War früher alles besser? Wohl kaum. Der Begriff „Naturschnee“ löst dennoch bei vielen Skifahrern sentimentale Gefühle aus. Es gibt sie noch, die kleinen Skigebiete, die nur dann geöffnet sind, wenn genügend Schnee vom Himmel gefallen ist.

Christof Domenig
Christof Domenig

Es hat etwas von der 1980er-TV-Serie „Wunderbare Jahre“ – das sentimental-verklärende Gefühl, dass früher, vor allem in der eigenen Kindheit, alles ein bisschen beschaulicher und schöner war (sogar TV-Serien, aber das ist eine andere Geschichte). Es ist gut möglich, dass es mit dem Skifahren auf Naturschneepisten auch bloß so ein sentimentales Gefühl ist. Denn wenn man ehrlich ist, erinnert man sich als Kind der 1980er-Jahre auch an etliche belagsmordende „Abfahrten bis ins Tal“, die eigentlich der krönende Abschluss eines Skitages hätten sein sollen. Oder auch an solche, die mangels Schnee ab der Mittelstation mit der Gondel angetreten wurden. Aber die Naturschneepisten generell, ja, die waren schon feiner, sanfter, weicher. Wie ein Teppich. Sagt die Erinnerung. Fast wie Schweben auf Wolken – damals, als es sie noch gab.

Gab? Man kann es heute noch nachprüfen: Denn, ja, es gibt sie noch, die letzten reinen Naturschnee-Skigebiete in unseren Bergen. Zwei recht aktuelle Quellen dazu: Die Naturschutzorganisation „Mountain Wilderness“ hat im Dezember 2019 den Führer „Wilde Winter“ herausgegeben und listet darin „22 Ski- und Tourengebiete“ auf, in denen auf Beschneiung verzichtet wird. Unter den 22 Regionen in Bayern, Österreich und Südtirol sind die „echten“ Skigebiete mit Liften und präparierten Pisten jedoch in der Minderzahl. Im Vorjahr hat auch der österreichische Verein für Konsumenteninformation (VKI) in seinem jährlichen Skigebiete-Preisvergleich die reinen Naturschnee-Skigebiete in Österreich aufgelistet. 11 waren es damals (ganz kleine wurden nicht ausgewiesen). Die steirische Planneralm war noch dabei, mittlerweile setzt man auch in dem bekannten Schneeloch auf eine „technische“ Beschneiungsmöglichkeit.

In einigen kleinen Resorts hält man dem reinen Naturschnee die Treue.

Aber Hochkeil in Salzburg, Unterberg in Niederösterreich, Bödele in Vorarlberg. Oder in den Nachbarländern: Aschau-Kampenwand in Bayern, Vigiljoch-Lana in Südtirol: Dort und in noch einigen weiteren kleinen Resorts (siehe die exemplarische Auflistung im Kasten) verzichtet man auf Kanonen und Lanzen und hält dem reinen Naturschnee die Treue. Abgesehen von nostalgischen Gefühlen: Zahlt es sich aus, sich extra ein Naturschnee-Skigebiet auszusuchen? Vom Umweltaspekt her betrachtet: ja – wenn sich dadurch nicht gerade eine deutlich weitere Anfahrt mit dem Auto ergibt. Der Ressourcenverbrauch durch die maschinelle Schneeerzeugung ist natürlich nicht wegzuleugnen, auch wenn manche Skigebiete ihren Ökostrom heute selbst herstellen. Aber der klimaschonendste Strom ist immer noch der nicht verbrauchte. Michael Pröttel von Mountain Wilderness vergleicht „Ski fahren nur dann, wenn Schnee vom Himmel gefallen ist“, mit „Erdbeeren essen nur dann, wenn sie auf den heimischen Feldern wachsen“. Regionalität und Saisonalität liegen ja durchaus im Trend. Der Verein für Konsumenteninformation verweist darauf, dass in den kleinen Skigebieten, in denen auf künstliche Schneeproduktion verzichtet wird, die Liftpreise entsprechend günstig sind. 

Wie schaut es mit dem Fahrgefühl auf Naturschnee aus? Einer, der es wissen muss, ist Walter Friedl. Der Betriebsleiter des Skigebiets Großer Ötscher (NÖ) ist nicht nur lawinen- und somit schneekundlich bewandert, sondern er hat auch deshalb den direkten Vergleich, weil in seinem Skigebiet nur ein kleiner Teil der Pisten beschneit wird. Für den größeren Teil kommt man in dem Schneeloch in Nordstaulage, trotz Seehöhe von 800 bis 1400 m, bislang mit natürlichem Weiß durch die Saison. Der große Unterschied zwischen natürlichem und „technischem“ Schnee (man spricht korrekt auch von „Maschinenschnee“, jedoch nicht von „Kunstschnee“) liegt in der spezifischen Dichte, erklärt Friedl. Die maschinell aus Eiskügelchen und mit Druckluft erzeugten Kristalle sind deutlich weniger ausgeprägt als ein natürlicher, vom Himmel schwebender Schneekristall. „Naturschnee ist viel weicher zu fahren. Technischer Schnee ist dichter, die Piste härter, es ‚roffelt‘ mehr“, beschreibt es Friedl.

Das Risiko von Wintern mit wenig Schnee wird größer.

Andreas Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
Natur pur: Es gibt sie noch - Skigebiete, die auf Naturschnee setzen

Schreitet der Skitag voran, zeigen sich weitere Unterschiede – die dann allerdings nicht so eindeutig „pro Natur“ ausfallen: Bei Naturschnee entstehen zusammengeschobene Hügel. Pisten aus Maschinenschnee halten mehr aus, sind vor allem resistenter gegen die Carving­ski, die es in den 1980er-Jahren bekanntlich noch nicht gab. Dafür entstehen bei Pisten aus der Maschine eher abgeschobene, eisige Flächen. Nach einiger Zeit „bricht“ der Naturschnee und verliert dadurch seine „Luftigkeit“. Älterer Naturschnee und technischer Schnee fühlen sich dann auch als planierte Piste zunehmend wieder ähnlich an, sagt Walter Friedl.

Fragt sich noch, wie es um die Zukunftsaussichten für die reinen Naturschnee-Skigebiete steht. Stichwort: Klimawandel. Dass es auch in den Bergen wärmer wird, im Sommer wie im Winter, daran gibt es nichts zu rütteln – sagt Andreas Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Steiermark. „Es ist dabei eine Spezialität des Winters, dass die Variabilität sehr hoch ist. Es gibt kalte und es gibt warme Winter.“ Der Temperaturanstieg erfolgt also nicht linear, sondern ist großen Schwankungen unterworfen, was auch das mancherorts geäußerte Gefühl erklärt, dass das mit der Erwärmung zumindest im Winter eh nicht so ganz stimmt. Neben kalten Temperaturen braucht es für Schneefall noch: Niederschlag. „Das ist ein schwieriges Thema, bei dem es regional sehr große Unterschiede gibt. Insgesamt beobachtet man aber eine Tendenz zu einer leichten Zunahme der Winterniederschläge.“

Höhere Temperaturen, aber etwas mehr Niederschlag: Was heißt das nun für die Schneedecke? Hier stützt sich die Wissenschaft etwa auf Daten aus der Schweiz. „Die Saison mit geschlossener Schneedecke hat sich in der jüngeren Vergangenheit schon um 3 bis 4 Wochen verkürzt und sie wird weiter kürzer werden.“ Die langfristige Tendenz ist also eindeutig: Es wird wärmer und wenn nicht entgegengesteuert und das „Paris-Ziel“ im Klimaschutz verfehlt wird, vor allem ab 2050 richtig bitter. Und kurzfristig? „Wird das Risiko von Wintern mit wenig Schnee größer“, sagt Gobiet. Prognosen sind aber keine möglich, denn der Zufall könne auch zu einer Häufung von schneereichen, kalten Wintern führen, ohne dass das den langfristigen Trend infrage stelle. Es besteht also Hoffnung für die letzten Naturschnee-Skigebiete. Und für Nostalgiker, die die Betreiber dieser Gebiete unterstützen können, indem sie ihr Angebot nutzen.

9 Naturschnee-Skigebiete

Skigebiet Unterberg (NÖ)
16 km, 4 Lifte. 10 Pisten, 2 Skirouten und eine 5 km lange Talabfahrt im „Naturschneeparadies“.
www.schigebiet-unterberg.at

Hochkeil am Hochkönig (S)
8 km, 5 Lifte. 100 % Naturschnee am Fuße des Hochkönigs. 
www.hochkeil.at

Nesselwängle (T)
12,5 km, 5 Lifte. Im Tannheimer Tal warten rote und blaue Pisten und auch einige Varianten auf Genießer.
www.lifte-nesselwaengle.com

Aflenzer Bürgeralm (St)
14 km, 7 Lifte. Weitläufiges, lawinensicheres Sonnenplateau.
www.aflenzer-buergeralm.at

Bödele/Schwarzenberg (V)
24 km, 10 Lifte. 1987 Weltcup­ort, und es gibt noch Punktekarten.
www.boedele.info

Sonnenkopf im Klostertal (V)
34 km, 9 Lifte. Insider schätzen die Schneequalität der Pisten.
www.sonnenkopf.com

Aschau i. Chiemgau-Kampenwand (Bayern)
12 km, 4 Lifte. Blaue, rote und schwarze Naturschneepisten. 
www.kampenwand.de

Wendelstein (Bayern)
11 km, 4 Lifte. Sportliche Abfahrten und Naturschnee pur.
www.wendelsteinbahn.de

Vigiljoch-Lana (Südtirol)
5 km, 4 Lifte. Entspanntes, naturnahes Skifahren inmitten der Ortler-Skiarena.
www.vigiljoch.com