Vom „Motivationsloch“ im Sommer ist nichts mehr zu spüren. Mit SPORTaktiv sprach Slalom-Olympiasiegerin Petra Vlhova über ihre neue alte Liebe zum Skisport, über die Härte im Training und die Ruhe, die sie in der Familie und draußen in der Natur findet.

Thomas Polzer
Thomas Polzer

Petra, warum war es für dich schon als Kind von allen Sportarten eigentlich immer nur das Skifahren, das dich interessiert hat?
Meine Mutter wollte als Kind unbedingt Skifahren, aber aufgrund von Zeit- und Geldmangel konnte sie das nicht. Also war für sie immer klar, dass zumindest ihre Tochter diese Möglichkeit haben sollte. Außerdem hatten wir ein kleines Restaurant in Jasna, einem slowakischen Skigebiet, wo ich und mein Bruder von früh bis spät auf der Piste sein konnten. Und ich war eben immer die Letzte, die ihre Ski abgeschnallt hat.

Darum warst du ja auch gleich bei deinen ersten echten Rennen erfolgreich. Aber wann wurde aus dieser kindlichen Leidenschaft eine echte Berufung? 
Als Kind fährst du einfach Ski und fühlst die Freiheit. Die Berufung, dass ich da was ganz Besonderes leisten könnte, die spürte ich erst so als 15-, 16-Jährige, mit dem Wechsel zu Junior-FIS-Rennen und als plötzlich alles viel professioneller wurde. 

Neben deinem großen Talent bist du im Skizirkus auch als beinharte Arbeiterin bekannt. Ein Muss, das du selbst erkannt hast – oder haben dich erst deine Trainer zu dieser harten „Trainiererin“ gemacht?
Ich glaube, das steckt grundsätzlich in unserer Familie: Mama und Papa haben uns immer vorgelebt, dass man, wenn man etwas erreichen will, dafür auch hart arbeiten muss. Und da hab ich schon in sehr jungem Alter ­begriffen, dass Talent allein nicht reichen wird, um erfolgreich zu sein.

Bleiben wir beim Thema Trainer: Du hast ja jetzt ein sehr familiäres Team um dich geschaffen. Worauf kommt es dir in deinem engsten Umfeld an?
Für mich ist es wichtig, dass mich die Menschen, denen ich vertraue, immer begleiten und ich mich „zu Hause“ fühlen kann. So bin ich glücklich, habe meinen inneren Frieden und kann meinen Job machen.

Gibt es, wie bei vielen erfolgreichen Sportlerinnen, auch bei dir Momente, in denen du alles hinterfragst und vielleicht sogar alles hinschmeißen möchtest?
Ja klar, das gibt es öfters. Es ist stets ein großer Druck da, das ist nicht mehr einfach nur Skifahren wie früher als Kind. Darum bin ich auch heuer nach dem Olympiasieg in ein echtes Motivationsloch gefallen.

Und wie bist du aus diesem Loch wieder herausgekommen?
Irgendwann dachte ich wieder daran, was ich noch alles erreichen will und dass es sich lohnt, dafür in der Spur zu bleiben. Jeder hat solche kurzen mentalen Tiefs, aber ich weiß, dass es mir am nächsten Tag wieder gut geht. Außerdem: Wenn alles immer leicht wäre, könnte es sowieso jeder machen.

Was ist es, das dir die Kraft gibt, ­alles in diesen Sport zu investieren?  Die Lust am Gewinnen? Die ständige Annäherung an die Perfektion? Oder einfach der Spaß an diesem großartigen Sport?
Ich glaube, es ist alles zusammen: Spaß, Passion und dieses irre Gefühl beim Gewinnen, das Adrenalin und die vielen Emotionen. Ich liebe Skifahren und ein Teil davon ist eben auch, hart dafür zu arbeiten. 

Einmal weg von Zeitnehmung und Rennstress: Kannst du das Gefühl eigentlich beschreiben, das du bei einem Schwung, zum Beispiel im Tiefschnee, verspürst?
Dann fühl ich mich wieder wie damals als Kind beim Skifahren. Nach der letzten Saison bin ich alleine, frei von allem, drei Stunden den Berg heruntergefahren. Ich war so glücklich und mir wurde wieder völlig klar, wie sehr ich das liebe und warum es mein Sport und mein Job ist. Ich habe das große Glück, das zu machen, was ich von ganzem Herzen liebe.

Wie wichtig ist es für dich, ein Gleichgewicht zu finden zwischen vollem Einsatz und dazwischen immer wieder zur Ruhe zu kommen?
Regeneration ist sehr wichtig für mich. Ich bin noch jung, aber auch nicht mehr Zwanzig. Ich muss auf meinen Körper und auf meinen Geist schauen. Als Siegerin bei Olympia und mit jedem Sieg im Weltcup wird der Druck immer größer und um dann den Fokus zu halten, brauch ich ausgleichend mentale und körperliche Ruhe. Dazu verhilft mir dann die Zeit mit meiner Familie, meinen Freunden, die Bewegung draußen in der Natur auch bei anderen Sportarten – da kann ich meine Batterien wieder aufladen.

Du kommst an viele schöne Plätze auf der ganzen Welt, hast aber fast nie Zeit, um diese Schönheiten zu genießen. Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass du wegen deiner Leidenschaft fürs Skifahren vieles andere versäumst?
Wenn du dich entscheidest, deinen Sport mit aller Kraft zu betreiben, dann musst du dich auch entscheiden, was das Beste für diesen Sport  ist und nicht für dich. Du hast immer die Option zu entscheiden. Du kannst ausgehen, dir einen netten Ort anschauen, aber dann wirst du deine Ziele nicht erreichen. That’s it!

Wie wichtig ist es für dich, dass gerade Kinder weiterhin die Begeisterung für den Skisport entdecken? 
Wenn ich ein Idol für die ganz Jungen sein kann und sie dadurch auch inspiriere, Ski zu fahren oder überhaupt Sport zu machen, dann freut mich das sehr. Darum ist es auch so wichtig, dass es Skigebiete gibt, die nahe bei den Kindern sind. So wie es bei mir in Jasna war, wo meine Familie heute noch lebt. Solche kleinen Skigebiete sind der Grundstein, dass Kinder das Skifahren lernen. Zusätzlich ist natürlich auch der Tourismus wichtig, genauso wie die öffentliche Hand, die diese Skigebiete am Leben erhalten muss.

Motocross mit Bruder Boris, Mountainbiken mit dem Vater, dazu dein Freund als motivierter Fitnesssportler – was lässt dein sportliches Herz abseits der zwei Bretter höherschlagen?
Wichtig ist für mich, wie bei jedem Sport, dass ich es einfach gern mache, wie eben Motocross. Ich liebe es, auf meiner Maschine zu fahren, und es hat mir sogar geholfen, etwas an meinem Schwung zu ändern! Beim Mountainbiken und beim Motocross brauchst du zudem viel Gleichgewichtsgefühl und den Fokus auf die Strecke – genauso wie beim Skifahren. Grundsätzlich sind Vielseitigkeit und Abwechslung im Sport und in der Bewegung für mich sehr essenziell.

Dein Vater Igor meinte im April, dass noch vier weitere Jahre geplant seien, ehe du daran denkst, in den Ruhestand zu gehen. Welche großen Ziele motivieren dich, weiter so hart an dir zu arbeiten?
Wie gesagt: Ich mache das, weil ich – noch immer – liebe, was ich mache. Aber ich denke nicht in Jahren, sondern Schritt für Schritt und jetzt einmal an diese neue Saison.

Petra, man kennt dich in erster Linie im Rennanzug oder im sportlichen Outfit. Bist du privat eigentlich auch ein modisch interessierter Mensch?
Na ja, ich fühl mich eigentlich in Sports-Equipment am wohlsten.

Hat dich diese Vorliebe dazu bewogen, eine Partnerschaft mit adidasTERREX einzugehen?
Zuerst einmal ist es für mich ein echter Hit mit dieser Weltmarke zusammenarbeiten zu dürfen und ich bin einfach glücklich, ein Teil der adidas-Familie zu sein.

Das Design dieser neuen adidas­TERREX-Ski-Suits geht ja ganz speziell auf die Persönlichkeit und die Geschichte der jeweiligen Athletin ein. Wie konntest du dich da einbringen und mitgestalten? 
Die Idee hat mir sofort gefallen: Sie haben mich nach meiner Kindheit gefragt oder was ich am meisten liebe, wenn ich auf den Skiern stehe. So kam es zum Beispiel zur Farbe Orange als Symbol für die Sonnenuntergänge, in die ich als Kind gefahren bin, und das Design hat auch einen Bezug zu meinem Heimatort. Ganz ehrlich? Ich finde, die Suits sind richtig toll geworden. 

Petra Vlhova
Petra Vlhova

27 Jahre,  wurde in Liptovský Mikuláš (im Umkreis des Skigebiets Jasna) in der Slowakei geboren. Sie stand erstmals im Alter von drei Jahren auf Skiern und verfolgte mit der Unterstützung ihrer Eltern früh den Traum einer Skikarriere. Ihre bisher größten Erfolge sind der Riesenslalom-Weltmeistertitel im Jahr 2019, der Sieg im Gesamtweltcup in der Saison 2020/21 und der Olympiasieg im Slalom 2022.