Die Harakiri in Mayrhofen im Zillertal gehört zu Österreichs steilsten präparierten Pisten. Und Franz Hödl ist der Mann, der dafür sorgt, dass der Abschnitt mit einem Gefälle von 78 Prozent für Skisportler überhaupt fahrbar ist. Mit Leidenschaft und 14 Tonnen rückt er der Harakiri in seinem Pistengerät täglich zu Leibe.
Von Klaus Molidor
Vor Franz Hödl stellt sich eine Wand auf. Weiß, hart, steil und mit einem Namen versehen, der alleine schon Respekt einflößt: Harakiri. Von Anfang November an haben die beiden fast täglich um 16.30 Uhr eine Verabredung. Hödl und die Harakiri. Der 48-Jährige präpariert mit seinem Pistengerät Österreichs steilstes Pistenerlebnis, die Harakiri in Mayrhofen im Zillertal.
78 Prozent durchschnittliches Gefälle hat die „schwärzeste" Piste des Landes, nur die Mausefalle auf der Streif in Kitzbühel hat mit 85 Prozent noch mehr – der berüchtigte Abschnitt wird aber nur für die Hahnenkammrennen präpariert. Aber die Harakiri ist die unbestrittene Attraktion des Zillertals.
Wenn die Penkenbahn abgestellt wird und die Skifahrer zum Einkehrschwung ansetzen, schwingt sich Hödl in sein 14 Tonnen schweres Gerät, startet den Motor und fährt langsam ein in die weiße Wand. Mit der Harakiri beginnt sein Arbeitstag. Nicht weil sie das schwierigste Stück ist, das er mit seinem Gerät zu bearbeiten hat, sondern ganz banal, weil sie die erste Piste ist, die ganz frei von Skifahrern ist. „Weil sie einfach nicht mehr zu erreichen ist, wenn die Lifte abgestellt sind", sagt Hödl.
GEFAHR ALS STÄNDIGER BEGLEITER
Erste Station ist immer der obere Ankerpunkt. „Denn die Harakiri, die kannst du nur am Seil präparieren, sonst geht da nichts." Im oberen, steileren Teil des Hangs überhaupt. 500 Meter lässt er sich an der Sicherung aus Stahl nach unten, dann muss er umhängen und sich am zweiten Ankerpunkt sichern. Diese Lebensversicherung für die Pistenpräparierer wird regelmäßig kontrolliert, damit Mensch und Maschine nicht ins Schleudern geraten.
Seit 15 Jahren schon ist der dabei, seit zehn Jahren bügelt er die Harakiri für die Gäste glatt. „Weil anfangen kannst mit so einer Piste nicht", sagt Hödl in breitem Tirolerisch. „Zwei Jahre braucht es schon, bis du mit dem Fahrzeug voll vertraut bist."
An seinen ersten Einsatz auf dem 1.500 Meter langen, berühmten Hang erinnert er sich noch ganz genau. „Ein einmaliges Erlebnis, das vergisst du nicht. Damals hab ich großen Respekt gehabt." Obwohl er damals einen routinierten Kollegen an seiner Seite hatte. „Aber das war schon etwas Spezielles." Auch heute noch nimmt er den 60 Meter breiten Abschnitt nicht auf die leichte Schulter. „Respekt hab ich immer noch. Ohne den geht es nicht, sonst wirst du nachlässig und es wird gefährlich", sagt Hödl.
Die Harakiri, das sind je nach Witterung eineinhalb bis zwei Stunden höchste Konzentration. „Da darfst du keine Sekunde an etwas anderes denken." Die schiere Steilheit ist gar nicht in erster Linie das Problem. In zweiter Linie schon. „Durch das Gefälle ist die Harakiri sehr schwierig zu beschneien und in der Folge zu bearbeiten. Weil es schwer ist, den Schnee dorthin zu bringen und zu halten, wo du ihn haben willst."
Die Gefahr ist ständig dabei. Größer ist sie aber nicht bei extrem tiefen Temperaturen, sondern eher im März, wenn es wärmer wird. „Dann brichst du mit den Ketten leichter ein und rutschst weg." Passiert ist ihm in all den Jahren zum Glück nichts.
Angefangen hat alles mit einer Mechanikerlehre. Über die Freude am Skifahren ist er in die Werkstatt der Seilbahnen gekommen und schließlich zum Fahren der PS-Monster mit Schild und hydraulischem Antrieb. „Das hat mich schon immer fasziniert", sagt Hödl.
EINMALIGES ERLEBNIS
Dafür nimmt er in Kauf, dass er jetzt im Hochbetrieb kaum einen Abend zu Hause verbringen kann. Um 16.30 Uhr geht es los, bis Mitternacht ist er auf den Pisten unterwegs. Vier Tage Arbeit, zwei Tage frei – dieses Dienstrad dreht sich durchgehend von November bis zum Ende des Skibetriebs im Frühjahr unermüdlich in dieser Geschwindigkeit. Manchmal, wenn es in der Nacht stark schneit, muss er auch um 4 Uhr früh noch einmal ausrücken. „Die Leute wollen einfach eine präparierte Piste." Obwohl dann nicht mehr viel zu retten ist. Nach der Raupen-Behandlung braucht der Schneeteppich eine Zeit zum Rasten. „Damit er sich ordentlich mit dem Untergrund verbinden kann", erklärt Hödl. Schneit es in den Morgenstunden, „haben die Leute in den ersten zwei Stunden noch eine super Piste." Danach ist es vorbei, weil alles aufgeht und zusammengeschoben wird.
Normalerweise ist die Harakiri aber in Top-Zustand. „Sonst würden wir sie gar nicht freigeben, weil es zu gefährlich wäre", sagt Franz Hödl. Wenn es die Zeit erlaubt, schnallt er sich auch selbst die Bretter an und fährt in die Harakiri ein. Ebenfalls mit Respekt, wie mit dem Pistengerät. „Denn ich muss ja kontrollieren, ob ich meine Arbeit gut gemacht habe."
Der Präparator | FRANZ HÖDL präpariert seit 15 Jahren die Pisten in Mayrhofen im Zillertal. Seit 2006 auch Österreichs steilstes Pistenerlebnis, die „Harakiri". |
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