Die Punktsuche mit einer Lawinensonde und das Ausschaufeln eines Verunglückten nach einem Lawinenabgang werden – im Gegensatz zur LVS-Suche – oft als „selbsterklärend" erachtet. Das sind sie aber nicht! Naturfreunde-Experte Martin Edlinger legt hier dar, worauf zu achten ist. Wie stets beim Lawinenthema der Hinweis: Theoretisch Bescheid zu wissen, genügt nicht – Notfalltraining ist das Um und Auf!


1. Die Lawinensonde kommt zum Einsatz, wenn die Feinsuche mit dem LVS-Gerät abgeschlossen ist – sprich: wenn der geringste Abstand am Display angezeigt wird. Wichtig zu wissen: Je genauer die Feinsuche mit dem LVS-Gerät erfolgt, desto schneller ­lassen sich Verschüttete mit der Sonde lokalisieren.

Darauf ist bei der „Punktsuche" mit der Sonde zu achten:

  • Der erste Sondenstich erfolgt exakt am markierten Punkt, den die Feinsuche ergeben hat: Senkrecht (im 90-Grad-Winkel) und mit ausreichend Kraft in den Schnee stechen.
  • Ergibt sich kein Treffer, sondiert man nun spiralförmig im Abstand von jeweils 25 bis 30 cm weiter.
  • Beim Sondieren ist Gefühl notwendig, um einen Körper vom Erdboden oder von einem Felsen zu unterscheiden. Ein Tipp zum Training: Ein leicht befüllter Rucksack, der vergraben wird, fühlt sich ähnlich wie ein menschlicher Körper an, wenn man mit der Sonde darauf trifft.
  • Auch ein kühler Kopf ist bei der Suche gefragt: Wenn etwa in knappem Abstand sehr unterschiedliche Einstechtiefen möglich sind, kann das ein wichtiger Hinweis auf einen „Sucherfolg" sein – auch wenn es sich in der Hektik nicht wie ein menschlicher Körper anfühlt.
  • Sollte sich im Durchmesser von 1 bis 1,5 m kein Sucherfolg ergeben, dann muss die Feinsuche mit dem LVS-Gerät wiederholt werden.
  • Bei Sucherfolg die Sonde zur Markierung stecken lassen.


2. Systematisches Ausschaufeln kann viel Zeit sparen und damit Leben retten. Wer noch nie auf einem Lawinenkegel geschaufelt hat, kann sich nur schwer vorstellen, wie hart und schwer der zusammengepresste Schnee sein kann. Hier wird auch deutlich, warum die hohe Qualität einer Lawinenschaufel von großer Bedeutung ist. Ebenso wichtig ist das ­koordinierte Zusammenspiel der Retter, die auch ­unter Stress wissen müssen, wie sie ans Schaufeln herangehen.

ALS EINZELNER RETTER
Ist man als Retter allein, dann sollte keinesfalls einfach ein „Schacht" entlang der Sonde nach unten gegraben werden. Denn ein Bergen des Verschütteten ist so kaum möglich. Es gilt stattdessen, talwärts versetzt mit dem Graben zu beginnen und in Richtung Sonde zum Verschütteten vorzudringen. Die Verschüttungstiefe ist auf der Sonde ablesbar.

WENN ES MEHRERE RETTER GIBT
Stehen mehrere Retter zur Verfügung, sollte ein „Schneeförderband" gebildet werden. Einer der Retter macht die Spitze, die weiteren stellen sich „V-förmig" und Richtung Tal dahinter auf, und befördern den ausgehobenen Schnee weiter weg. Die vordere Position ist am Anstrengendsten – daher regelmäßig im Uhrzeigersinn durchwechseln.

WICHTIG ZU WISSEN
In der Endphase, im Kopfbereich, sehr vorsichtig graben, und darauf achten, ob der Verschüttete eine Atemhöhle zur Verfügung hatte. Diese Information ist für den Notarzt bzw. die weiteren Rettungsmaßnahmen sehr wichtig!

TIPP: HOL DIR DIE "NOTFALL LAWINE"-KARTE!
Sie passt in jede Hosentasche und ­unterstützt im Ernstfall mit wichtigen Hinweisen zum Rettungsablauf. Die Karte ist kostenlos zu bestellen auf: naturfreunde.at/shop

DIE ERSTEN 15 MINUTEN SIND ENTSCHEIDEND
Nach 15 Minuten sind noch 80 bis 90 Prozent der Verschütteten am Leben, danach sinken die Überlebens­chancen rapide. Schnelles, sicheres Handeln ist also gefragt. Nochmals kurz der gesamte Rettungsablauf:

  • Ruhe bewahren und Überblick verschaffen: Wie viele Verschüttete und wie viele Retter gibt es?
  • Wann der Notruf abgesetzt wird, ist situationsabhängig: Bei genügend Rettern erfolgt er sofort, parallel zur Suche. Bei wenigen Rettern geht die Verschüttetensuche vor: Erst nach der Rettung wird dann der Notruf abgesetzt.
  • Oberflächen- und Signalsuche für den Erstempfang.
  • Grobsuche ab Erstempfang, dabei dem Pfeil am LVS-Gerät und der Entfernungsanzeige folgen.
  • Feinsuche ab 5 m Entfernungs­anzeige. Suchgeschwindigkeit verringern, möglichst nahe an der Schneeoberfläche bleiben.
  • Punktsuche durch systematisches Sondieren (wie oben beschrieben).
  • Systematisches Ausschaufeln (wie oben beschrieben).
  • Erste Hilfe: Bewusstsein und ­Atmung checken, Atemwege freimachen. Atmet der Verunglückte normal: Stabile Seitenlage, vor Kälte schützen. Ist keine Atmung feststellbar: Wiederbelebungsmaßnahmen setzen.


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