Warum sich Rainer Schönfelder wie ein Kind auf den Ski-Winter freut, aber nicht auf die beheizten Sessellifte. Der Ex-Rennfahrer über die Zukunft des Skifahrens: Lust, Luxus, leistbar?
von Christoph Heigl
Mit einem Finger einer Hand kann man sie weltweit abzählen, jene Menschen, die das Kunststück geschafft haben, Dancing Stars und den Kitzbühel-Slalom zu gewinnen. Das hebt aus der Masse heraus und das beschreibt die Person Rainer Schönfelder. Als Clown, Tüftler und Sänger wurde der Ex-Rennfahrer porträtiert. In Wengen fuhr er nackt über die Piste. Schon früh zockte er mit Aktien, jetzt macht er in Hotels. Und in Sachen Ski bleibt Schönfelder ein kritischer Geist.
Rainer, gibt es den pinken Anzug noch?
Ja, natürlich! (lacht) Meine Freundin sagt zwar immer, ich soll den Krempel endlich wegschmeißen, aber ich hab noch alle drei. Aus dem Stoff japanischer Frauenkleider geschneidert. Den pinken mit gelben Blumen-Ornamenten, einen blauen mit Drachen und einen schwarz-roten. Die kriegst du nirgends, die geb ich nicht her. Den pinken hab ich einmal bei einer Gala getragen. Irgendwann ziehe ich sie noch alle an.
War das eines der Highlights deiner schrillen Jahre im Skizirkus?
Ja, aber da gab es in Summe wohl viele Highlights …
Du wurdest heuer im Sommer 40. Was flasht als Erstes auf, wenn du an den Rennsport zurückdenkst?
Ganz klar der Slalomsieg in Kitzbühel 2002. Das war mein effizientester und nachhaltigster Sieg. Keine Olympia- oder WM-Medaille bringt dir so viel. Du wirst in Kitzbühel eingeladen, fast hofiert, kriegst eine Gondel, ein Legendenrennen. Der Kitzbühel-Sieg wird jedes Jahr neu entflammt. Die Olympia-Medaillen hängen irgendwo daheim.
Wie verfolgst du die Szene?
Ich schaue mir fast jedes Rennen an, Damen und Herren, im TV oder im Internet. Mein Herz gehört dem Wintersport. Und aus der Ferne ist das herrlich entspannt und relaxed. Skifahren ist Teil meines Lebens und ich habe immer gewusst, ich bin Skifahrer auf Zeit und es war ein Schritt von mehreren, die noch kommen werden. Nur so etwas wie der Todessturz von David Poisson (Anm.: Unfall im Training im November in Kanada) ist ein Schock. Du hast sofort im Kopf: Ich bin auch Abfahrt gefahren, das hätte mir auch passieren können.
Wie geht Rainer Schönfelder privat Skifahren?
Der ideale Skitag ist abgestimmt auf unsere Tochter, die jetzt fünf ist. Wir gehen mit ihr auf der Petzen Ski fahren oder sie ist beim Skiklub und ich geh zwei Stunden auf der Piste mit meinen alten Geräten richtig platteln oder mache eine Skitour. Aber ich bin nur ein Vormittagsfahrer, am Nachmittag gehen wir eislaufen, die Kleine hat sogar schon Eishockeyschläger. Geschäftlich bin auch oft auf der Piste und bei Skitagen mit Partnern und ganzen Gruppen unterwegs. Aber weil ich ja in Wien wohne, bin ich (Anm.: schaut aus dem Fenster) eh schon ganz nervös, wenn es rundherum weiß ist. Ich bin gierig aufs Skifahren.
Woher kommt diese Lust? Warum liebt der Österreicher das Skifahren?
Jeder, der die persönliche Erfahrung des perfekten Skitages schon gemacht hat, kennt dieses Gefühl. Das ist abgespeichert und reproduzierbar, man will zurück an den Ort des Geschehens. Der Skiweltcup und die Bilder in den Medien emotionalisieren uns zusätzlich. Ich sag immer: „Fohr amol auf den Berg und erlebe das.“ Es ist einfach ein positiv bejahendes Lebensgefühl.
Wie fuhr der kleine Rainer mit den Eltern auf Skiurlaub?
Gar nicht. Ich war ja ständig mit dem Skiklub unterwegs. 4 Uhr früh Abfahrt Bleiburg, 180 km zum Mölltaler Gletscher, um 20 Uhr retour. Bis zu vier Mal in der Woche. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Das stundenlange Autositzen war ein Affentheater. Heute bleibt man bei Trainingskursen vor Ort, macht am Nachmittag noch alternatives Training. Das ist Komfort, Wohlstand und ein ganz anderes Niveau.
Apropos Komfort: Du hast jetzt als „Professor Rainer“ einen eigenen Skischuh am Markt? Ein Gag?
Nein, er heißt „Freemotion“ und ist der bequemste Skischuh der Welt. Er hat durch den Seilzug und den Reißverschluss keine Druckstellen, ist leichter, bequem zum Ein- und Aussteigen und bringt die Knie in leichte Vorlage. Perfekt fürs Carving, aber auch Skitouren kann ich damit gehen. Und beim Après-Ski willst du sie gar nicht ausziehen …
Zum Thema Zukunft: Fahren wir im Jahr 2050 noch Ski?
Ich bin kein Prophet. Aber ich bin überzeugt, dass wir mindestens noch zwei Generation so Ski fahren wie bisher. Manche übertreiben und reden so, als ob schon im nächsten Winter kein Flockerl mehr da ist. Aber natürlich gibt es Alarmsignale und wir dürfen nichts unversucht lassen, den Wert des Skifahrens zu erhalten. Wenn ich in Beaver Creek in den Skilift steige und sage: „I am from Austria“, antworten alle: „Oh, Skiing and Schnitzel.“ Im gesamten Osten, von Osteuropa bis Russland und China gibt es noch riesiges Potenzial. Wenn dort Märkte entstehen, wird Österreich enorm profitieren.
Wie müssen sich die Destinationen und Skigebiete aufstellen?
Die guten Regionen zeigen das vor. Du darfst dich nicht mehr auf den Winter verlassen und musst auch im Sommer etwas anbieten: die Mountainbikestrecken sind das Idealbeispiel, auf der Petzen, Saalbach-Leogang, Sölden. Wer jetzt noch zehn Jahre schläft, wird ein böses Erwachen erleben. Manche Skigebiete sollten vielleicht nicht in den 470. Pistenkilometer investieren und auf den letzten Kamm noch eine Kanone stellen, sondern die Infrastruktur kritisch hinterfragen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Rückgänge im Winter von einem Plus im Sommer aufgehoben werden. Die Jahreszeiten werden nicht mehr so eine Rolle spielen. Wir sind ein sauberes Land, ein sicheres, die Qualität bei uns ist top.
Du bist selbst involviert und bietest mit Hermann Maier „leistbare“ Unterkünfte und Hotels. Wonach richtet sich die Preisgestaltung?
Wir haben befunden, dass im hochpreisigen Segment schon viel Angebot da ist. Wir wollen im Drei-Sterne-Segment Lösungen mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten, damit wieder mehr Leute zum Skifahren kommen. Wir sind damit am richtigen Weg. Ich schaue bei uns gerne in die Garagen und da stehen Porsches und Teslas neben Familienautos. Wir haben ältere Paare, Junge, Gruppen, Familien – das ist interessant, sehr breit und harmonisch. Aber ich bin fair und mir ist völlig klar, dass auch das für viele nicht „leistbar“ ist. Das ist ein dehnbarer Begriff, jeder Mensch hat eine andere Definition. Die Frage ist, was kriege ich an Gegenwert? Brauche ich den vollen Luxus? Brauche ich Hunderte Pistenkilometer, wenn ich nach der zweiten Abfahrt in die Hütte gehe, und sind die 50 Euro für die Tageskarte ein adäquater Gegenwert? Wobei: Der Gast, der sich über die 50-Euro-Tageskarte aufregt, ist derselbe, der sich beschwert, wenn auf der Piste zwei Ratrac-Spuren nicht schön überlappend präpariert sind. Das kostet halt, der Anspruch ist hoch. Oder reicht uns weniger? Ich persönlich bräuchte nicht einmal die beheizten Sessellifte, das ist doch dekadent. Du schwitzt noch mehr und dann verkühlen sich alle.
Wie erhalten wir die Lust am Skifahren?
Das ist eine Aufgabe für uns alle, für die Gesetzgeber, die Behörden und Institutionen. Früher war der Schulskikurs verpflichtend. In einer Gesellschaft mit so unterschiedlichen Kulturen ist das eine Herausforderung. Aber Not macht erfinderisch und ich hätte so ein, zwei Ideen, z. B. im Lift-Ticketing-System. Und es gibt nicht nur Gerüchte um haltbaren Schnee, der bei Plusgraden produzierbar ist. Noch geht es vielen gut, aber auch die Top-Destinationen werden mehr für ihre Kunden tun müssen. Aber Österreich und die Alpen – das ist ein Grundwert, der bleibt.
IM INTERVIEW | Rainer Schönfelder, geboren am 13. Juni 1977 in Wolfsberg (K) Erfolge: fünf Siege im Ski-Weltcup, darunter Jetzt umtriebig in den Bereichen Hotellerie (Cooee alpin Hotels), Investment, Immobilien |
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