Im Rahmen der ISPO München wurde von Fachleuten quasi eine kleine Revolution in Sachen Laufschuhe eingeläutet. Wir haben beim Orthopäden unseres Vertrauens nachgefragt, was es damit auf sich hat.


Ohne die Kompetenz der Wissenschafter und Experten, die mit ihren Aussagen faktisch eine neue Ära vor allem in der Laufschuh-Beratung herbeischworen, anzuzweifeln: Natürlich stellt sich dem neutralen Beobachter nach diesem Laufschuh-Symposium die Frage, inwieweit diese „Revolution“ vielleicht doch auch von der Sportindustrie und deren Marketingmaschinerien getrieben ist? Denn neue „Erkenntnisse“, neue Philosophien öffnen logischerweise auch neue Märkte.


Was liegt also näher, um dieses Bündel an Bekenntnissen und Botschaften sozusagen von einem neutralen „Schiedsrichter“ prüfen zu lassen. SPORTaktiv konfrontierte daher Univ.-Doz. Dr. Ernst Bernhard Zwick, Orthopäde in Graz, mit allen Studien und Behauptungen, die bei diesem Laufsymposium die Runde machten. Und das Urteil des Mediziners, der als „Experte für Analyse und Therapieplanung bei Funktionsstörungen des Bewegungsapparats“ auch in den USA gefragt ist, war eindeutig: „Ganz egal, aus welchem Blickwinkel man das auch sehen mag – alles, was hier gesagt und zitiert wurde, stimmt zu 100 Prozent!“

DIE STABILITÄT ZÄHLT
Dr. Zwick selbst hat der künstlichen Stützung und Dämpfung in Laufschuhen immer schon eine Absage erteilt. „Beim Laufen geht es um Beweglichkeit – und diese gilt es, dynamisch zu kontrollieren und zu stabilisieren. Oder anders gesagt: Wenn der Fuß eines Läufers auftritt, dann entsteht Pronation, Supination, geht über in Stabilisierung und in der letzten Phase wieder in einen Abdruck. Das ist ein völlig normaler Ablauf, in den man mit der Technologie eines Schuhs, etwa in Form einer Pronationsstütze, überhaupt nicht eingreifen muss. Entscheidend, vor allem in der Verletzungsprävention, ist allein die Stabilität und die Mobilität, die ein Läuferbein haben muss. Und diese Stabilität und Mobilität kann nicht ein Schuh bewirken – das muss sich jeder Läufer selbst antrainieren!“

Eine gut trainierte Unterschenkelmuskulatur, ein gut trainierter und vor allem gut mobilisierter Fuß – das sind die Grundvoraussetzungen für gesunde und leistungsfähige Läuferbeine. „Die Menschen wissen gar nicht, dass unser Fuß genauso mobil und sensibel ist wie unsere Hand. Die Hände werden ständig bewegt und trainiert – aber wer trainiert seine Füße, mit ihren jeweils 26 Knochen, so, dass sie wirklich mobilisiert und stabilsiert sind“, fragt Dr. Zwick.

Dem „Nein“ zur Pronationsstützung lässt der Grazer Mediziner ein klares „Ja“ zu der von den Experten geforderten neuen Laufschuh-Analyse folgen: „Wer einen Laufstil beurteilen und eventuell sogar korrigieren will, der muss natürlich das Gesamtbild betrachten. Die sogenannte Beinachsenstabilität spiegelt genau wider, wie Hüftgelenk, Kniegelenk und Sprunggelenk zusammenarbeiten – und wo schließlich auch der Verursacher von Schmerz oder Verletzungen sitzt.“

Aber gerade wenn es um Verletzungsprävention beim Laufen geht, dann nimmt Dr. Bernhard Zwick wieder nicht die Laufschuh-Hersteller in die Pflicht, sondern auch da die Sportler selbst: „Natürlich ist es wichtig, gute und auch individuell abgestimmte Laufschuhe zu haben. Aber in erster Linie muss jeder für sich selbst kritisch hinterfragen: Trainiere ich richtig? Sorge ich beim Laufen für die so wichtige Abwechslung? Und vor allem: Ist mein Bewegungsapparat stabil und mobil genug für den Laufsport? Denn um hier ein Manko zu korrigieren, dafür nützt kein Laufschuh – die nötige Stabilität und Mobilität bekommt man nur durch fleißiges und richtiges Körpertraining.“


Univ.-Doz. Dr. Ernst Bernhard Zwick / Bild: KK

Der Experte

UNIV.-DOZ. DR. ERNST BERNHARD ZWICK ist Facharzt für Kinder- und Jugendorthopädie in Graz. Spektrum: Gelenksabnützung/Arthrosen, Achsenfehlstellung der Beine, Wirbelsäulenbeschwerden etc.

Web: www.dr.zwick.at

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