, in der ärgsten Sommerhitze das Training ohne Rücksicht auf die Umstände durchzuziehen.
„Je wärmer die Umgebungstemperatur ist, desto mehr Energieaufwand muss der Körper für die Kühlung aufbringen. Der Puls steigt. Dementsprechend gilt: Das Tempo reduzieren – der Trainingseffekt ist auch so groß genug.“
Je besser man trainiert ist, desto weniger Rücksicht muss man grundsätzlich auf die äußeren Umstände nehmen. Aber ein paar Tage zum Akklimatisieren bei einer plötzlichen Hitzewelle oder zum Beispiel im (heißen) Urlaubsdomizil – diesen Luxus sollten selbst eiserne Trainierer ihrem Körper gönnen.

TIPP 2: SCHÜTZE DIE HAUT
Es klingt banal – aber es wird einfach immer wieder darauf vergessen: Die Sonnencreme sollte immer dabei sein, selbst wenn man nicht zu den besonders gefährdeten hellhäutigen Typen gehört. „Die Haut ist schließlich das größte Organ, das wir haben, und für die Temperaturregulierung immens wichtig.“ In der Wüste ist übrigens Lichtschutzfaktor 50 Standard!
Nicht vergessen: Schon 20 Minuten vor der Sporteinheit einschmieren und auf keine Körperstellen vergessen, vor allem nicht die besonders exponierten, wie Nase, Ohren, Nacken oder Schultern. Und immer dran denken: Der Sonnenschutz muss – je nach Faktor – auch während des Trainings immer wieder erneuert werden.

TIPP 3: SCHÜTZE KOPF UND AUGEN
Kein heißes Rennen ohne Kopfbedeckung und ohne Brille – auch das ist ein Prinzip Christian Schiesters, das sich jeder zu Herzen nehmen sollte. Wer darauf verzichtet, riskiert nicht nur einen Sonnenbrand (falls der Haarschopf nicht ausgesprochen dicht ist), sondern sogar einen Sonnenstich. „Ideal sind Kapperln aus atmungsaktiven leichten Materialien. Baumwollkapperln saugen sich mit Schweiß voll – das ist ganz schlecht.“
Eine Sportbrille, die möglichst an die Sportart angepasst sein sollte, schützt auch die Augen vor UV-Strahlung und gegen Wind, Staub und Feuchtigkeit. „Man muss nicht einen Sandsturm in der Sahara erlebt haben, um zu wissen: Zum Sommersport gehört in jedem Fall die sportliche Sonnenbrille.“

TIPP 4: ATMUNGSAKTIVE KLEIDUNG
Wie schon gesagt: Das Schwitzen als körpereigenes Kühlsystem muss möglichst gut funktionieren können. Wird es zu warm, steigt der Puls, Überlastung oder Dehydrierung droht. Wer zum Beispiel Schweiß auf der Haut einfach wegwischt oder umgekehrt in einem klitschnassen (Baumwoll-)Shirt unterwegs ist, beeinträchtigt bereits die körpereigene Klimaanlage.
„Die Bekleidung hat einen harten Job zu erfüllen“, weiß Christian, „deshalb sollte man an ihr nicht sparen. Heutige Hightechfunktionsbekleidung unterstützt die Temperaturregulierung über den verdunstenden Schweiß perfekt“.

TIPP 5: NIE DURSTIG WERDEN
Der wahrscheinlich wichtigste Tipp: immer genug trinken! Aber was heißt genug? „Da gibt es keine Faustregel – es kommt auf zu viele Dinge an. Wer aber mit Begeisterung bei seinem Sport ist, hat in der Regel eine innere Stimme, die einem sagt, was, wann und wie viel.“ Trotzdem gilt: An heißen Tagen kann man eigentlich pausenlos trinken – vor, während und auch nach dem Sport. „Getrunken wird Wasser und vermehrt auch isotonische Getränke, weil über den Schweiß wichtige Mineralien ausgeschieden werden“, empfiehlt der Profi. „Magnesium ist immer noch der beste Krampfstopper. Keine Scheu also vor Magnesiumdrinks oder -tabletten.“ Christian selbst läuft nicht nur mit den ausgeklügeltsten Trinksystemen (Rucksäcke, Gurte), die es auf dem Markt gibt, sondern bei Rennen und im Training auch mit der Flasche in der Hand – „das ist reine Gewöhnungssache. Durst ist jedenfalls bereits ein ernstes Warnsignal – und kommen Anzeichen einer leichten Dehydrierung dazu wie Mundtrockenheit oder Schwächegefühl, dann bitte sofort die Sporteinheit abbrechen!“
Dass Christian Schiester anders gestrickt ist, beweist diese Geschichte: „Mir ging auf einer Etappe in der Wüste Gobi das rationierte Wasser aus. Bei Kilometer 32 von 44 hatte ich taube Hände, saß am Streckenrand und heulte wie ein Kind. Nach 12 weiteren Kilometern schleppte ich mich, um Wasser bettelnd, über die Ziellinie.“ Aber das fällt schon wieder in die Kategorie: „Bitte nicht nachmachen!“


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