Rocker am Laufschuh? Hat nichts mit Musik zu tun! 
Wir haben uns in der Industrie umgehört und klären auf.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Rocker, die im Surfen und Wasserskifahren wurzelnde Idee, Ski hinter und/oder vor der Bindung „aufzubiegen“, machen Skifahrern auf und abseits der Pisten seit Jahren das Leben leichter, sorgen unter anderem für einfachere Schwungeinleitung und besseren Auftrieb. Aber Rocker am Laufschuh? Da ist das Konzept ein ähnliches, sind auch hier Fersenbereich und Zehen ähnlich einem Schaukelstuhl (im US-Amerikanischen mit „rocker“ übersetzt) aufgebogen. Manch langgedientem Fitnessjünger mag anhand dieser Beschreibung das Design der vor langer Zeit boomenden MBT-Schuhe in Erinnerung kommen. Damit, so betont Alexander Dobrawa von Saucony, haben moderne Rocker-Schuhe nur noch optische Überschneidungen. Der Gedanke hinter MBT lag in der Kräftigung und im Stabilitätstraining des Bewegungsapparats, klärt HOKA auf. Der moderne Rocker nimmt hingegen keinen Einfluss auf die Stabilität.

Rocker für Vortrieb
„Die Grundidee hinter der modernen Rocker-Technologie ist, dass sie das Abrollverhalten erleichtert und zugleich die Dynamik im Vortrieb spürbar verbessert“, fasst Dobrawa zusammen. Inspiration, so das offizielle Statement seitens Vorreiter HOKA, nimmt das Design am rollenden Reifen. In Kombination mit einer geringen Sprengung (Höhenunterschied zwischen Ferse und Vorderfuß) unterstützt dies, aktiver zu laufen. Die Außensohle verläuft dabei in ihrer Konstruktion konvex, was ein konsequentes Abrollen nach vorne ermöglichen soll.

Dieser Effekt spielt vor allem Fersenläufern in die Karten, da diese nach weicher Landung mehr auf den Mittelfuß „gepusht“ werden. Dies vermittelt Dobrawa zufolge nicht nur ein leichtes und schnelles Laufgefühl, sondern bietet Fersenläufern auch eine Art „Verletzungsprophylaxe“. Daneben sollen auch Mittel/Vorfußläufer von der neuen Technik profitieren können, da, so die Expertenmeinung, mehr vertikale Bewegung und somit eine höhere Grunddynamik entstehen können. Dies, so unserer Erfahrung,  hängt aber stark vom individuellen Laufstil respektive Schuhmodell ab. Teils können sich Mittel/Vorfuß-­Läufer an der „hohen“ Sohlenmitte stören, Fersenläufer berichten hingegen oft von einem subjektiv beschleunigten Abrollvorgang. Es gibt aber auch Modelle, die einen aktiven Fußaufsatz im vorderen Bereich aktiv unterstützen. Neben den vollständigen Heel-to-toe-Rockern etablieren sich auch sogenannte Toe-Rocker, die nur vom Mittelfuß vorwärts aufgebogen oder im Vorfuß leicht erhöht sind. Professionelle Beratung und eine kurze Probe­runde sei Neugierigen vor dem Kauf ob der Vielfalt dringend ans Herz gelegt.

Hohe Kunst
Wie Dobrawa erklärt, verändert sich mit einem Rocker zugleich der Grundaufbau eines Schuhs, meist in einer ausgeprägten Sohle ersichtlich. Die gegenüber klassischen Modellen höhere Zwischensohle beeinflusst zwar den Stack (die „Standhöhe“), allerdings nicht automatisch auch die Sprengung. Diese wird auch hier an den Zweck des Schuhs angepasst und liegt irgendwo zwischen 4 und 9 mm. 

Mittlerweile ist die Technologie auch in jeder Schuhkategorie angekommen. Lightweight-Trainer, entspannte Langstreckenschuhe, Trail- und sogar Wettkampfschuhe gibt es zuweilen mit Rocker. Letztere setzen zusätzlich gerne auf eine Carbonplatte, um nochmals reaktiver und explosiver für Bestzeiten zu sorgen. Der Straßenwettkampfbereich, so HOKA, ist es auch, in dem man die stärksten Rocker findet. Während traditionelle Hersteller wie Saucony Rocker als Option bieten, ist er bei HOKA fixer Bestandteil der gesamten Kollektion, nur eben von Modell zu Modell unterschiedlich ausgeprägt.

Rocker für alle
In der großen Auswahl an Herstellern und unterschiedlichen Ausprägungen finden sich somit Rocker-­Varianten, die jeden Laufstil unterstützen. Nur weil man mit einem Rocker nicht zufrieden war, sollte man das Thema nicht gleich abschreiben. Professionel beraten, im besten Fall auch am Laufband direkt im Shop ausprobiert, sollte sich für jeden Laufstil ein passendes Modell finden lassen. 

Eine gewisse Eingewöhnungsphase sollte man sich erfahrungsgemäß auf jeden Fall gönnen, ehe man ein Urteil fällt. Passen Schuh und Laufstil zueinander, ergibt sich ein durchaus interessantes Laufgefühl. Der (Läufer-)Fuß braucht Abwechslung  und neue Reize, einen Rocker als Ergänzung im Repertoire zu haben, macht entsprechend nicht nur für Fersenläufer durchaus Sinn.