Mit 22 Jahren ist Mikaela Shiffrin bereits Olympiasiegerin, Weltcup-Gesamtsiegerin und dreifache Weltmeisterin. Dennoch wird die US-Amerikanerin nicht müde, immer weiter an sich zu arbeiten. Weil sie im Winter ganz besondere Momente ­erleben möchte.

von Axel Rabenstein


Mikaela, warum ist der Winter die schönste Jahreszeit?

Weil Schnee liegt! Und der Winter die Saison ist, für die ich lebe. Der vergangene Sommer war fast ein wenig stressig, vor der Olympia­saison gab es viele Termine. Jetzt freue ich mich darauf, dass ich mich wochenlang voll und ganz aufs Skifahren fokussieren kann.

Wie gehst du mit der Rolle um, die Gejagte zu sein?
Das ist aufregend! Die anderen Fahrerinnen haben nicht geschlafen, es ist spannend zu sehen, wie stark sie sind. Ich versuche grundsätzlich, niemanden zu unterschätzen und positive Energie aus der Stärke meiner Konkurrentinnen zu ziehen.

Wenn du von drei deiner Konkurrentinnen jeweils eine Fähigkeit haben könntest. Was würdest du wählen – und von wem?
Ich bewundere die Courage von Stephanie Brunner, sie nimmt jeden Schwung so, als hätte sie niemals Zweifel. Anna Veith ist eine fantastische Skifahrerin, von ihr hätte ich gerne das Timing, sie fährt so wunderbar flüssig. Und dann wäre da noch Tessa Worley, die über eine beeindruckende Technik verfügt.

Du beginnst deine Rennen gerne etwas langsamer, um dann zum Schluss hin immer schneller zu werden. Teilst du dir so auch deine Kraft für eine ganze Saison ein?
Trainingszeit und Erholungsphasen müssen über den ganzen Winter hinweg gut organisiert sein. Bei mir sollen Slalom und Riesenslalom die Basis bleiben, zudem will ich mich künftig in den Speed-Disziplinen beweisen. Es ist eine Gefühlssache. Du spürst genau, wenn du bereit bist. Oder vielleicht doch besser mal eine Pause einlegen solltest. Ansonsten versuche ich einfach, jedes einzelne Rennen zu einem Höhepunkt zu machen.

Ein besonderer Höhepunkt für dich ist das Rennen in Killington. Hier im US-Bundesstaat Vermont bist du groß geworden, die Erwartungshaltung der Menschen ist riesig. Kannst du das denn noch genießen?
Das Rennen 2016 war das erste seit vielen Jahren an der Ostküste. Es schien gesetzt zu sein, dass ich gewinnen würde. Alle Augen waren auf mich gerichtet, ich war extrem nervös und habe mich wirklich nicht mehr wohlgefühlt. Weil ich dachte, ich würde die Menschen enttäuschen, wenn ich nicht gewinnen würde. Am Ende war der Sieg im Slalom wie eine Befreiung für mich.

Wie schaffst du es, in solchen Drucksituationen zu funktionieren?
Es ist wichtig, gut zu trainieren, nur dann hast du auch die Selbstsicherheit und das Vertrauen für ein erfolgreiches Rennen. Du musst das Gefühl haben, perfekt vorbereitet zu sein. Dann blickst du nicht auf die anderen, sondern konzentrierst dich darauf, dein eigenes Können abzurufen.

Was macht dir mehr Spaß: Besser zu werden – oder besser zu sein?
Das Gefühl, nach dem Training besser geworden zu sein, genieße ich sehr. Es ist aber auch anstrengend und immer wieder ein Kampf. Das Bessersein ist am Ende der verdiente Lohn für die Mühe – und das Ziel, für das ich arbeite.

Du fährst in den technischen Disziplinen schon längst auf höchstem Niveau. Worin möchtest du überhaupt noch besser werden?
Ich habe das Gefühl, dass ich in allen Bereichen noch zulegen kann. Bei der Ernährung gibt es immer Potenzial, noch disziplinierter zu sein. Außerdem arbeite ich gezielt an meiner mentalen Stärke. Zuletzt gab es viele Rennen, die ich sehr nervös absolviert habe. Ich versuche, mir vor jedem Rennen zu denken: Es macht Spaß hier zu sein! So kann ich auch aus einer Drucksituation positive Energie ziehen.

In der Theorie hört sich das einfach an. Aber wie funktioniert das konkret?
Es ist wichtig, immer wieder die richtigen Tipps zu erhalten. Das hört niemals auf, schließlich durchlebt man viele Phasen im Sport und in seiner Persönlichkeit. Vergangenes Jahr sprach ich mit einer Mentaltrainerin, nachdem ich einige schwierige Rennen hinter mich gebracht hatte. Sie sagte mir: Wenn du Angst davor hast, andere Menschen zu enttäuschen, solltest du dir vor Augen führen, dass du als die Person ins Ziel kommst, die du auch am Start warst. Es macht keinen Unterschied, ob du gut oder schlecht gefahren bist. Du bist deshalb nicht besser oder schlechter. Es geht nur ums Skifahren. Du solltest nicht zulassen, dass deine Tagesform oder sogar äußere Umstände dich verunsichern. Das hat mich befreit, ich fühle mich seitdem deutlich wohler vor dem Start.

In der Tat sieht man dich häufig lachen. Du wirkst entspannt und zufrieden …
Natürlich! Ich habe ein fantastisches Leben. Im Sommer war ich mit meinem Bruder beim Biken, das habe ich sehr genossen. Aber nun ist wieder Winter. Und das ist meine Zeit für ganz besondere Momente.


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