Winterkleidung für Radfahrer muss warm sein. Das ist nicht neu. Sie muss aber noch viel mehr Aufgaben erfüllen. Wir haben uns in der Branche umgehört, was ein gutes Winteroutfit am Bike ausmacht und welche Trends Industrie und Kunden umtreiben.

Michael Windisch


Von Eiswinden im Osten bis zu den alpinen Schneewintern im Westen – was die österreichischen Radfahrer vom Burgenland bis nach Vorarlberg im Winter eint, ist die Frage, wie sie sich warm halten. Dass die Ansprüche an Bike-Bekleidungsteile für kalte Tage in den letzten Jahren noch einmal gestiegen sind, beobachtet Alisa Focke, Produktmanagerin für Bike-Bekleidung beim deutschen Hersteller Vaude. Das hat mit geänderten Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden zu tun: „Viele Leute haben sich für das Pendeln mit dem Fahrrad entschieden, als Alternative zu Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln – und das auch im Winter.“ Im Winter herrscht heute also weit mehr Radverkehr als noch vor ein paar Jahren. Das bedeutet für die Hersteller ein Umdenken. Es sind nicht mehr nur eiserne Rennradler und Mountainbiker unterwegs, sondern auch Alltagsfahrer und E-Biker, die ganz andere Wünsche an ihre Ausrüstung richten.

Dominique Roshardt, Produktmanager beim oberösterreichischen Produzenten Löffler, ergänzt einen weiteren Aspekt, der insbesondere für Pendler von Bedeutung ist, die oft in den Morgen- oder Abendstunden unterwegs sind: Die Sichtbarkeit. Das schlage sich in einer Tendenz zu auffälligeren Designs mit Neonfarben und Reflexionsstreifen nieder. Doch den einen Style für alle gibt es heute nicht mehr: „Es gibt je nach modischem Geschmack und Einsatzbereich unterschiedliche Ansprüche. Zum Beispiel sind die Farben beim Graveln eher trendiger und tonaler, während Tourenbiker klassische, aber moderne Farben bevorzugen.“

Doch es geht über rein modische Aspekte hinaus. Für unterschiedliche Bikertypen entwickeln sich eigenständige Produkte oder Features: „Das können auch nur kleine Details sein: beispielsweise eine gerundete Kragenrückseite bei sportlicher Sitzposition am Rad oder wärmere Produkte zum E-Biken“, beobachtet Roshardt. Dem stimmt Focke zu: „Schnitt, Farbe und Produktart sind sehr spezifisch – für’s Mountainbike, Rennrad, Touring, Commuting – und können sich je nach Bereich unterscheiden und andere Prioritäten fokussieren.“ Sie beobachtet eine Orientierung hin zu einfarbigen Produkten mit einzelnen farblichen Elementen: „Cleanere Linienführung und Ageless Simplicity“ im Sinne eines zeitlosen Designs, das auch noch in vier oder fünf Jahren ansprechend ist, bestimmen hier die Fahrtrichtung. 

Aus Kaffeesatz wird Membran-Wärme
Das hängt auch damit zusammen, dass das Thema Nachhaltigkeit in den heimischen Kleiderschränken immer mehr Platz bekommt, erklärt Vaude-Produktmanagerin Focke: 2022 sollen alle Produkte des baden-württembergischen Unternehmens klimaneutral hergestellt werden. Bis 2024 sollen neun von zehn Produkten einen recycelten oder biobasierten Materialanteil von mehr als 50 Prozent haben. Konkret bedeutet das: Aus alten PET-Flaschen oder Fischernetzen werden Hosen und Trikots. Besonders interessant für den Winter: In Fleecewesten oder Membranen kommt häufig eine Mischung aus recyceltem Polyester und Kaffeesatz zum Zug. Den Trend bestätigt auch Roshardt von Löffler: „Gerade das Thema regionale Produktion und Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Fokus der Konsumentinnen und Konsumenten.“ Nach eigenen Angaben sind die Oberösterreicher bereits seit 2020 klimaneutral. Zugute kommt dabei, dass die eigene Produktion nie nach Asien ausgelagert wurde, sondern immer in Österreich oder anderen europäischen Ländern stattfand.

Der Nachhaltigkeitstrend ist relativ neu. Der gute, alte Zwiebellook aber ist noch immer das Maß der Dinge: „Durch die passende Kombination von Kleidungsstücken kann auf eine mögliche Intensitätsänderung oder einen Wetterumschwung reagiert werden“, erklärt Roshardt die Vorzüge. „Problematisch könnte sein, sich auf ‚ein Produkt für alles‘ zu verlassen. Beispiel: die gleiche warme Jacke zum Skifahren, Langlaufen und Winterbiken zu verwenden.“ Bei wärmeren Wintertagen oder höherer Belastung auf dem Rad wird es damit rasch zu warm – und der Spaß an der Freude geht verloren. Auch auf welches Rad man steigt, will bedacht sein: Für einen Mountainbike-Einsatz am Maximalpuls darf es etwas weniger sein. Bei der lockeren E-Bike-Ausfahrt sollte man eher zu härteren Bandagen greifen – zumal sich hier der Wind-Chill-Faktor deutlich bemerkbar macht.

Forschung in der Kältekammer
Der Fahrtwind setzt freilich besonders exponierten Körperteilen wie Händen und Füßen besonders zu. Die richtigen Schuhe und Handschuhe sind daher im Winter essenziell. Der Aufwand, der bei den Produzenten dafür betrieben wird, ist beträchtlich. Vaude etwa ist für die Entwicklung des neuen Winterschuhs Minaki II STX in die Kältekammer gegangen, hat beobachtet, an welchen Stellen des Fußes es zu einem besonders hohen Temperaturabfall kommt – vor allem im Zehen- und Spannbereich – und dort noch einmal zusätzliche Isolationsschichten angebracht. Damit auch wirklich alle warm nach Hause kommen.