Auf den Spuren der Weltcupstars. Die Jagd zwischen Riesentorlauf- und ­Slalomstangen macht Hobbyskifahrern nicht nur Spaß, sondern hilft auch der Skitechnik auf die Sprünge – so heißt es zumindest. Ob die These stimmt? Monika ­Neiheisser, an sich eine gute Skifahrerin, hat es beim fünftägigen Intensivcamp des „Race Centers Benni Raich" im Tiroler Pitztal ausprobiert.

Von Monika Neiheisser


Kurz vor dem Start erhalte ich meine Anweisungen über Funk: „Monika, denk dran: Den Oberkörper nach vorne neigen und so eng du kannst an den Torstangen vorbeifahren. Konzentrier dich und gib Gas. Strecke frei!"

Ich stoße mich kräftig ab und versuche, die Torstangen mit Körperkontakt zu erwischen. Doch die Ski rattern und rumpeln über die Piste und schon in der zweiten Kurve entwickeln sie ein Eigenleben – ich gehe anstatt mit den Slalomstangen mit dem Schnee auf Tuchfühlung.

Ja, man hat schnell „Aha-Erlebnisse" im Racecamp. Zum Glück geht es den anderen Teilnehmern nicht viel besser. Wir sind sieben ambitionierte Hobbyskifahrer. Das Ziel lautet, unsere Skitechnik zu verbessern – und ein Renncamp soll dafür eine perfekte Schule sein. Doch vor der Verbesserung steht eben offenbar die Ernüchterung.

Das Tal liegt noch im Schatten, das Thermometer zeigt minus 15 Grad und die Rennstrecke ist mit vereisten Querrillen, die die Pistenraupe in den Schnee gefräst hat, durchzogen. Das Team des „Race Centers Benni Raich" legt Wert auf solch schwierige Pistenverhältnisse. Wie bei den Profis wurde die Strecke künstlich vereist und die Rillen sorgen für zusätzlichen Anspruch. „Bei der nächsten Abfahrt gibst du mehr Druck auf die Ski und lehnst dich nach vorne", höre ich Florian aus dem Funkgerät. Ich hab die Fernsehbilder der Profis im Kopf, die scheinbar mühelos und der Schwerkraft trotzend zwischen den Toren ihre Spuren ziehen. Hier Rennluft zu schnuppern, ist jedenfalls mindestens so spannend, wie vor dem TV-Gerät Chips knabbernd ein Olympiarennen anzuschauen ...

Fünf Tage Technik-, Riesenslalom- und Slalom-Training, Videoanalyse, Trainingstipps und Skipräparieren stehen während meines Intensivkurses auf dem Programm. Kinder und Jugendliche mit Rennambitionen, sowie FIS-Rennläufer werden zeitgleich mit uns – aber natürlich in getrennten Kursen unterrichtet. Bereits 1998 hatten Benni Raich und sein Bruder Florian die Idee, eine Skischule für besondere Ansprüche zu gründen. Seither steht die Skirennschule unter der Leitung von Florian und profitiert von der Erfahrung des Olympiasiegers und Weltmeisters Benni. Und sie steht für professionelle Rennvorbereitung. Doch auch ambitionierte Hobbyskifahrer wie wir können von dem Training profitieren. Das beginnt für uns lange, bevor die Sonne über die Gipfel lugt und die anderen Urlaubsgäste die Pisten besiedeln.

HINTER MIR DIE STAUBWOLKE
Um 8.30 Uhr geht es täglich los. Ich fahre mit meinen Campkollegen – drei Männern und drei Frauen aus Deutschland, Österreich und Südafrika – mit der Gondel der Riffelsee-Bahn hinauf, die uns zur Sunna Alm auf 2.300 m bringt. Weiter Richtung Muttenkopf, kurz einfahren, dann steckt Florian 25 Tore im Abstand von 24 Metern auf der roten Piste zur Talstation der Mutten­kopf-Bahn aus. Ein perfekt gleichmäßiger Riesentorlauf.

Nach der Streckenfreigabe über Funk versuche ich, hart auf der Kante um die Tore zu carven, doch in Wahrheit rutsche ich um jede Kurve und ziehe eine dicke Schneestaubwolke hinter mir her. „Carven bringt Tempo, rutschen kostet Zeit", erfahren wir dann von Benni Raich. Und wie er auf diesen Hängen das Skifahren von seinem Vater gelernt und mit vier Jahren sein erstes Rennen absolviert hat. Mehr als 10.000 Tore hat er während seiner Karriere alljährlich bereits vor Saisonstart passiert – „jetzt will ich was von meinem Wissen und meiner Erfahrungen an euch weitergeben".

Am Nachmittag, bei der Videoanalyse, habe ich auch das Gefühl, heute schon Tausende von Toren durchfahren zu haben, denn meine Beine wollen eigentlich nur noch eins: ruhen. In einem Raum mit Klassenzimmer-­Atmosphäre betrachten wir unsere Fehler in Zeitlupe. Sich zu verstecken ist sinnlos. Für uns Freizeit-Skiläufer folgt die nächste Ernüchterung: „Monika, du musst mit dem Oberkörper mehr nach vorne, das sieht ja aus, als könnte man einen Stuhl unter deinen Hintern stellen. Markus, dir muss ich die X-Bein-Stellung austreiben. Die bremst und ist ein eher frauen­typischer Fehler." Markus schaut etwas betreten zu ­Boden.

HILFE, FREIHÄNDIG!
Der nächste Skitag fühlt sich zu Beginn gleich noch unsicherer an – doch Überraschung: „Das ist gut", verkündet Florian, „denn nur so ändert man einen eingefahrenen, falschen Stil." Wieder sind die Stangen am Mutten­kopf ausgesteckt. ­Florian beobachtet uns akribisch am Ende der Riesenslalomstrecke, filmt und gibt uns individuelle Tipps. Plötzlich verlangt er meine Stöcke und ordnet an: „Jetzt fährst du einmal ohne. Denn wer ohne Stöcke gut fahren kann, fährt mit Stöcken noch besser."

Hilfe! Mir kommt es vor, als würde er mir mein Geländer wegnehmen, an dem ich mich um die Tore hangle. Adrenalin schießt durch meinen Körper, doch ich sammle meinen ganzen Mut. Plötzlich neige ich den Oberkörper weiter nach vorne – weil ich muss – und meine Bewegungen werden mit jedem Lauf geschmeidiger!

IN DIE BUCKELPISTE
Dann ist Mittagspause – und eine Stunde später geht's schon wieder weiter. Es heißt schließlich nicht umsonst: Intensiv­camp! Vom Gruben­kopf auf 2.800 m Höhe stauben wir durch silbrig glitzernden Pulverschnee. Jetzt stoppt Florian vor einer angsteinflößenden Buckelpiste, die steil in die Tiefe stürzt. Vor der Abfahrt rät er uns: „Ihr müsst euch nur den Weg so suchen, wie das Wasser fließen würde. Also immer in den Buckeltälern fahren." Eine Zeitlang geht das gut, doch dann hebelt mich doch ein Buckel aus und ich küsse wieder einmal den Schnee. Florians feixender Kommentar: „Das Leben ist hart in den Bergen." Scheint zu stimmen ...

MIT MENTALTRAINING
Bei mir läuft es trotzdem von Tag zu Tag besser. Die „Stockerlhaltung", der ersten Videoanalyse ist nicht mehr so ausgeprägt und es gelingt mir mittlerweile, deutlich enger um die Stangen zu carven. Sogar ohne Stöcke – und ohne Mitdrehen des Oberkörpers. Auch Markus nimmt mehr und mehr Abschied von seiner X-Bein-Stellung. Dafür übt er nicht nur auf der Piste. Ganz wie die Profis gibt er sich all­abendlich vor dem Schlafengehen einem Mentaltraining hin, in dem er sich die richtige Beinstellung vorstellt. „Am nächsten Morgen geht's dann immer viel besser", ist er ehrlich überzeugt. Doch auch ohne Mentaltraining merke ich, dass sich mit jedem Tag, langsam, aber doch, neue Bewegungsmuster in meinen Körper schleichen.

SLALOM IM NEBEL
Als Abschluss der fünf Tage wartet aber noch ein echter Hammer: ­Slalom statt Riesentorlauf! Jetzt stehen die Stangen am Mutterkopf im Abstand von bloß zwölf Metern. Auf einer schwarzen Piste! Wir sehen sie kaum, so nebelig ist es, und auch das Eis unter der Schneedecke ist echt tückisch. Nur mit extrem kurzen und kleinen Schwüngen kommen wir hier durch, wenn wir immer schön auf der Kante fahren.

Für mich ist es eine einzige Rutschpartie ohne Rhythmus, denn immer wieder bringen mich überraschende Mulden in der Piste aus dem Schwung. Erschwerend kommt noch der Muskelkater dazu. Doch spätestens jetzt weiß ich, was Benni meint, wenn er sagt: „Talent alleine hat noch keinen weitergebracht. Es hilft nur Training, Training, Training." Nun, den Anfang dazu haben wir in den letzten fünf Tagen immerhin getan ...

„Race Camps" finden den ganzen Winter über in der Heimat des Olympiasiegers und Weltmeisters statt: im Pitztal, genauer gesagt, im Skigebiet Riffelsee und am Pitztaler Gletscher. Vom ambitionierten Hobbyskifahrer bis zum FIS-Rennläufer kann jeder seine Technik in Kursen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus verbessern. Fünf Tage Training, Liftkarte, Videoanalyse und Mittagessen kosten € 500 für Erwachsene, € 485 Euro für Kinder (bis Jg. 2001).

Alle Infos: race-center.at & pitztal.com


Zum Schmunzeln ...