Was dem Läufer sein ­Marathon, ist dem Lang­läufer sein ­Volkslanglauf. Doch das stimmt nicht ganz: die nordischen Wettkämpfe für Jedermann versprühen ein eigenes Flair. Das finden auch die Amateure des „Ski Marathon Austria Teams“. Petra Tanner, erfolgreichste Athletin des Teams, erklärt im Gespräch den „Nordic Spirit“.

von Herwig Reupichler

Sie sind Ärzte, Anwälte, Sportwissenschafter und Büroangestellte. Sie sind eine verschworene Gemeinschaft. Und sie leben vor, wie man neben Job und mit Familie den Langlaufsport in Österreich erfolgreich und mit Spaß betreiben kann. Die Hobbylangläufer mit Leistungsambition vom „Ski Marathon Team Austria“ stellen sich bei Volkslang­läufen in ganz Europa der internationalen Konkurrenz. Und sie betätigen sich dabei – das sei nur ganz nebenbei erwähnt – auch als Botschafter für einen 100 Prozent sauberen Sport. Was das „Ski Marathon Team“ besonders macht, wie sich ambitionierter Sport und zeitraubende Berufe zeitlich ausgehen und was die erfahrenen Volkslangläufer anderen Hobbylangläufern raten – das haben wir bei Petra Tanner nachgefragt. Die sympathische Tirolerin ist die erfolgreichste Athletin des Teams und hat immer ein Wörtchen mitzureden, wenn es bei heimischen und auch internationalen Volkslangläufen um die Stockerlplätze geht.

Petra, was ist eigentlich die Grundidee hinter eurem Team?
Die Grundidee ist, dass wir uns als absolute Liebhaber des Langlaufsports gefunden haben. Ausgehend von den Petritsch Brüdern war das Ziel, ein Ski-Classics-Team aus Österreich ins Leben zu rufen. Alle haben denselben Spirit. Langlaufen fasziniert, die Bewegung im Schnee motiviert und inspiriert uns. Uns verbindet auch, dass wir uns Zeit für unsere liebste Beschäftigung freischaufeln müssen. Alle haben Fulltime-Jobs und Familie.

Langlaufen heißt aber bei euch nicht nur, einfach mal abends eine Runde drehen …
Wir sind in der internationalen Ski- Classics-Rennserie vertreten, und mischen als Amateure unter Profis mit. Als einziges österreichisches „Ski Classics Team“ wollen wir den Langlaufsport aus Österreich gut vertreten und eine Plattform sein, die das Volkslanglaufen für alle Athleten und insbesondere den Nachwuchs attraktiv macht. Uns ist die Präsenz bei den großen, internationalen und traditionsreichsten Volkslangläufen sehr wichtig, aber auch bei heimischen Rennserien.

Wie lässt sich so ein „Hobby“ mit einem Fulltime-Job vereinbaren?
Ganz ehrlich, teilweise ist es schon schwierig. Man muss schon eine recht konsequente Art an den Tag legen und leider auch manchmal auf andere gesellschaftliche Ereignisse verzichten. Wichtig ist auch, zumindest einen groben Plan für die Ruhezeiten zu haben. Die kommen meines Erachtens nach nämlich schon zu kurz. Wenn der Kopf will, der Körper nicht und der Kopf sich dennoch durchsetzt, dann ist das auf lange Sicht kontraproduktiv. Man muss also schon sehr intensiv auf seinen Körper hören – auch wenn es schwerfällt.

Was treibt dich denn an? Oder anders: Was weckt in dir die großen Emotionen beim Langlaufen?
Die emotionalsten Erlebnisse sind für mich bei den großen internationalen Events zu finden. In meinem Fall waren zwei Starts beim Wasalauf sowie der Start beim Birkebeiner Rennen sicherlich die prägendsten. Die Atmosphäre in den Tagen davor ist bereits einzigartig. Die Nervosität vor dem Start, vor allem im Eliteblock, ist enorm. Viele Situationen während dieser Rennen sind auch ganz speziell.

Zum Beispiel?
Vor allem als Dame wird einem im hohen Norden im Langlaufen großer Respekt gezollt. Jeder macht eine Lücke für einen anderen frei und alle nehmen Rücksicht aufeinander. Wenn dann in so einem Rennen alles gut läuft, man die Ziellinie überquert, man merkt, dass einen nur der Kopf bis dorthin getragen hat, dann ist das ein unfassbares Gefühl. Und besonders emotional ist dann der Anruf zu Hause, weil man weiß, dass die Daheimgebliebenen die letzten fünf Stunden vor dem PC verbracht haben, per GPS immer nachgeschaut haben, ob es noch läuft und wie es läuft …

Wenn man nicht ständig eine Loipe vorm Haus hat, oder zum Beispiel in einer Stadt wohnt: Kann man dann für einen Volkslanglauf trainieren?
Mit einem Fitnesscenter und einem Radweg zum Skirollern ist ein gutes Trainingsumfeld schon gegeben. Kraft­einheiten im Fitnesscenter und gute Rollereinheiten am Radweg bilden eine fundierte Basis. Vieles geht sogar in der Wohnung – für eine gute Stabilisationseinheit braucht es kaum Geräte. Für die dunkle Herbstzeit ist eine Stirnlampe sehr nützlich. Die restlichen Trainingsinhalte können dann nach Belieben variieren – Radfahren, Laufen, Imitation. Das sollte alles auch in Städten oder in Stadtnähe gut möglich sein.

Wie wichtig ist es, Loipenkilometer zu sammeln?
Natürlich ist es für den Winter sehr wichtig, ein paar Schneekilometer zu sammeln. Wobei ja im modernen Volkslanglauf im klassischen Bereich die Doppelstocktechnik dominiert, bei der der Schneekontakt sicherlich weniger wichtig ist, als bei Skating- oder Klassikrennen mit Steigwachs.

Welche Ziele hast du dir noch gesteckt?
Ziele und Träume gibt es noch einige. Als Volkslanglauffreak sind für mich die Rennen droben im Norden etwas Spezielles. Die Begeisterung der Zuseher, die Atmosphäre. Die Leute an sich ticken etwas anders als in Mitteleuropa. Sie müssen keinem Erfolg nachlaufen, um glücklich zu sein. Sie müssen sich auch nichts beweisen, um ihre Persönlichkeit zu stärken. Die Skandinavier, die ich kennengelernt habe, sehen die Rennen an sich einfach als Erlebnis an – für sie selbst und für niemand anderen.

Und das spürt man bei den Events?
Ja – finde zumindest ich. Draußen zu sein, sich mit anderen Begeisterten zu messen, danach darüber „fachzusimpeln“, das ist es, was den Sport für mich ausmacht. Ein kleiner Traum wäre irgendwann mal beim Arctic Circle Race am Start zu sein: Ein Mehrtagesetappenrennen, mit Übernachtung draußen. Ganz nah an der Natur und mit dem Lieblingssportgerät unterwegs in den unendlichen Weiten – Weiß in Weiß, herrlich.

8 TIPPS FÜR DIE EVENTPREMIERE

  • Muskeln vor dem Start auf Betriebstemperatur bringen, mit ­besonderem Augenmerk auf die Oberkörpermuskulatur
  • Kein zu ehrgeiziges Ziel setzen: In jedem Rennen gibt es Engstellen mit Wartezeiten
  • Rechtzeitig in den richtigen Startblock einreihen
  • Beim Massenstart ist eine äußere Spur erfahrungsgemäß besser als die Mitte
  • Nicht zu schnell starten, lieber in der zweiten Hälfte noch zulegen
  • Windschatten nutzen, mit etwa gleich starkem Kontrahenten in der Führungsarbeit abwechseln
  • Verpflegungsstellen nutzen, auch bei Kälte genügend trinken
  • Atmosphäre beim Rennen genießen

Volkslangläufe/Skimarathons:

Langlaufrennen für Jedermann, Profis wie Hobbysportler. Meist werden Strecken zwischen 20 und 50 km in beiden Stilarten angeboten.

Ski Classics:

So heisst die bedeutendste internationale Rennserie im Volkslanglauf, mit Rennen in Italien, Skandinavien, Tschechien, Deutschland, Österreich (Seefeld) und der Schweiz.
Alle werden im klassischen Stil ­ausgetragen. Das prestigeträchtigste Rennen ist hier der Wasalauf in Mora, Schweden.

Austrialoppet, Euroloppet
und Worldloppet:

Volkslanglauf-Rennserien, die in Österreich, europaweit bzw. weltweit ausgetragen werden. Je höher die Internationalität, desto höher das Prestige. Zielgruppe aller Serien sind hauptsächlich (ambitionierte) Hobbysportler.

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