Eigentlich hatten wir es uns so gedacht: Weil für Skitourengeher die oberste Prämisse einer alpinen Tour nicht der Gipfelsieg, sondern in erster Linie das gesunde Heimkommen sein muss, wollten wir zum Saisonstart hierein mediales Lawinenseminar abhalten. Sozusagen die kleine Lawinenkunde für den Hobbysportler. Gültig für Tourengeher genauso wie für alle anderen Aktivisten, die es ins winterliche Outback zieht.

Als unseren Beitrag für mehr Sicherheit auf den Winterbergen wollten wir euch Ratschläge geben, wie man zum Beispiel anhand der verschiedenen Schneeschichten die Lawinengefahr erkennen kann, wann wo welche Hänge zu meiden oder zu befahren sind, wie die Sonne oder der Wind Einfluss auf die Lawinenbildung haben usw.
Selbstverständlich sollte dafür, wie bei all unseren Servicereportagen gehandhabt, ein anerkannter Fachmann als virtueller „Kursleiter“ angeheuert werden: Die „Lawinenkunde für den Hausgebrauch“ wollten wir also mit Hans Bergmann, dem Leiter der österreichischen Berg- und Schiführerausbildung, gestalten.

ERFAHRUNGSSACHE
Aber ausgerechnet der Experte Bergmann hat das Ganze wieder abgeblasen. Und wir sind ihm im Nachhinein sogar dankbar dafür. Denn so, wie es Bergmann begründet, hätte diese gut gemeinte Serviceaktion ein unheilvoller Schuss nach hinten werden können. „Um eine Lawinengefahr richtig einschätzen zu können, braucht es viel Erfahrung. Und die bekommt man nur in der Praxis, durch Teilnahme an Kursen, bei der Schulung durch erfahrene Bergkameraden. Die Mechanismen, die zu einer Lawinenbildung führen, sind äußerst komplex und schwer wahrnehmbar, das gedankliche Vernetzen und Umsetzen dieser Informationen ist eben nur mit entsprechender Erfahrung möglich.“
Sogar die Anwendung von klassischen Faustregeln im Zusammenhang mit Lawinenwarnungen – wie kritische Neuschneemengen, Geländeformen, Stabilisierungszeiten nach Schneefällen usw. – hält Hans Bergmann ohne entsprechendes Wissen für gefährlich: „Wenn der unerfahrene Tourengeher der Meinung ist, dass er auf seiner Tour die Lawinengefahr jederzeit einschätzen kann, weil er sich in einem Artikel die verschiedenen Kriterien und Gefahrenquellen eingeprägt hat, so bringt ihn diese trügerische Sicherheit womöglich erst recht in Gefahr.“

GEFAHRENQUELLE ORIENTIERUNG
Die Absage des "Lawinenblitzkurses" bedeutet aber nicht, dass es für Hans Bergmann nicht enorm wichtig ist, den Schitourengehern zwei wichtige Ratschläge mit auf den Weg zu geben, damit sie sicher und gut wieder nach Hause kommen. „Mein erste Rat: Besucht unbedingt einmal einen Lawinenkurs in einer Alpinschule oder auch bei einem geschulten Bergführer. Dabei solltet ihr aber besonders darauf achten, dass neben dem lawinenkundlichen Wissen auch großes Augenmerk auf andere wesentliche Fähigkeiten, die ihr zur eigenverantwortlichen Durchführung von Touren braucht, gelegt wird. Ganz wichtig ist hier die Schulung der Orientierungstechniken. Denn Untersuchungen von Lawinenunfällen ergeben sehr oft, dass nicht die Fehleinschätzung der Gefahr, sondern ein Orientierungsfehler die eigentliche Unfallursache war.“
Der zweite Ratschlag, den Hans Bergmann allen Tourengehern dringend ans Herz legen will, betrifft doch noch geschriebene Information: „Bevor ihr auf die Tour geht, schaut ins Internet! Denn auf der Homepage www.lawine.at findet ihr die immer aktuellen Berichte des Lawinenwarndienstes, speziell auch für das Gebiet, das ihr begehen wollt. Bei diesen Berichten werden alle Risikofaktoren, die der Unerfahrene selbst nicht deuten kann, mit eingearbeitet und dann in Form einer lokalen Lawinenwarnstufe ausgewertet. Beachtet man auch den Text, der zu dieser Gefahrenstufe gehört, dann hat man eine sehr gute Zusammenführung der aktuellen lawinenbildenden Faktoren zur Verfügung. Und liest man dazu noch aufmerksam die grundsätzliche Definitionen der einzelnen Gefahrenstufen, so wird schnell klar, dass eigenverantwortliche Touren ohne entsprechende Erfahrung eigentlich nur bis einschließlich Stufe 2 durchführbar sind.“


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